Deutschland bekannteste Lautsprechermarke hat Ende 2022 sein rundes Jubiläum gefeiert: 50 Jahre Canton – ein halbes Jahrhundert. Klingt erst einmal ziemlich lang. Und doch wirkt Canton für Zeitgenossen wie mich (Jahrgang 1962) als wären die Hessen schon viel länger im Geschäft. Was daran liegt, dass Canton von Beginn an eine schier allgegenwärtige Erfolgsgeschichte war: Bereits im ersten Jahr verkaufte Canton 24.000 Lautsprecher. Die meisten Mitbewerber, wären froh, kämen sie jemals auf solche Stückzahlen…
Lautsprecherbau ist Bildungssache. Bei Canton ist das wortwörtlich zu verstehen, denn der Boxenhersteller startete am 17. Oktober 1972 in der ehemaligen Dorfschule von Niederlauken (einem Ortsteil von Weilrod) im Hochtaunuskreis. Schulen, in denen mehrere Jahrgänge gleichzeitig unterrichtet wurden, galten nicht mehr als zeitgemäß. Die Schüler mussten weichen, Canton konnte einziehen. Dabei wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Nicht beim Gebäude, das stand ja schon, aber man begann am ersten Tag gleich mit 36 Mitarbeitern.
Wobei das mit der Personalakquise für Canton 1972 so eine Sache gewesen sein muss, alle Mitarbeiter – bis auf acht, die vom Konkurrenten Heco kamen – mussten angelernt werden. Aufgrund der miserablen Infrastruktur in dem heute immerhin etwas über 6000 Einwohner zählenden Ort, wurden die Kollegen mit Firmenkleinbussen von zu Hause abgeholt und in den Betrieb gebracht. Eine sympathische Eigenheit übrigens, die sich Canton bis heute leistet und die nun als nachhaltig gilt.
Tatsächlich stellte sich der Erfolg schneller als erwartet ein. Der Planumsatz, der für vier Jahre angelegt war, wurde bereits nach einem Jahr erreicht. Innerhalb kurzer Zeit avancierte Canton zum Marktführer. Man wusste eben, was man tat. Der Fertigungsleiter Seitz und der Entwickler Seikritt hatten sich zuvor schon bei Heco kennengelernt – ebenfalls aus dem Hochtaunuskreis. Als Heco nach dem Tod des Gründers verkauft wurde, nahmen die beiden ihren Hut und gegründeten mit zwei weiteren Partnern ihre eigene Boxenschmiede. Wohl eine der besten Entscheidungen, die sie je getroffen haben.
Jeder der vier Gründer brachte ganz eigene Talente ein. Hubert Milbers beispielsweise war ein IT-Fachmann – zu einer (sehr analogen) Zeit, wo noch so gut wie niemand wusste, was moderne IT eigentlich bedeutet. Eine Geschichte zum Thema Kommunikation erzählt Günther Seitz immer besonders gern: Unter den ersten acht Mitarbeitern war einer (!), der ein Telefon besaß. Das wurde tagsüber zum Canton-Telefon, abends hatte der Mann den Fernsprecher dann wieder für sich. Niederlauken zählt allerdings immer noch zu den weißen Flecken der deutschen Netzabdeckung. Wer versucht, mit O2, oder Vodafone hier ein Netz zu bekommen, sieht sich schlagartig in das Jahr 1972 versetzt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Namensgebung bedarf noch einer Erklärung. Der Name Canton hat weder etwas mit dem Lieblings-Chinarestaurant der Gründerväter etwas zu tun noch mit irgendeinem Schweizer Kanton. Canton setzt sich aus dem lateinischen Wort cantare (singen) und dem deutschen Wort Ton zusammen. O-Ton Günther Seitz: “Ich konnte halt Latein…” Die Schrift ist wie ein Crescendo aufgebaut, sie wird immer dicker, und steht für das immer lauter werden. Das Lücke im Zentrum der Wortmarke zwischen dem N und dem T soll den Stereoton symbolisieren.
Aber schon dieses winzige Detail zeigt: Wesentlicher Bestandteil von Canton war und ist immer ein frisches und schlüssiges Marketing-Konzept. Es begann mit einer Frage, die auch 50 Jahre später noch die Musikfreunde aufhorchen lässt: Wie klein kann HiFi (beziehungsweise: ein Lautsprecher) sein? Um selbst die Antwort zu geben: ziemlich klein. Ihr erstes Modell, die LE 250, passte selbst quergelegt auf ein DIN-A-4 Blatt. Dieser Lautsprecher war aber mehr als ein Marketing-Gag. Es war ein Ausdruck dafür, dass eine gewisse Wohnraumfreundlichkeit immer zum Konzept gehört. das ist noch heute so.
Die LE 250 und ihre etwas größeren Schwestermodelle kamen gleich gut an. LE steht hier übrigens für „Lautsprechereinheit“. Ein Begriff, der wie aus dem Lexikon für Behördendeutsch zu stammen scheint, aber einst von Braun geschaffen wurde. Prinzipiell dominierte bei Canton erst einmal die Kompaktbox – erstaunlich, wenn man sieht, dass heute überwiegend Standboxen verkauft werden. Die erste Standbox der Firma, die Ergo kam erst sieben (!) Jahre später. Heute undenkbar für einen Lautsprecherhersteller.
Von Anfang an produziert Canton alles selbst, bis auf die Gehäuse. Die größeren Linien werden heute von der Möbelmanufaktur Roterring im Münsterland gefertigt. Die Entwicklung, die Treiberfertigung, die Endmontage findet in Hessen statt. Nach zahlreichen Erweiterungsbauten waren die Kapazitäten am Heimatstandort jedoch erschöpft und so wurde vor etwas über 20 Jahren eine weitere Produktionsstätte in Tschechien errichtet. Eine alte Schule hatte man dort offenbar nicht zur Verfügung stellen können, dafür ist der Ort noch kleiner als der des Firmensitzes: 398 Einwohner (2021). Die Chassis, Frequenzweichen, Kabel, Spulen und anderes mehr werden in Manufakturfertigung seitdem im 420 km entfernten Dlouhý Újezd produziert. Zwei bis drei Mal täglich kommt ein LKW von dort und liefert die Bauteile. Die Gehäuse werden zudem zunächst in der sogenannten Schleuse gelagert, wo sie auf Raumtemperatur kommen sollen. Danach wird alles gesichtet, vermessen und gemessen, bevor es zum Einbau in die Gehäuse kommt.
Natürlich kann auch Canton seine günstigen Serien nicht in Europa fertigen – die chinesischen Hersteller können immer noch Angebote machen, über die man hierzulande nur staunen kann. Aber die Canton-chinesischen Lautsprecher kommen nicht ungefiltert in den Markt: Jeder Lautsprecher, jedes Set aus Fernost muss die aufwändigen Klippel-Kontrollen in Niederlauken durchlaufen. So viel Kontrolle gönnt sich kaum ein anderer Hersteller dieser Größe.
Über diese Art der Qualität wacht von jeher Günther Seitz. Im Gründer-Quartett gab er den Herstellungsleiter und hat vom ersten bis zum heutigen Tag jeden Schritt der Firma mitgemacht. Wolfgang Seikritt und Hubert Milbers stiegen recht schnell wieder aus und so leitete Günther Seitz die Firma mit seinem Freund Ottfried Sandig bis zu dessen Ausstieg im Jahre 1999 gemeinsam. Anschließend übernahm Seitz die alleinige Unternehmensführung, bis er – 20 Jahre später – den Investment-Banker Christoph Kraus für die Geschäftsleitung gewinnen konnte. Kraus hatte gegenüber anderen Bewerbern einen gewissen Vorteil: Er ist der Schwiegersohn von Seitz, der ein echter Familienmensch ist und auch Canton immer als Familie gesehen hat. Während des Besuchs sagte er zu mir: “Weißt du, das Wichtigste ist, dass wir mit unseren Mitarbeitern gut zusammenarbeiten.” Womöglich ist auch ist dies ein Schlüssel seines Erfolgs.
50 Jahre Canton: der Reihe nach
Aber halt. Wir waren erst Mitte der der 1970er-Jahre. Die Gründerväter machten damals sehr vieles erfrischend neu. Von Beginn an spielte Design eine Rolle. HiFi war damals viel weniger Männersache als heute und so holten sich die Canton-Verantwortlichen auch weiblichen Input – vor allem im Design-Bereich. Auch dieser Schritt wird einiges zur breiten Canton-Akzeptanz beigetragen haben:
Wie auch eine die Vermarktung, die sich keineswegs nur in klassischen Bahnen bewegte, sondern auch breitenwirksame Wege ging. So wurden diverse Stars gewonnen, um für Canton zu werben:
Beflügelt von den guten Verkaufszahlen der ersten LE-Serie wagten sich die Verantwortlichen nun auch an große Lautsprecher, an Zubehör und sogar an Elektronik. Fast alles wurde ein Erfolg, nur weniges floppte. Wir haben einige dieser Canton-Highlights im digitalen Daumenkino zusammengefasst:
Unsere kleine Auflistung der Canton-Highlights zeigt in erster Linie das Außergewöhnliche. Natürlich aber hat Canton in 50 Jahren vor allem hunderttausende, ganz normale Lautsprecher gebaut und verkauft. In der alten Schule, in der auch die Niederlaukener-Produktion untergebracht ist, gibt es ein kleines Museum, das nicht nur die bekannten Modelle, sondern auch die unzähligen Auszeichnungen zeigt. Dazu eine persönliche Zahl: In meinen nun 30 Jahren des HiFi-Journalismus habe ich bislang weit über 1.000 Lautsprecher getestet. Mehr als 100 davon trugen das Canton-Logo auf der Blende. Auch in der schieren Menge war Canton immer Vorreiter…
Hinter dieser beindruckenden Zahl von ausgelieferten Lautsprechern, gibt es eine Zahl, die mich fast noch mehr begeistert: 90 % aller jemals produzierten Lautsprecher können in Niederlauken wieder repariert werden. Und das – so die Canton-Vorgabe – in möglichst kurzer Zeit, sprich einem Werktag. Deshalb treiben die Hessen diesbezüglich einen hohen Aufwand und haben in der alten Schule zwei Räume eingerichtet, die ausschließlich der Reparatur älterer Lautsprecher dienen:
Eine so hohe Zahl an hergestellten und verkauften Lautsprechern wirft natürlich auch ein Schlaglicht auf den Vertrieb. Vertriebsspezialist Ottfried Sandig baute im Laufe seiner Arbeit (bis 1999) einen beeindruckend großen Stamm von über 2.000 Canton-Händlern auf. Mehr hatte im deutschen HiFi am Ende des vorigen Jahrtausends kein Anbieter, nicht einmal annähernd. In den folgenden 23 Jahren wurde die Händlerschar zwar etwas kleiner und feiner gemacht, aber wir reden – Stand heute – immer noch von über 1.000 Händlern. Das ist enorm viel, zumal Canton 2018 ja seinen Webshop eröffnet hat, wo exklusive Canton-Modelle wie die A55, A45, die A45B, die A35 (siehe Familientest) oder andere echt leckere Lautsprecher zu sehr fairen Preisen angeboten werden.
Betrachtet man die Entwicklung von Canton der vergangenen Jahre und hat dabei das 50 Jahre währende Credo der Hessen – nämlich “wohnraumfreundliche Lautsprecher” – vor Augen, drängt sich fast der Schluss auf, dass Canton mehr und mehr auf den Online-Handel setzt. Canton CEO Christoph Kraus widerspricht: “Wir machen einen Großteil unseres Geschäfts in Deutschland und das über klassischen Fachhandel. Das ist unser Partner, den haben wir auch zukünftig im Fokus. Natürlich finden wir es nicht gut, wenn ein Händler nur einen schlecht gemachten Online-Auftritt und keine Social-Media-Aktivitäten hat; das ist heutzutage kein Weg. Aber wir wollen lieber den Händler stärken, als das Geschäft an ihm vorbeizumachen. Und so ist auch unser Webshop zu sehen: Es ist ein Angebot für all jene, die keinen guten Canton-Händler vor Ort haben.”
50 Jahre Canton: die Entwickler
Neben einer klugen Produktauswahl und klugem Marketing hatte Canton auch immer herausragend gute Entwickler. Das begann mit Wolfgang Seikritt, der auf seine Art ein Genie war und sehr viel Knowhow in die junge Firma einbrachte. Seikritt war allerdings auch der erste des Quartetts, der ausstieg. Später bezeichnete diesen Schritt als größten Fehler seines Lebens. Dem Entwickeln von Lautsprechern aber blieb er bis zu seinem Tod verbunden. Er war ein gern gesehener Gast in den Redaktionen der HiFi-Magazine und forschte bis zum Schluss er an einem außergewöhnlichen Koax, der die üblichen Koax-Probleme elegant umschiffen sollte. Das Projekt brachte er leider nicht zu Ende.
Bei Canton folgte ihm in den Jahren 1981 – 1989 Klaus Dotter, der zuvor ebenfalls Entwickler bei Braun war. Auch Dotter hat bei Canton einiges bewegt. Beispielsweise erkannte er die Vorzüge von Aluminium-Kalotten im Hochtonbereich und setzte damit bereits 1981 noch heute gültige Standards. 1989 wechselte er zu ATL, 1992 zu Sony, wo er zu einer Ikone wurde: Die Japaner vergötterten “Dotter San” und ließen sich von dem klavierspielenden Entwickler zu vielen Projekten inspirieren.
Auf den stillen Klaus Dotter folgte 1989 Horst Heyder, gern auch “der Lautsprecher der Nation” genannt, weil er seine (meist richtigen) Thesen äußerst selbstbewusst und keineswegs leise vertrat. Trotz seines oft burschikosen Auftritts hat Heyder die Marke technologisch weit nach vorn gebracht. Zu seiner Zeit wurden Entwicklungs-Simulationen eingeführt, die Hochpass-Filterungen (DC), die Canton-Lautsprecher immer etwas belastbarer und basspotenter als Mitbewerber machten. Aber auch der Technologie-Meilenstein Canton Digital 1. Es war das erste Mal, dass sich ein Hersteller dieser Größe an ein solches Projekt wagte und damit eine absolute Pionierleistung schuf. Das Projekt Digital 1 (und später die Digital 2) war durchaus ambitioniert. Denn wie auch heute immer noch muss der Lautsprecher beim Kunden vor Ort eingemessen werden. Heyders Idee, der Händler könne das doch übernehmen, zerplatzte bereits in den Folgewochen nach der Vorstellung: Damals wie heute sieht sich der Handel dazu nicht in der Lage und so mussten Mitglieder des Canton-Entwicklungsteams quer durch die Republik fahren, um diese Arbeit umzusetzen. Ein gigantischer Aufwand. Denn wenn Canton so etwas macht, gehen Stückzahlen…
Es gibt zu diesem Lautsprecher eine nette Anekdote. Als Canton die Digital 1 auf der IFA 1995 vorstellte, verkündete Heyder mit typisch breiter Brust, dass er mit diesem Lautsprecher jeden anderen Lautsprecher akustisch nachbilden könnte; man würde keinen Unterschied hören. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen und bot ihm eine Wette an: Er möge doch die Digital 1 auf die ebenfalls recht neue Burmester 949 abstimmen. Ein großes Auditorium mit den Größen der Branche (unter anderem natürlich dabei: Dieter Burmester) sollten dann in einer Hörsitzung urteilen, wie nah die Digital 1 am Original sei. Heyder nahm natürlich an, doch die Sache stand nicht gut für ihn. Seine jungen Assistenten (darunter ein gewisser Frank Göbl) versuchten die ganze Nacht über die Digital 1 auf Burmester zu trimmen. Doch als am Mittag das Auditorium eintraf, war das Urteil der High-End-Granden schon nach wenigen Minuten gefällt: Die Sensation blieb aus, die beiden Lautsprecher waren gut auseinanderzuhalten. Und obwohl die Aufregung groß war, waren eigentlich doch alle beruhigt, dass eine solche digitale Kopie einer anderen Box damals wie heute nicht machbar ist…
Auf Horst Heyder folgte Ende der 1990er Jahre dessen Assistent Frank Göbl. Seitdem prägt Göbl das hessische Traditionsunternehmen wie kein Entwickler vor ihm. Er ist nicht nur das smarte Gesicht in den Katalogen und der eloquente Erklärer in den Fachhandelsrunden, er ist es auch, der in vielen Bereichen den Takt vorgibt. Gleich, ob neues Membranmaterial, neue Treiber, neue Formen oder gar neue Plattformen wie aktuell “Smart”: Göbl modernisiert mit atemberaubenden Tempo permanent das immer noch sehr große Canton-Portfolio und lässt sich dann noch kleine Nettigkeiten wie den Mehrkanalverstärker Smart Amp 5.1 einfallen. Oder wie Günther Seitz mit gespielter Verzweiflung sagt: “Wenn mal ein bisschen Geld in der Kasse ist, kommt der Frank Göbl mit einer seiner tollen Ideen und dann ist wieder alles futsch… Aber dieser Göbl ist einfach ein Glücksgriff.”
Es ist vor allem das Smart-Programm, das selbst für Canton gewaltig ist und mit dem Göbl Stück für Stück fast alle Lautsprecher des Canton-Portfolios aktiviert und auf höchst moderne Art wohnraumfreundlich macht. Denn kabellose Anbindungen und eine elektronische Anpassungen auf die spezielle Akustik der Wohnzimmer will ja eigentlich jeder. Und so muss man “Smart” als konsequente Umsetzung des LE250-Gedankens auf die Jetztzeit sehen.
Natürlich sind die Aufgaben der Canton-Entwicklungsabteilung mittlerweile viel zu groß, als dass Göbl diesen Wust an Arbeit allein leisten könnte. Dementsprechend ist das Entwicklungsteam auf mittlerweile sechs Mitarbeiter gewachsen – jeder mit einem speziellen Aufgabengebiet. Und ebenfalls interessant beim Besuch zu sehen: Niederlauken ist zwar ziemlich am Ende der Welt, aber die Leute, die hier arbeiten, machen das richtig gern. Die Stimmung ist ausgelassen und kameradschaftlich.
Insgesamt arbeiten in Niederlauken heute 70 Menschen bei Canton; im tschechischen Dlouhý Újezd kommen noch einmal 60 Leute hinzu. Insgesamt produzieren diese beiden Standorte etwa 500 Lautsprecher pro Tag – also eine ganze Menge.
Der Canton-Klang…
…änderte sich natürlich immer mit der Handschrift der jeweiligen Entwickler. Der Dotter-Klang war vielleicht etwas feiner, der Heyer-Klang etwas burschikoser. Der aktuelle Göbl-Klang ist sehr aufgeräumt und klar. Eine Determinante aber ist über all die Jahrzehnte zu erkennen: Bass hatten Canton-Lautsprecher nie zu wenig. Auch bestand immer das Entwicklungsziel, Canton-Lautsprecher im Handel dadurch besser klingen zu lassen, dass sie einen Tick lauter waren als die Mitbewerber. Denn für unser Ohr ist “lauter” oftmals auch besser. Auch psychoakustisch war man bei Canton also stets auf der Höhe.
Aber was war denn eigentlich mit dem – wegen viel Bass und viel Höhen verpönten – Taunussound, den man Canton jahrzehntelang vorwarf? Günther Seitz, der mit Christoph Kraus die Pressekonferenz bestritt, antwortete bestens gelaunt und ungemein schlagfertig: “Ach geh mir weg mit Taunussound. Das war alles der Kuppek. (Anmerkung der Redaktion: Harald Kuppek war ein sehr aktiver und meinungsstarker Redakteur bei stereoplay und HIFI VISION, der später bei Springer die Computerbild-Gruppe führen sollte.) Jedes Mal, wenn wir zur stereoplay oder später zur HIFI VISION Vision kamen, sagte der: Wenn du nicht wenigstens plus 5 dB im Hochton hast, kannst du gleich wieder fahren. Wir haben es dann halt so gemacht.” Um dann augenzwinkernd hinzuzufügen: “Klang gar nicht so schlecht…” Aber das sei hier festgehalten: Von dem Canton-Taunussound der 1980er Jahre ist das moderne, sehr aufgeräumte Canton-Klangbild des Frank Göbl meilenweit entfernt. Auch, weil die Treiber so viel besser und verzerrungsärmer geworden sind.
Die Pressekonferenz machte auch deutlich, dass bei Canton der Generationswechsel gelungen ist. Christoph Kraus führt das Unternehmen seit vier Jahren und hat es mit seinem Blick von außen (er war ja Investmentbanker) verjüngt und erneuert, ohne dabei die Tradition aus den Augen verloren zu haben. Günther Seitz, der wie kein anderer Canton lebt, hat sich etwas zurückgenommen, ist aber nach wie vor sehr präsent. Christoph Kraus: “Ich bin froh, dass Günther noch so oft in der Firma ist. Er weiß so viel mehr von den Dingen, von denen ich noch längst nicht alles weiß.” Man spürt: Das ist keine Höflichkeit, sondern ernst gemeint. Und Seitz ergänzt: “Tatsächlich kann ich noch zu jedem Lautsprecher etwas sagen. Es interessiert mich einfach.”
Günther Seitz wird dieses Jahr 81. Man sieht es ihm nicht an. Er ist das beste Beispiel dafür, dass Arbeit, die einem echt Spaß macht, jung hält. Seitz hat einen Spirit entwickelt, der überall in der Firma, aber auch an den Produkten spürbar ist. Mehr noch als bei vielen anderen HiFi-Marken, die schon so lange am Markt sind, hat es Canton geschafft, eine sympathische Allgegenwärtigkeit zu schaffen – fast so wie Nivea oder VW. Man muss diese Produkte nicht unbedingt selbst nutzen und trotzdem hat man ein sympathisches Verhältnis zu ihnen. Erst recht natürlich, wenn eine Canton womöglich schon seit Jahrzehnten im Wohnzimmer Musik macht…
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