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Taylor Swift
Wir haben wieder fünf exzellente Musik-Neuveröffentlichungen im April gefunden. Mit dabei, wie kann es anders sein? – Taylor Swift

Die musikalischen Highlights aus dem April 2024

Auch der April 2024 erfreut mit herausragend guten Musik-Neuveröffentlichungen. Wir haben in diesem Beitrag die musikalischen Highlights aus dem April 2024 herausgepickt. Es sind fünf Alben. Und zwar:

1.) Vampire Weekend, die New Yorker locken uns mit „Only God Was Above Us“ in ein psychedelisches Underground-Schloss mit Biss in urbanem Big-Apple-Appeal.

2.) NichtSeattle beziehungsweise die Sängerin Katharina Kollmann überzeugt mit einem lyrisch und musikalisch klugem Bouquet im Spannungsfeld von Deutsch-Pop und Singer-Songwritertum.

3.) Taylor Swift wird mit „The Tortured Poets Department“ ihre Milliarden-Umsätze weiter voranbringen. Musikalisch zu Recht.

4.) Iron & Wine stimmt mit seinem neuen Album wunderbare „Light Verse“ an – ein liebevoll komponiertes Folk-/Singer-Songwriter-Oeuvre mit GastmusikerInnen.

5.) Die Einstürzenden Neubauten um Sänger Blixa Bargeld schieben in ihrer herben Industrial-Manier soundstarke, aufrüttelnde Songkreationen auf „Rampen (APM: Alien Pop Music)“.

Die musikalischen Highlights aus dem April 2024 im Detail

1.) Vampire Weekend: Die New Yorker locken uns mit „Only God Was Above Us“ in ein psychedelisches Underground-Schloss mit Biss, in urbanem Big-Apple-Appeal. Seit rund 18 Jahren mixen Ezra Koenig und seine drei Mitstreiter einen eigenständigen Sound im Alternative-Rock-Universum, gerne angereichert mit Afro-Pop oder HipHop-Umlaufbahnen.

Album Nummer 5 definiert sich klarer, geschlossener und bekennt sich zum soften Indie-Rock mit nostalgischen Reminiszenzen – und das durchaus zum Vorteil. Denn so tingeln psychedelische Pink-Floyd-Synthies durch die Notenblätter, formieren sich warmherzige beatlesque Refrains und sympathisch poltrige Rhythmen, umrahmt oder garniert mit Bläsern, Streichern, Piano und vielerlei Geräuschschnipseln.

Die Aufnahmen verteilen sich über Studios in der halben Welt, darunter die EastWest-Studios in Hollywood, das Promised Land Studio in London, die Sony Music Studios in Tokyo oder „The Mews“ in ihrer Heimatstadt New York. Erstaunlich: Das Klangbild geriet dennoch wie aus einem Guss: knackig, klar und prägnant.

Vampire Weekend „Only God Was Above Us“ Cover
Vampire Weekend „Only God Was Above Us“ erscheint bei Columbia/Sony als CD oder LP sowie als Stream oder Download z.B. bei qobuz.com

Und auch musikalisch tönt „Only God Was Above Us“ wie man so schön sagt, als geschlossenes Album. Will heißen: schön durchhörbar. Dennoch mit Highlights wie dem poltrig-psychedelischem „The Surfer“. Schön obendrein: Die Videos beamen einen optisch zurück in die Prä-9/11-Ära mit verwaschenen Aufnahmen und 1990er Jahre Kulissen vom damaligen New York.

Unterm Strich ein gekonnt inszeniertes nostalgisch-melancholisch Werk mit Sonnenmomenten, nicht wie die Vorgänger eher kopflastig, sondern beseelt und ambitioniert. Schönes „Wochenende“!

Videoclip von Vampire Weekend: „The Surfer“

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2.) NichtSeattle/Katharina Kollmann: Die Berlinerin baut nach ihrer Band Lake Felix auf Soloalben unter dem Logo NichtSeattle – nun wurde ein „Haus“ draus. Und das beherbergt vom Keller bis zum Dachboden herrlich erfrischende Worte, verpackt in teils entwaffnenden lyrischen Texten und feinfühligem Indie-Songwriter-Sound. Ihr Bandname assoziiert eine Textstelle von Tocotronic: „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk. Was bildest du dir ein? Was nicht ist, kann niemals sein“

Nach englischsprachigen Alben fußt „Haus“ als ihr drittes Album in deutscher Sprache auf salopp bis minimalistisch gespielten Gitarren-Sound, eingänglich, Jingle-artig und melodiös. Ein Chor hievt ihre Thesen und Beobachtungen gerne mal ins Hymnische, Bläser tupfen hier und da die E-Gitarre. Das ist Fine Arts, wenn man so will. Erfrischend, mutig. Denn sie verpackt tiefgründige Botschaften in scheinbar flüchtige Satzfragmente, die teils erst nach dem zweiten Mal Hören aufhorchen lassen. Die Berlinerin setzt dort den verbalen, lyrischen Rotstift an, wo andere gerne mal kneifen. Oder so etwas einfach nicht auf dem Kasten haben. Das wirkt sympathisch authentisch und engagiert. Und auch der Berliner Akzent ist echt.

NichtSeattle „Haus“ Cover
NichtSeattle „Haus“ erscheint bei Staatsakt als LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.com

Katharinas „Haus“ steht also auf solidem Fundament, schubst Themen an, die manche nicht so gerne hören wollen und zieht sich dann wieder zurück auf die klare Wärme ihrer Stimme. Die kondensiert zwischen dezenten Rock-Rhythmen mit ihrer geliebten E-Gitarre und steigt transformiert wieder auf in minimalistische Klangwolken. Eine schöne, markante Seltenheit.

Videoclip NichtSeattle: „Frau Sein“

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3.) Taylor Swift: Die US-Amerikanerin schüttelt scheinbar ein Album nach dem anderen mit Dutzenden von Song-Perlen aus dem Ärmel. Dabei überrascht die 34-Jährige Fans und Medien gerne: Zum neuen Album gab es bis zum Veröffentlichungstermin am 19. April kein Video, was ungewöhnlich ist. Noch verblüffender geriet dann der Album-Nachschlag am gleichen Tag mit nochmals 15 neuen Songs unter dem Zusatztitel „The Anthology“.

Die 31 Stücke zeigen die wandlungsfähige Sängerin in einer definierten Zeit-/Stilblase, die sich aus Alternative-Pop, Pop und Singer-Songwriter-Touch formt. Eine reife, durchaus anspruchsvolle Sache, die (dennoch) ein Multi-Millionen-Publikum lockt. Mit ihm Boot war unter anderem wieder Aaron Dessner von The National. Sie sei ein „Mega-Fan von The National, ich habe alle Fanartikel und Musik mit dir zu machen ist ein absoluter Nervenkitzel. Tausend Dank“, soll sie via Twitter („X“) gezwitschert) ge-ixt haben.

Swift ist auch ein Wirtschafts-Phänomen. Allein im Jahr 2023 haben ihr die Erlöse aus Musik, Film, Tournee und Merchandise einen Umsatz von rund 1,82 Milliarden US-Dollar beschert. Konzerttickets rund um den Globus bewegen sich bei „Superstars“ verstärkt in einer teils schwindelerregenden Range von mehreren Hundert Euro bis vierstellig. Und selbst die Rolling Stones müssen sich mit weniger als Swift begnügen. 179 Millionen Dollar setzten sie laut Branchenblatt „Billboard“ 2022 um. Lächerlich. Das wirft Fragen auf. Denn vielleicht reicht das Budget dann für viele weniger betuchte Musikverliebte nicht mehr für andere exzellente MusikerInnen. Die es ja durchaus gibt. Wobei es für junge KünstlerInnen wie Hotel Rimini oder Nichtseattle reichen dürfte: Die gehen mit 20 Euro Eintrittspreisen nach Hause.

Taylor Swift „The Tortured Poets Department“ Cover
Taylor Swift „The Tortured Poets Department“ erscheint bei Universal als CD oder Doppel-LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de

Immerhin singt sich Taylor Swift auch mit einem ethisch einigermaßen anspruchsvollen Ansinnen durch die Welt. Sie engagiert sich politisch und ermuntert mit ihrer Power (junge) Frauen zu Selbstbewusstsein und Courage. Im Unterhaltungsgeschäft würden Frauen über 35 auf dem Elefantenfriedhof verscharrt, sagt sie in der Doku „Miss Americana“. Sie müssten sich ständig und öfter neu erfinden als ihre männlichen Kollegen. Auch insofern scheint ihre Musik jeden Cent wert.

Videoclip „Fortnight“

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4.) Iron & Wine: Mit dem umtriebigen Alternative-Folkie, Violinisten und Pfeifer Andrew Bird oder den Wüsten-Rockern Calexico machte er zuletzt herzerwärmende musikalische Schlagzeilen. Mit seiner bescheiden wirkenden Art hätte man ihm hier und da tatsächlich Support gewünscht. Doch den braucht er nicht. Immerhin heimste Sam Beam bereits Grammy-Nominierungen ein. Und schon gar nicht angesichts seines neuen Albums, dem ersten seit sieben Jahren, auf dem wieder talentierte KollegInnen mitmischen.

Iron & Wine „Light Verse“ Cover
Iron & Wine „Light Verse“ erscheint auf SubPop als CD oder LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de

Und so kommt „All In Good Time“ beinahe schon als Folk-/Country-Klassiker daher mit DNA von Nick Drake oder anderen Folkies. Wenn da nicht Fiona Apple mit ihrer sonor-rauchigen Stimme wäre und zumindest einen Song zum beschwingten Duett inszeniert. Piano, Stimmen, Akustikgitarre, Percussion – und ein 24-köpfiges Orchester, schön und keinesfalls süßlich. Das Album schillert insgesamt mit gediegenem Flow, getragen durch Beams gechillte Stimme und allerlei akustischem Instrumentenspaß. Der klingt zudem recht plastisch und farbecht.

Videoclip „Anyone’s Game“

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5.) Einstürzende Neubauten: Seit über vier Jahrzehnten sind sie schon dabei. Seit ihrem passend zum Bandnamen betitelten Debüt „Kollaps“ evolutionieren sich die Berliner immer wieder aufs Neue. Sie sind Sound-Pioniere, Exzentriker des Klangs, Durchdringer von Schall-Mauern, stets auf dem Sprung mahnend, drohend und wieder versöhnlich diese Welt auf ihre Art zu beleuchten. Das klingt zuweilen anstrengend, meinetwegen „avantgardistisch“, aber dadurch auch immer wieder bereichernd und aufrüttelnd.

Im Interview in den 1990ern ist mir Hans-Christian Emmerich alias Blixa Bargeld angesichts der gerne eingesetzten instrumentalen Klanggewalt als sanft und ruhig redender Gesprächspartner gut in Erinnerung. Auch mit Witz. Während einer kurzen Fotosession für AUDIO posierte er im Hotelzimmer unter einem Hirschgeweih. Der Berliner ist Kult, prägte solo und mit den Einstürzenden Neubauten die deutsche Musikszene.

Einstürzende Neubauten „Rampen" Cover
Einstürzende Neubauten „Rampen” (APM: Alien Pop Music) erscheint bei Potomak als Doppel-CD oder Doppel-LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de

Blixa Bargeld (Vocals), N. U. Unruh (Percussion), Alexander Hacke (Bass), Jochen Arbeit (Gitarre), Rudolph Moser (Percussion) und Felix Gebhard (Keyboard) spielen ihr Ding eben als musikalische Architekten, die das was sie gerade erfunden haben, gerne in Echtzeit wieder umwandeln, transformieren, malträtieren oder einstürzen lassen. Mit allerlei Klangerzeugungs-Aggregaten, früher gerne auch mal mittels Schrott und Geraffel. Was bei einem ihrer Gigs nicht lange nach der Einweihung des neuen Hamburger Elbphilharmonie-Gebäudes bei manchem zu einem Augenzwinkern geführt haben soll.

Videoclip „Cologne Rampe 2022“:

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Nun denn. „Rampen …“ vollzieht ein neues, altes Kapitel der Berliner, Anti-Pop wäre zu salopp formuliert, ihr Tun wirkt eher wie eine Essenz ihres bisherigen Schaffens, mit dem Clou den Improvisationen freien Lauf zu lassen, Abschuss-„Rampen“ für Songs zwischen Schmerz und Heilung, dazwischen beinahe heiter mit jazzigem Brasil-Touch und Flüster-Tönen. Klangverwöhnte dürfen sich hier zudem auf ein beinahe audiophiles Werk freuen.

Bisher benutzte „Instrumente“: Diashow von der Neubauten-Seite:

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((Bewertungen))

Einstürzende Neubauten
„Rampen…“
2024/04
Test-Ergebnis: 4,4
SEHT GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

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Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.