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Der Burmester 217 (hier als Zeichnung) ist äußerlich vergleichsweise dezent, hat aber alles, was ein absolutes Spitzenlaufwerk auszeichent. Natürlich auch den Preis: Er kostet 20.000 Euro (Zeichnung: Burmester)
Der Burmester 217 (hier als Zeichnung) ist äußerlich vergleichsweise dezent, hat aber alles, was ein absolutes Spitzenlaufwerk auszeichnet. Natürlich auch den Preis: Er kostet 20.000 Euro (Illustration: Burmester)

Test Plattenspieler Burmester 217

Der gewaltige Burmester-Plattenspieler 175 hatte uns schwer beeindruckt. Nun gibt es ein halb so schweres, halb so teures Modell aus Berlin, den Burmester 217. Optisch glänzt er wie sein großer Bruder. Aber wieviel von dessen klanglicher Autorität bleibt erhalten?

Welchem Laufwerks-Grundtyp der Burmester 217 zuzurechnen ist, darüber muss man nicht lange diskutieren. Den mächtigen Versandkarton an einer Seite anzuheben reicht: Ganz klar ein Masselaufwerk. Aber diese Kategorisierungen sind ohnehin alt und abgenutzt, voller Ausnahmen und Sonderfälle und eigentlich komplett wertlos. Mir sind schon dünn und streng klingende Phono-Schwergewichte begegnet, Leichtbaudreher mit erstklassigem Bass und überragender Dynamik sowieso – siehe Rega oder auch Vertere.

Der Burmester 175 im Messerückblick High End 2017
Der Burmester 175: Das erste analoge Laufwerk der Berliner und ein Werk, das Dieter Burmester noch begonnen, aber nicht hat beenden können (Foto: H. Biermann)

Wenn wir vom Klang des 217 also fundamentale Ruhe und mühelose, präzise Kraftentfaltung erwarten, dann nicht, weil der Spieler teuer ist oder über 30 Kilo wiegt. Sondern weil wir die Leute kennen, die ihn entworfen und gebaut haben. Weil wir wissen, welche Eigenschaften dem Firmengründer Dieter Burmester besonders am Herzen lagen, der die Klangkultur seiner Marke auch posthum noch prägt: Präsent, druckvoll und dynamisch, gerne auch bei ganz un-audiophil hohen Lautstärken, konnte bislang noch jedes Gerät aus Berlin spielen. Mit jenem besonderen, elektrisierenden Kick, der sich sonst eher vor Live-PAs einstellt. Wer einen Burmester-CD-Player gehört hat oder den Plattenspieler-Erstling 175, weiß, dass sich diese Ideale auch in Quellgeräten realisieren lassen.

Mit dem 175 hatte ich viele Monate gehört, er wurde erst kürzlich wieder abgeholt (ich hatte eigentlich gehofft, die Berliner würden ihn einfach ganz lässig bei mir im Kraichgau stehen lassen). Weil unschwer zu erkennen ist, dass die beiden Modelle in Konzept und Ausführung eng verwandt sind, erwartete ich vom 217 eine würdige Vertretung zu einem nicht mehr ganz so exklusiven Preis. Nicht dass ich mir den leisten könnte: 50% weniger bedeutet immer noch 20.000 Euro. Aber wenn eine komplette Anlage aus Burmesters Top Line – zu der der 217 formal gehört – locker eine sechsstellige Summe kosten kann, dann passt das doch wieder.

Burmester hat sich mit den Jahrzehnten perfekt auf eine etwas besser situierte Klientel eingestellt. Dazu gehört auch zu verstehen, dass nicht jeder Interessent und jede potenzielle Kundin Lust hat, sich monatelang mit spitzfindigen Abwägungen zu beschäftigen, welche Kombination aus Laufwerk, Arm und Tonabnehmer auf welchem Möbel mit welchem Kabel und so weiter für das eingesetzte Geld die optimale Ausbeute bringt. Da soll sich der Hersteller ruhig schon einmal im Vorfeld drum kümmern. Damit der Händler dann einfach abfragen kann „wollen sie auch den Plattenspieler? – Ja/Nein“. Um bei „Ja“ dann eben den 217 auf die Rechnung zu setzen. Fertig.

Die Besonderheiten des Burmester 217

So einfach wie die Kaufentscheidung macht Burmester auch den Aufbau zuhause. Der 217 reist aus Berlin im stabilen Doppelkarton auf einer Einwegpalette an, sofern er nicht Teil einer größeren Sendung ist. Er kann die letzten Meter relativ mühelos per Sackkarre gekarrt oder von zwei Erwachsenen getragen werden. Hat man die Kiste dann losgezurrt und aufgeschlitzt, geht es ganz schnell: Selten habe ich für einen Spieler – egal wie teuer oder billig – so wenige Handgriffe benötigt. Erst das Chassis auf einen stabilen Tisch oder ein Sideboard stellen und mit den drei Feingewinde-Füßen nivellieren. Dann zwei Sicherungsschrauben rausdrehen (und gut aufheben!), den Teller drauf, auf diesem nochmal die horizontale Ausrichtung prüfen und schon kann‘s ans Verkabeln gehen.

Der Arm ist bereits perfekt eingestellt, der Tonabnehmer fix und fertig justiert, sodass der stolze Besitzer eigentlich nur noch den Nadelschutz abnehmen und eine geeignete Einweihungsplatte finden muss. Die dem 175er noch beiliegende LP „Burmester Reference Check“ scheint beim 217 nicht dabei zu sein – kein großer Verlust angesichts vier mittelmäßig spannender Musiktracks und einiger nicht wirklich notwendiger Testsignale. Auch eine auf dem Original-Designentwurf basierende Lithografie des Spielers bleibt dem Topmodell vorbehalten. Aber wer hätte die wirklich aufgehängt, wenn das Original danebensteht? Als Student hatte ich immerhin mal einen sehr schön fotografierten Linn Ekos über meinem Schreibtisch an die Wand gepinnt. Aber da besaß ich ja noch keinen.

Mechanisches Herz des Burmester 217 ist ein Block aus feinstem Schweizer Aluminium. Mechanisch macht es zwar keinen Unterschied, aber die spezielle und relativ teure Provenienz des Leichtmetalls garantiert ein besonders ebenmäßiges Gefüge und entsprechend perfekte, farblich homogene Oberflächen. Das Alu verbringt dann etliche Stunden in einer CNC-Maschine, die die verschiedenen Hohlräume und Durchbrüche herausarbeitet. Im Klopftest verhält sich das Alu-Chassis dennoch wie ein massiver Metallblock, also komplett inert. Heftigeres Klopfen führt schließlich dazu, dass man die Stellfläche „hört“, auf der der 217 steht. In meinem Hörraum ein Lowboard von Tabula Rasa, getischlert aus massivem deutschen Eichenholz. Das macht auch bei stärksten Anregungen nur kurz „dug“ – und auch das hört man nur bei weit aufgedrehtem Verstärker. Wir lernen daraus aber, dass der 217, so akustisch tot er selbst auch sein mag, nur schwach von seinem Untergrund entkoppelt ist. Die drei filzbesohlten Metallzylinder, die als Füße dienen, sorgen also zwar für erzstabilen Stand, übertragen allfälliges Eigenleben der Standfläche aber schon merklich. Was letztlich bedeutet, dass es nicht völlig egal ist, worauf der Burmester-Spieler arbeitet. Schade in dem Zusammenhang, dass Tabula Rasa, ein hessischer Handwerksbetrieb ohne jegliches Voodoo-Geklingel, schon vor Jahren dichtmachte.

Burmester-typisch ist die Frontblende des Plattenspielers nicht einfach hochglanzpoliert, sondern tatsächlich verchromt. Und dann feinst poliert. Ich habe im Werk in Berlin mal beobachtet, wie eine Charge Frontplatten vom Verchromer zurückkam und jede einzelne unter einer Speziallampe so ausgiebig inspiziert wurde, als sei sie eine Tafel aus der Bundeslade. Verchromt sind auch die wenigen Bedienelemente – zwei Tipptasten, ein traditioneller Knebelschalter – und sogar die vier Inbus-Befestigungsschrauben. Perfektion wird hier mitunter schon zur Obsession. Statt der zehn HiFi-Gebote trägt die Chromfront aber nur ein Minimum an Gravuren und reflektiert ansonsten ihre Umgebung. Was den Spieler zu einem tückischen Fotomotiv macht, ihn im Alltag aber unerwartet dezent mit der Einrichtung verschmelzen lässt.

Burmester 217 Front
Spiegelkabinett: Die Chromfront wirkt in natura überraschend dezent (Foto: Burmester)

Der Kippschalter rechts vorne erfüllt eine Doppelfunktion: Nach unten umgelegt, schaltet er den Spieler komplett ab. Die Mittelstellung bedeutet Standby. Von dort aus nach oben arbeitet der Schalter als Start/Stop-Taster, federt also stets in die Mittelstellung zurück und schaltet den Antrieb abwechselnd ein und aus. Über die Drehzahl entscheiden zwei Tipptasten am linken Rand der Frontplatte. Mehr ist zur Bedienung des Laufwerks nicht zu sagen.

Seine Technik aber ist durchaus einen Exkurs wert. Wie der 175 ist der 217 ein riemengetriebener Spieler. Ganz im Sinne der markentypischen Langzeitstabilität haben die Konstrukteure den Antrieb aber nicht nur vielfach überdimensioniert, sondern auch nahezu hermetisch von der Umwelt isoliert. Die Motoren bekommen Nutzer oder Käuferin überhaupt nur zu Gesicht, wenn er oder sie den Teller abnimmt und dann eine dicke Abdeckplatte losschraubt, die im montierten Zustand nur ganz knapp den Konus der Tellernabe durchlässt. Unter der Deckplatte verbreitert sich der Konus zu einem kleinen Subteller, der von vier Riemen umschlungen ist. Je zwei dieser Riemen werden von einem gemeinsamen Motor angetrieben – einem klassischen Synchronmotor, wie er auch im 175 und vielen anderen hochwertigen Spielern als Kraftquelle dient. Wir erinnern uns: Der 175 nutzte nicht zwei, sondern vier Motoren, ansonsten aber ein ganz ähnliches Arrangement.

Burmester 217 unterm Deckel
Staubdicht und wartungsfrei: Auf dem dicken zentralen Lagerkonus steckt im Normalfall der Teller, der das ausgefräste Alubecken komplett ausfüllt (Foto: B. Rietschel)

Die vier Riemen braucht der 217, um seinen acht Kilo schweren Teller möglichst ruhig und verschleißarm in Bewegung zu versetzen. Hin und wieder liest man bei solchen Antriebskonzepten auch, dass sich Störungen etwa durch minimale Exzentrizitäten der Motoren oder schwankende Riemendicke herausmitteln sollen, wenn man die Zahl der potenziell problematischen Bauteile erhöht. Zu dieser nicht unumstrittenen These versteigt sich Burmester erst gar nicht. Ebenso wenig wird eine gleichmäßigere Belastung des Tellerlagers behauptet. Klar gleicht sich der Riemenzug der zwei einander gegenüberliegenden Motoren elegant aus. Aber das juckt die daumendicke Stahl-Lagerachse ungefähr so, wie es eine Eiche juckt, auf welcher Seite ihrer Krone die Hörnchen gerade sitzen.

Burmester 217 Antrieb
Vierfach hält besser: Zwei Motoren in symmetrischer Anordnung treiben den Subteller über vier Riemen an (Foto: B. Rietschel)

Was auf Anhieb einleuchtet, ist, dass der gekapselte Antrieb mit seinen vier Flachriemen nahezu ewig ohne Riementausch laufen müsste. Zumal die Laufwerkssteuerung beim Start die Motoren ganz bedächtig über einen Zeitraum von 20 Sekunden hochregelt, um die Transmissionsgummis bestmöglich zu schonen. Die mehrmotorige, eher stramm angekoppelte Antriebskraft kann aber auch aus klanglichen Gründen gewählt worden sein. Bei großen Spielern gibt es ja das ganze Spektrum: winzige Motörchen an langen, dünnen Strings, die kaum mehr Drehmoment übertragen, als durch die Nadel in der Rille weggebremst wird. Bis hin zu Power-Antrieben an der ganz kurzen Leine, am Reibrad oder gleich direkt an der Tellerachse. Burmester neigt dabei eher dem zweiten Ansatz zu, der erfahrungsgemäß einen dynamischen, präsenten Klang zeitigt – auch wenn dabei noch viele andere Faktoren mitspielen.

Der Teller selbst sieht aus wie eine dicke, seidig glasperlengestrahlte Aluscheibe, ist aber etwas komplexer aufgebaut. Seine Unterseite ist mit einer schwarzen, harten Vergussmasse ausgefüllt, das Leichtmetall zudem mit eingesetzten Kupferzylindern beruhigt. Das erinnert an die Tellerkonstruktionen von Acoustic Signature, und da wird der 217 wohl auch in weiten Teilen gefertigt – eine bessere, professionellere Adresse als das Unternehmen aus der Nähe meiner alten Heimat Göppingen ist kaum vorstellbar.

Der Teller fühlt sich eher noch schwerer an als seine tatsächlichen acht Kilo. Das ergibt zusammen mit dem glatten Rand ein kleines Problem beim Aufbau: Eigentlich muss man den Rundling nur einfach auf den Lagerkonus setzen, wobei zwei aufgedruckte Pfeile die ideale Ausrichtung der beiden Teile zueinander anzeigen. Da der Teller aber um einige Zentimeter im Oberdeck versenkt ist und außenrum nur etwa ein Millimeter Luft bleibt, kann man die schwere Scheibe nur seitlich greifen, wo dann allein die Reibung zwischen Haut und seidigem Tellerrand das ganze Gewicht halten soll. Das funktioniert nicht wirklich gut, beziehungsweise je nach Handkraft gar nicht. Trotz meiner Powergriffel war ich letztlich froh, als ich den Teller unfallfrei aufgesetzt hatte. Der praktische Saugheber, den die Berliner dem großen 175er mit seinem kanaldeckelschweren Teller beilegen, sollte also auch im 217er-Karton einen Stammplatz haben. Ansonsten kauft man halt für 20 Euro einen.

Burmester 217 Kröpfung
Großer Verstellbereich: In der Headshell des 217 finden auch ausladende und geometrisch eigenwillige Tonabnehmer Platz und korrekte Ausrichtung (Foto: B. Rietschel)

Geschmackssache scheint die Ergonomie des Tonarms zu sein: Mir wäre es lieber, wenn der Haltebügel des Headshells nicht nach hinten gekrümmt, sondern kerzengerade wäre. Dann ließe sich der Arm auch von vorne mit dem Daumen und ohne Lift anheben, ohne nach hinten wegzurutschen. Nähert man sich dem Bügel von hinten mit dem Zeigefinger, klappt‘s besser. Andererseits: Der Lift funktioniert hervorragend präzise, zügig, aber nicht zu schnell. Der Tonarm ist eine klassische Neunzoll-Konstruktion mit einem äußerst massivem Lagerring für die Vertikallager und einem kaum weniger stabilen, höhenverstellbaren Schaft, der die Horizontallager beherbergt. Die Qualität dieser Lager ist spürbar, eine Kombination aus verschwindend geringem Widerstand und absoluter Spielfreiheit, wie sie auch professionell verwöhnte Fingerspitzen nur selten antreffen. Was sich da so smooth schwenken lässt, ist ein schlankes Armrohr aus unidirektional gelegter Kohlefaser und Epoxidharz, hinten abgeschlossen mit einem schönen, spindelförmigen Lagerblock aus Aluminium und vorne mit einem aus dem Vollen gefrästen Alu-Headshell. Neben dem noch wuchtigeren Arm des 175ers wirkt der 217er-Ausleger fast grazil. Hinsichtlich Festigkeit, Resonanzarmut und Lagerqualität sind beide mühelos Weltklasse.

Burmester 217 Tonarmlager
Gefühlssache: Weder Antiskating-Drehknopf noch Gegengewicht verfügen über eine Skalierung. Zum Ein- oder Verstellen der Auflagekraft ist daher eine Tonarmwaage nötig. Es stimmt aber ab Werk haargenau (Foto: Burmester)

Über den passenden Tonabnehmer muss sich der Burmester-Kunde keine Gedanken machen: Den 217 gibt es nur mit vormontiertem und -justiertem Burmester-System. Anders als der 175, den man mit oder ohne ordern kann, steht der 217 gar nicht anders in der Preisliste. Das darf man aber nicht überbewerten: Natürlich ist der 217 dank klassischer Halbzoll-Headshell und mittelschwerer Effektivmasse mit praktisch jedem Tonabnehmer des HiFi-Universums kompatibel. Sollten sich Musikfreund oder Plattensammlerin also in irgendeinen ganz speziellen Abtaster verguckt haben – vielleicht ein Koetsu im Edelsteingehäuse, ein großes Lyra oder eines der exotischen „Exclusives“ von Ortofon –, kann der Händler das problemlos ermöglichen. Für das dann redundante Burmester-MC gibt es garantiert auch anderweitig Abnehmer. Es ist schließlich ganz für sich genommen ein höchst charmantes System.

Kontakt zur Rille hält es mit einem Shibata-Diamanten, dessen spezieller Schliff nicht nur engsten Hochton-Modulationen weit jenseits des Hörbereichs souverän folgt, sondern dieses Kunststück auch noch mit auffallend geringen Nebengeräuschen vollbringt. Montiert ist dieser Stein an einem Nadelträger aus matt durchscheinendem Saphir, der sehr hohe Festigkeit bei geringstem Gewicht bietet. Über technische Kenngrößen schweigt sich die Burmester-Dokumentation aus. Woraus also die Spulen bestehen, welchen Widerstand sie haben und welcher empfohlene Abschlusswert daraus resultiert – steht nirgends. Nicht mal die empfohlene Auflagekraft verrät das Handbuch. Stattdessen erklärt es wortreich, dass uns die nicht zu interessieren hat: „Das Auflagegewicht (10) des Tonarmes ist bereits für das mitgelieferte Burmester MC Tonabnehmersystem eingestellt und bedarf keiner Einstellung.“ Da treiben es die Berliner mit dem plug and play dann doch ein bisschen zu weit.

Burmester 217 Tonabnehmer
Füreinander gemacht: Das hauseigene MC-System passt exakt unters Headshell. Schließt es vorne bündig ab, stimmt auch der Überhang (Foto: B. Rietschel)

Wobei der Satz an sich ja richtig ist: Alles, wirklich alles am 217 ist ab Werk nicht nur irgendwie, sondern tatsächlich perfekt voreingestellt. Und so gesichert, dass es sich auch nicht unbemerkt oder schleichend verändert. Tonarmhöhe, also vertikaler Abtastwinkel: auf den Punkt. Auflagekraft: 23mN. Was genau dem empfohlenen Wert für das Ortofon Quintet Black S entspricht, mit dem das Burmester-System intern eng verwandt ist. Auch das Antiskating stimmte ab Werk einwandfrei. Und der beim Shibata-Nadelschliff recht kritische Azimuth? Scheint sich auch jemand drum gekümmert zu haben. Anders wäre der weiche, entspannte Hochton, den der Burmester im Hörraum entfaltete, nicht möglich gewesen, denn ein seitlich nur geringfügig gekippter Shibata-Stein fängt bei schwierigeren Scheiben schnell unüberhörbar an zu gifteln.

Hörtest

In Ermangelung einer Burmester-Phonovorstufe hatten wir den 217 an den Cayin CS-6PH angeschlossen, der wunderbar genau arbeitet und dabei so lange sanft und freundlich klingt, wie es das Eingangssignal auch wirklich zulässt. Und sowenig ich an eine grundsätzliche Überlegenheit sehr teurer Spieler gegenüber nur leidlich teuren glauben mag: Der 217 setzte ein Statement – auch gegen meine hochgeschätzten Überflieger aus erschwinglicheren Preisregionen. Ein Well Tempered Simplex oder – etwas teurer – ein Vertere DG-1S spielt ja jeweils für sich genommen so gut, dass man sich in tiefster Überzeugung genau an der magischen Schwelle wähnt, hinter der alles nur noch teurer, nicht aber signifikant besser wird. Ach was – nicht besser werden kann! Jede Wette!

Burmester 217 im Hörraum
Die Platte spielt die Hauptrolle: Der Burmester 217 zeigt nur so viel Technik wie nötig (Foto: B. Rietschel)

Und dann spielt der Berliner Massivdreher eine ganz normale Rockplatte, Pedro The Lions Album „Havasu“, mit seinen ungewöhnlich komplexen Harmoniefolgen und David Bazans autobiografischen Texten eine Art Autoren-Indierock. „First Drum Set“ nimmt in der zweiten Songhälfte eine fast schon irritierend fröhliche Wendung, und der Burmester zieht spätestens hier den anderen Spielern davon: Die schön sonor aufgenommenen Drums haben hier noch mehr Gewicht und Impact, die Gitarrenamps stehen noch weitläufiger im Hörraum verteilt und verströmen von ihrem Standort aus noch vollere, wärmere Wellen aus herrlichen Kirchenmusik-Akkorden.

Der Klang des 217 zielt auf den Bauch, auf unkomplizierte, direkte Emotion. Sein Schwerpunkt liegt in einem druck- und kraftvollen Bass- und Grundtonbereich. Und er kann sich diese Kraft leisten, weil er die Musik mit so ausladendem Größenmaßstab abbildet, dass sie sich trotz aller Fülle und Dichte weit und transparent öffnet. Da bleibt auch mein anerkannt bass- und formatstarker Linn LP12 zurück, selbst wenn ich ihm vorübergehend das System des Burmester implantiere. Was übrigens nicht ganz einfach ist, weil es durch seine gefräste Alukarosserie wuchtige 15 Gramm wiegt. Der Burmester-Arm ist darauf mit einem entsprechend massigen Gegengewicht vorbereitet, benötigt im Gegenzug aber für normal schwere Pickups ein leichteres (optionales) Tauschgewicht. Auch das könnte Burmester ruhig beipacken, begleitet vielleicht von einem schönen Werkzeugsatz mit den benötigten Inbus-Schlüsseln in standesgemäßer Made-in-Germany-Qualität, einer ordentlichen digitalen Tonarmwaage, vielleicht gar einer durchdachten Überhangschablone. Dafür würde ich sogar auf die obligatorisch-sinnlosen Stoffhandschuhe und die Chrompolitur verzichten.

Aber OK, ich bin ein Nerd und nicht Teil der Zielgruppe. Was nicht heißt, dass ich das Herumschrauben am Burmester groß vermisst habe. Der Dreher spielt direkt aus dem Karton so herzhaft und zugleich fein, so ausgewogen und dynamisch, dass ich meine Zeit auch liebend gern davor verbringe, ohne gleich schon wieder die nächste Bastelaktion zu planen. So landete dann auch „Failing Songs“ von Matt Elliott auf dem Teller, wo der brillante Sänger, Gitarrist und Songwriter seinen traurigen Chanson-Folk mit einer kleinen Schar Aufrechter anscheinend in leeren Industriehallen zelebriert. In der Mitte brennt ein Feuer aus Resignation und übriggebliebenen „Krieg den Palästen“-Flyern – und schon sitzt man mit im Kreis und lauscht den hallenden Gitarren, dem trunkenen Chor und der obligatorischen Todesmandoline. Das klingt mit dem 217 dann wieder überraschend ungeschminkt und dokumentarisch, mit metallischen Reflexen und einer ungemütlichen Kühle, die außerhalb des Lichtscheins lauert. Was die saftige Wucht bei entsprechend aufgenommenen Rockplatten in umso positiveres Licht stellt: Weil sie erkennbar nicht Produkt eines hier- oder dahin gekippten Grundsounds ist, sondern direkt aus der ungewöhnlich großen tonalen und dynamischen Bandbreite dieses Spielers resultiert.

Fazit Burmester 217

Seine große Ausdrucksstärke hat der 217 erkennbar von seinem großen Bruder 175 geerbt. Der spielt zweifellos mit noch mehr Wucht, hat seine wesentlichen Qualitäten aber großzügig weitergegeben. Dazu gehört auch die faszinierende Fähigkeit, das abgespielte Medium mit seinen typischen Schwächen und Erkennungsmerkmalen hinter sich zu lassen. Der 217 steht direkt vor mir auf dem Lowboard. Ich sehe die Platte, wie sie sich dreht, am Rand vielleicht sogar leichte Wellen macht, und ich sehe die Nadel, wie sie darauf gleitet. Aber die Musik klingt, als käme sie von irgendwo anders her, von einem überlegenen Medium, immer noch analog, aber besser als Analogplatte. Das können manche anderen Spieler zwar auch, aber nicht viele. Und der 217 macht es einem geradezu vorbildlich leicht – solange der Preis kein Hindernis darstellt.

Burmester 217
2023/02
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Ausgewogener, absolut souveräner und sauberer Klang
In Minutenschnelle aufgebaut und spielbereit
Luxuriöse Verarbeitung
Keine Haube, wenig Zubehör, wenig informatives Handbuch

Vertrieb:
Burmester Audiosysteme GmbH
Wilhelm-Kabus-Straße 47
10829 Berlin
www.burmester.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Burmester 217: 20.000 Euro

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Technische Daten

Burmester 217
Konzept:Komplett-Plattenspieler
Kategorie:Masselaufwerk mit Riemenanntrieb
Eingebauter TA:MC mit Shibata Schliff
Eingebaute Phonostufe:nein
Gewicht:
31,5 kg
Abmessungen (B x H x T):48,1 x 16,5 x 28,3 cm
Alle technischen Daten


Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.