Wenn dieser Tage der Name Volvo fällt, dann weniger im Zusammenhang mit technischen Durchbrüchen als im Zuge der Tempolimit-Diskussion. Die Schweden gaben im Vorfeld des Genfer Autosalons bekannt, ihre Fahrzeuge ab nächstem Jahr auf 180 km/h begrenzen zu wollen – was ich als Freund schneller und schnell bewegter Fahrzeuge natürlich nur wenig erfreulich finde. Wenn Sie sich also fragen, warum ich schon wieder einen Volvo teste, dann hat das mit einer gewissen Eile zu tun. So holte ich mir schnell noch mal den neuen Volvo V60 Cross Country T5 AWD, solange es noch möglich ist, ihn artgerecht zu bewegen. Und so lange sein Bowers & Wilkins System – Infotainmentsystem Sensus Connect mit Premium Sound by Bowers & Wilkins, so der offizielle Name – noch frei aufspielen darf. Denn von der nannyhaften elektronischen Tempo-Begrenzung ist es nur ein kleiner Schritt zum vorauseilenden Lautstärke-Limit. Schließlich gibt es auf Strecken ohne Tempolimit laut Experten jedes Jahr nicht nur 140 ganz vorzeitige Todesfälle in Deutschland, sondern auch millionenfache schwere Gehörschäden durch laute Musik. Schon 25 % aller 16- bis 24-Jährigen haben nach Schätzungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bereits einen Hörschaden.
Im Moment sind solche Selbstbeschränkungen aber noch Zukunftsmusik, deshalb hat Volvo vermutlich die Testfahrten nach Österreich verlegt, wo bis auf einige Ausnahmen ein generelles Tempolimit von maximal 130 km/h auf Autobahnen gilt. Um uns noch weiter zu entschleunigen, lassen sie uns durch programmierte Routen über kurvenreiche Landstraßen von einem Navigationssystem, bei dem sich in zwei verschiedenen Testwagen gerne mal die Stimme bis zum Neustart verabschiedete, auf eine Biofarm führen. Dort wollen uns die Schweden die Stärken ihres neuen V60 Cross Country als drittem Autogeschlecht zwischen SUVs und Kombis demonstrieren.
Trotz der auf 21 Zentimeter gesteigerten Bodenfreiheit liegt der Volvo wie ein Brett. Die ausgewogene Fahrwerksabstimmung lässt ihn geschmeidig abrollen, vermittelt aber trotzdem ein straffes, recht sportliches Fahrgefühl. Das Feedback vom Multifunktions-Volant lässt sich individuell anpassen und macht im Dynamik-Modus immerhin einen ziemlich direkten Eindruck. Der 2-Liter-Turbo-Diesel-Diekteinspritzer ermöglicht mit seinen 190 PS in Verbindung mit der 8-Stufen-Automatk ein flottes, entspanntes Vorankommen. Was mir nicht so gefällt, ist die lange Bedenkzeit im jeder Menge Schlupf im Drehmomentwandler, selbst im Dynamik-Modus beim manuellen Gangwechsel mit den Paddeln am Lenkrad. Das soll vielleicht abrupte Lastwechsel auf rutschigem Untergrund vermeiden. Wenn man das 8-HP von ZF gewohnt ist, wirkt das Asin-Warner-Getriebe allerdings nicht so überzeugend, gerade auch in sportlicher Hinsicht.
Volvo V60 Cross Country: der Kombi, der aus der Kälte kam
Wo ich Volvo wie auch im Fall des V60 Cross Country ganz vorne sehe, sind seine überragenden Wintereigenschaften. Der höher gelegte Kombi, der aus der Kälte kam, definiert in drei Disziplinen die Maßstäbe.
Beginnen wir beim Kaltstart: Wie schnell der Schwede seine beheizten Sitze trotz Lederbezug warm werden lässt, erinnert eher an einen Webergrill als an die Sitzheizungen von BMW oder Mercedes.
Dann geht es weiter mit den Scheibenwischern, die man wirklich genial nennen kann. Sie vergeuden keinen Tropfen des im Winter besonders wertvollen Wischwassers und vermeiden den Blindflug, der sich mit gewöhnlichen Wisch-Waschanlagen ergibt, bevor der Wischer die Wasserlache auf der Windschutzscheibe beseitigt. Die mit allen Wintern gewaschenen Schweden verlegten die Düsen direkt in die Wischerarme. Das ist absolut brillant und praktisch nicht zu toppen.
Doch auch fahrdynamisch bremst der Schwede auf Schnee und Eis die meisten anderen aus: Sein gekonnt abgestimmtes, schnell regelndes ABS kommt nicht gleich ins Stottern. In Verbindung mit der exzellenten Traktion ermöglicht das maximale Verzögerung auf glattem Untergrund. Und auch die positive Beschleunigung ist ausgezeichnet. Die Kraft lässt sich lässig auf den verschneiten Boden bringen. Man sieht das sehr schön im Video, mit dem grundsätzlich ähnlichen Volvo V60 R Design, mit dem ich eine flotte Runde auf einem vereisten Rundkurs drehte – im Schlepptau von GT-Rennfahrer Jakob Schober von Lechner Racing. Der junge Wilde kam gerade zufällig vorbei, als ich mich auf leerem Kurs in der Mittagspause mit einer Drohne messen wollte.
Die freie Piste und der Profi vor der Nase beflügelten mich, die Möglichkeiten der neuen V60-Generation etwas weiter auszuloten als beim Kolonnenfahren mit den Kollegen. Dabei zeigte sich trotz maximal 50 Prozent Antriebsleistung des Allradantriebs an der Hinterachse und einer Traktionskontrolle, die sich nicht komplett deaktivieren lässt, dass man mit dem sicheren Schweden trotz seiner vernunftbetonten Auslegung vorzüglich quer fahren kann. Allerdings musste ich dafür etwas härter arbeiten als eine Woche zuvor im mehr als dreimal so starken MTM Audi RS5 R, in dem ich beim Driften noch mühelos Selfie-Videos drehen konnte (bitte nicht nachmachen!). Trotzdem bin ich hellauf begeistert vom V60, der für mich ganz klar der sportlichste Volvo ist.
Immerhin Bio
Damit mich die von Volvo gewissermaßen hofierten Weltretter nicht mit der Schneeschaufel aus dem Dorf jagen, sei betont: Sie setzten ein Statement gegen konventionelle Landwirtschaft. Sie ließen uns nicht irgendwo, sondern über die Äcker der Biofarm Teufel rasen, die im Winter, durch einen Eispanzer geschützt, in einen Driftkurs verwandelt wird. Damit ich mich bei einer solchen Aktion auch ein wenig als einer von den Guten fühlen konnte, ging ich mit der richtigen Musik aufs Eis tanzen. Wie wärs’s mit etwas 68er-Musik? Doch gleich im ersten Song wünschte sich Janis Joplin einen Mercedes Benz.
Immerhin konnte ich mich an der mit viel Schmelz wiedergegebenen Stimme der Woodstock-Ikone erfreuen. Ein Verdienst der Tweeter-on-Top-Technologie, die akustischen Widerhall von der Windschutzscheibe minimiert und dadurch Klangverfärbungen reduziert.
Nächster Versuch: „Fast Car“ von Tracy Chapman. Noch schlimmer: Diese sonst so sozialkritische Dame stachelte unverhohlen ihren Freund an, mit ihr in seinem schnellen Wagen in den Sonnenuntergang zu rasen. Ob der wohl wenigstens wie der Volvo schon die Norm 6d Temp erfüllt? Immerhin kommt der Bass über den seitlich im Kofferraum eingebauten Fresh Air Subwoofer und die perfekt angekoppelten Tieftöner der 3-Wege-Systeme in den Vordertüren sehr differenziert und satt. Vor allem kommt er von vorne. Nicht zuletzt dank Dirac haben die Audio-Experten von Volvo einmal mehr ein formidables Frontstaging hinbekommen. Doch der Text der Musik geht eigentlich gar nicht in einem modernen Volvo.
Der gegenüber dem V60 Cross Country flachere Volvo V60 R Design auf Schnee und Eis in Faistenau. Rennfahrer Jakob Schober von Lechner Racing (im blauen Auto) und Stefan Schickedanz von LowBeats im weißen Wagen fahren eine schnelle 4×4-Drift-Runde gegen die DJI Drohne vom Piloten Andreas Teufl.
Ja, wenn die Revolutionärinnen heute schon so wenig zur Weltrettung beitragen, dann kann ich auch gleich Eminem hören. Sein aktuelles Album scheint auch diesmal eine spirituelle Seite zu haben: Es heißt „Göttlicher Wind“ oder auf japanisch „Kamikaze.“
Soll auch mal einer sagen, der Rapper sei nicht gut zu Frauen. In „Nice Guy“ darf Jessie Reyez den Anfang machen. Doch das gute Gefühl der moralischen Überlegenheit währt nur kurz. Was als erstes aus seinem Mund kommt, mag ich hier lieber nicht wiedergeben. Mir verreisst es fast das lederbezogene Multifunktions-Lenkrad. Eigentlich egal, der Volvo driftet eh schon quer durch die Kurve. Doch ich halte kurz die Luft an, dass kein Algorithmus im Hintergrund mitläuft, der bei solchen frauenverachtenden Songs nicht umgehend das 1.100 Watt starke B&W System mit seinen 15 Lautsprechern stumm schaltet.
Als einige Takte später sowohl Anlage als auch Aggregat nicht zwangsabgeschaltet sind und auch das Lenkradschloss nicht zuschnappt, um den bekennenden Eminem-Fan aus dem Verkehr zu ziehen, lehne ich mich entspannt in die bequemen, geschmackvoll gestalteten Ledersitze zurück.
Doch zurück zur Musik und dem Bowers & Wilkins System mit seinen optimal positionierten, sprich direkt neben den Nautilus-Hochtönern ganz oben in den Vordertüren angebrachten Kevlar-Mitteltönern.
Nach einigen weiteren Songs wie „Highway Star“ von Deep Purple kann ich sicher sagen, dass im DSP des Sound-Systems zwar eine hochentwickelte schwedische Software läuft, aber für alte weiße Männer, die ihre lieb gewonnenen Macken nicht aufgeben wollen, kein Grund zu Panik besteht. Es sind nur die äußerst smarten, aber harmlosen Algorithmen von Dirac. Die wollen doch nur Musik spielen. Und da bleiben keine Wünsche übrig.
Fazit Volvo V60 Cross Country mit B&W High-End-Sound
Warum warten, bis uns die Autos ab 2020 durch eingebaute Tempolimits und andere Regelungen zu besseren Menschen erziehen? Sie können jetzt schon das visionäre Werk von Volvo zu Ende führen, indem sie den V60 Cross Country nur statisch als stylischen Konzertsaal benutzen. Das B&W High-End-System kostet zwar in Verbindung mit dem Infotainmentsystem Sensus Connect 3.300 Euro Aufpreis. Aber solange Sie den 190 PS starken Dieselmotor der T5-Variante samt 8-Gang-Automatikgetriebe nicht anlassen, holen Sie die Kosten schnell wieder rein. Dabei springt locker ein Batterieerhaltunsgerät heraus, mit dem Sie ihr Bowers & Wilkins System über die Steckdose versorgen können.
Voilà, es ist vollbracht. Da steht er dann vor Ihnen: Der erste Volvo, der alle Emissionsziele der nächsten 50 Jahre übertrifft. Der niemals in einen Unfall verwickelt sein wird, sofern Sie sich nicht den Finger in der Tür einklemmen. Und der auch null Feinstaub aufwirbelt, sofern Sie die Anlage nicht aufdrehen, bis der Staub aus den Ritzen fliegt. Das perfekte Wohnzimmer auf Rädern – mit schwedischer Einrichtung, die Sie nicht erst selbst zusammenbauen müssen und einem audiophilen Sound-System, das viele nicht einmal von zu Hause kennen. Der reinste Garten Schweden.
Okay, so radikal würde ich auch nicht sein. Für alle, die den Volvo V60 Cross Country nicht als Wohnzimmerersatz, sondern als Auto nutzen wollen, noch etwas zum Fahrgefühl: Die V60-Baureihe ist die sportlichste der Skandinavier und mit 529 bis 1441 Litern Kofferraumvolumen immer noch ein höchst praktisches Fahrzeug für die ganze Familie. Die höhere Sitzposition der Cross-Country-Version trägt sehr zum entspannteren Fahrgefühl bei. Und sagen wir mal so: Wenn Sie Ihren V60 nächstes Jahr mit serienmäßigem Tempolimit kaufen, dann lässt sich die Entdeckung der Langsamkeit von dieser Warte aus leichter verschmerzen als im tiefergelegten, betont sportlichen V60 R Design. Und wer weiß: Vielleicht dürfen wir sowieso demnächst nur noch 130 Sachen fahren, dann würde ich erst recht den Cross Country wählen.
Bewertung
AnlageAutoFahrspassGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Klingt nicht nur sehr homogen, Stimmen haben auch audiophilen Schmelz, das gewisse Etwas |
| Breite, sehr tiefe, stabile und plastische Hörbühne |
| Satter, tiefer Bass mit zünftigen Pegelreserven |
| Fahrwerksabstimmung schafft den Spagat zwischen Sportlichkeit und Fahrtkomfort |
Vertrieb:
Volvo Cars Deutschland
Köln
www.volvocars.com
Preis (Herstellerempfehlung):
Volvo V60 Cross Country T5 AWD ab 51.700 Euro, Infotainmentsystem Sensus Connect mit Premium Sound by Bowers & Wilkins 3.300 Euro
Mehr zu Volvo:
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