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Pro-Ject_X2B_mit_PhonoBox_S3B
Pro-Ject hat ein neues Ideal bei der analogen Wiedergabe: die mit symmetrischer Verkabelung. Das Bundle zwischen X2 B und Phono Box S3 B (zusammen 2.000 Euro) unterstreicht diese These dick (Foto: Pro-Ject)

Test Plattenspieler Pro-Ject X2 B mit Phono Box S3 B: symmetrisch besser?

Treibt Pro-Ject eine neue Kuh über das Eis? Die Erfinder aus Wien sind sich sicher: Ein Plattenspieler klingt besser, wenn er symmetrisch verkabelt ist. So gibt es neue Laufwerke, einen neuen Anschluss und noch die passenden Phono-Amps hinzu. Verändert das unser analoges Lebensgefühl? Wir überprüfen das neue Ideal anhand des Pro-Ject X2 B mit Phono Box S3 B.

Zuerst für die Fantasie. Wir kennen natürlich alle den Unterschied zwischen einem Cinch-Stecker und einem symmetrischem Strecker. Cinch sind klein, XLR dagegen wuchtig. Wie passt so etwas an einen Plattenspieler? Pro-Ject windet sich vorbildlich aus der Falle. Hier gibt es den Mini-XLR-Stecker. Obwohl ich schon lange im Geschäft bin, habe ich so ein Kabel höchst selten gesehen. Süß, unscheinbar fast, fünf Pins auf kleinster Fläche. Das ist kleiner als ein Cinch-Stecker und erinnert in seinem Aufbau ein wenig an die alten DIN-Stecker unserer Großeltern.

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Pro-Ject X2B Holz
Den Pro-Ject X2 B gibt es in drei Finish-Ausführungen. Zum einen in Walnuss … (Foto: Pro-Ject)
Pro-Ject X2B schwarz
… in Hochglanz-Schwarz… (Foto: Pro-Ject)
Pro-Ject X2B weiß
… und wie die Testversion in Weiß (Foto: Pro-Ject)
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„B“ für balanced: Pro-Ject X2 B mit Phono Box S3 B

Jetzt wird die alte Grundsatzdiskussion entfacht. Sind Cinch-Verbindungen tatsächlich um ein Vielfaches anfälliger als symmetrische (engl.: „balanced“) Wege? Der Kernpunkt ist unter anderem der dritte Weg – Cinch-Signale kennen nur „heiß“ oder „kalt“, XLR hingegen führen noch ein weiteres Kabel, für die Schirmung. Daher auch der Name: eXternal, Line, Return – macht zusammen halt XLR. Die Profis schwören darauf. XLR sind im Tonstudio der Standard, ebenso in der Beschallungstechnik, bei großen Konzerten unserer Lieblingsmusiker.

XLR lebt von dem offensichtlichen Vorteil, dass hier lange Signalstrecken ohne Verluste gestrickt werden können: Einstreuungen, die sich das Kabel „einfängt“ werden dank drittem (inversem) Leiter einfach ausgelöscht. Gemeinhin aber braucht der Tonarm eines Plattenspielers nur wenige Zentimeter bis zu seinem Phono-Amp. Ein Widerspruch also? Wir sind gespannt und kritisch, ob XLR bei Plattenspielern tatsächlich einen so gewaltigen Vorteil bringen kann.

Als Testset haben wir ein Duo von Pro-Ject bekommen. Den neuen Plattenspieler X2 B, dazu die Phono Box S3 B. Jetzt ganz wichtig: MM-Tonabnehmer können nur in hyper-seltenen Ausnahmefällen ein symmetrisches Signal ausgeben, alle MC-Systeme hingegen wie selbstverständlich. Deshalb hat Pro-Ject ein MC Quintett Red von Ortofon an der Spitze des Tonarms montiert, das günstigste MC-Modell des Katalogs. Was dieses Set so lecker macht: Man kann hier per XLR verbinden, aber ebenso auch über ein Cinch-Kabel – also die ideale Vorlage für einen Vergleich der Systeme.

Pro-Ject X2B mit Ortofon Quintett MC
Auch schon ein Klassiker: das Ortofon MC Quintett Red, das allein schon mit 350 Euro zu Buche schlägt (Foto: Pro-Ject)

Natürlich nennt es Pro-Ject nicht nur XLR, die Sprachkünstler haben sich den Begriff „True Balanced Connection“ gesichert. Gibt es nach meinem Wissen nur hier. Dazu der Subtext: „Entfesseln Sie die volle Kraft“. Huh, das hört sich gut an. Zumal auch die Basis einiges verspricht. Der X2 B sieht ebenso wuchtig wie edel aus – ohne auf Show zu setzen. Das sind etablierte Wert aus dem Haus der Österreicher. Gekonnt wieder einmal die Aufhängung des Motors. Der liegt in einer Art Zentrierspinne über vier Haltepunkte mit einem Gummiriemen verspannt. Ein weiterer Flachriemen bringt die Energie an den Plattenteller.

Pro-Ject X2B Antrieb
Der X2 B profitiert auch beim Antrieb von vielen, vielen Jahren Erfahrung. Immerhin ist Pro-Ject Weltmarktführer … (Foto: Pro-Ject)

Der ist gute zwei Kilogramm schwer und besteht aus satiniertem Acryl. Sieht super aus, insbesondere im Kontrast zu einer schwarzen Basis. Rechts vom weiß-schimmernden Teller hat Pro-Ject einen alten Bekannten montiert – einen Tonarm auf neun Zoll aus einem Kohlefaser-/Aluminium-Verbundwerkstoff. Auch dies ein Blickfang. Im Set wirkt das alles wunderbar archaisch – das Gardemaß für einen Plattenspieler – in diesem Fall mit feinen Spot auf den knallroten Tonabnehmer von Ortofon.

Pro-Ject X2B Tonarm
Auch der Tonarm mit kardanischem Lager ist ein Pro-Ject Klassiker. Er erlaubt die Azimut- und die VTA-Einstellung (Foto: Pro-Ject)

Für den Aufbau sollte man sich 15 Minuten und eine ruhige Hand reservieren. Natürlich lesen wir gern Bedienungsanleitungen, braucht man hier aber nicht. Das geht auch für Vinyl-Anfänger leicht von der Hand. Etwas komplexer wird es bei der Grundeinstellung des Tonarms, hier geht es nicht nur um das korrekte Auflagegewicht, sondern auch um das Antiscating über das ausgelagerte Miniaturgewicht. Toll: Wollen wir irgendwann einmal den Tonabnehmer wechseln, dann können wir diesen Tonarm auch in der Höhe verstellen. Es gibt bei diesem Kauf keine Chance, dramatische Fehler zu begehen.

Dann unsere Kernfrage: Auf der Rückseite können wir per Cinch oder über besagten XLR-Miniatur-Kontakt hinaus. Ohne allzu tief in die Portokasse zu greifen, legt uns hier Pro-Ject die Phono Box S3 B ans Herz. Die Front sagt eigentlich alles. Wir bestimmen den Input, die Verstärkungssensibilität, und über einen weiteren Klick könnten wir auch einen Subsonic-Filter für böses Bass-Wabern anwerfen.

Pro-Ject Phono Box S3_B Front
Trotz des günstigen Preises bietet die Phono Box S3 B eine Fülle von Optionen und Anpassungen. Besonders ungewöhnlich ist die mögliche, symmetrische Arbeitsweise (Foto: Pro-Ject)

Auch ungewöhnlich sind zwei Eingänge zum Betrieb zweier Tonarme/Plattenspieler. Die für den jeweiligen Eingang individuell gespeicherten elektrischen Einstellungen, werden bei Anwahl des Eingangs automatisch geladen.

Das Netzteil inklusive Trafo liegt außerhalb, was auch die kompakte Bauweise der Phono Box erklärt. Dennoch geht es im Inneren gar nicht so luftig zu. Einige Kondensatoren, ein blitzsauberer Aufbau der Platine – das ganze diskret und eben symmetrisch.

Pro-Ject Phono Box S3 B innen
Das macht Pro-Ject in dieser Klasse keiner nach: Der weitgehend diskrete, zudem symmetrische Aufbau klingt nach Königsklasse, kostet aber bei Pro-Ject gerade einmal 400 Euro – Chapeau! (Foto: Pro-Ject)

Die Phono Box S3 B ist in ihrer Architektur komplett neu erschaffen worden – eben auf einen symmetrischen Kontakt und eine symmetrische Signalführung. Da gibt es keine Konkurrenz. Zumal Pro-Ject hier wieder mal die Preisschraube nicht angezogen hat. Das soll bewusst der Einstieg in die True-Balanced-Welt sein – für 400 Euro. Ein politischer Preis und von meiner Seite ein ausdrücklicher Tipp.

Pro-Ject goes XLR: der Klanggewinn

Jetzt Butter bei die audiophilen Fische: Klingt symmetrisch tatsächlich so viel besser? Natürlich haben wir in der Folge auch eine rein symmetrische Kette aufgebaut. Hier explizit mit dem T+A Kopfhörer Solitaire P und Verstärker HA 200. Wir hatten einen netten Pluseffekt erwartet, einen kleinen Hub. Eben den Sonderweg eines einzelnen Plattenspielerherstellers.

Pro-Ject X2B mit Phono Bx S3 B
So einfach geht´s: Ein einzelnes Spezialkabel verbindet die Phono Box S3 B und den X2 B. Klanglich ist diese Verbindung üblichen Cinch-Leitungen unbedingt vorzuziehen (Foto: Pro-Ject)

Doch Pro-Ject ist mit der symmetrischen Philosophie ein echter Coup gelungen. Da war vor allem die Trennschärfe dramatisch besser. Was auch das Stereopanorama deutlich weiter und präziser erscheinen ließ. Das war kein Unterschied, sondern eine komplette Welt. Von meiner Seite eine klare Empfehlung für den symmetrischen Kontakt. Allein: Es wird ein Machtkampf werden. Pro-Ject braucht viel Zeit, Geduld und nicht zuletzt Geld, um hier einen neuen Standard zu etablieren.

Wie immer wollen wir natürlich auch wissen, wie gut die Basis im hausinternen Vergleich bei LowBeats ist. Wir haben in unserem Fundus zum Beispiel den „The Classic“, quasi ein Einsteiger-LP12, ebenfalls von Pro-Ject und bei LowBeats bestens bewertet und ebenfalls mit dem Quintett ausgestattet.

Und genau das macht den Vergleich so spannend: Der Tonabnehmer ist der gleiche, der Tonarm ist sehr ähnlich, aber der X2 B ist nicht schwimmend gelagert wie der The Classic und hat den Vorteil der Symmetrierung.

Eigentlich hätte ich gedacht, dass beide wohl in etwa auf Augenhöhe spielen, aber nichtsda. Dem samtigen Wohlgefühl des Classic setzt der X2 B (vor allem mit symmetrischer Verkabelung) noch mehr Präsenz, Dynamik und Gradlinigkeit entgegen. Denn mit dem X2 B ist alles eine Klasse höher getaktet. Er klingt einen Hauch erwachsener, mehr auf Drive und Erlebnis konzentriert. Auch der sehr entspannt musizierende „The Classic“ hat ja zu Recht viele Liebhaber. Mehr und genauer hören aber kann man mit dem symmetrischen X2 B-Paket. Es ist eindeutig die qualitativ bessere Performance.

Pro-Ject X2B versus The Classic
Neulich im LowBeats Hörraum: die Phono Box S3 B neben dem sehr klassisch aussehenden „The Classic“ und dem recht modern anmutenden X2 B (Foto: H. Biermann)

Wie hält sich die hausinterne Phonostufe S3 B? Der Grundcharakter ist analytisch, aber wohlig warm, ein toller Vinyl-Amp. Ein Klick und wir können von MM auf MC rastern. Eine neue Steckverbindung auf der Rückseite – und wir schwenken von Cinch auf XLR um. Da gibt es – wie schon gesagt – keine Konkurrenten.

Ich habe es dennoch versucht und den Duo von Cambridge Audio daneben gestellt. Auch der kann MM wie MC auf Knopfdruck, aber halt nur per Cinch-Kopplung. Wer klingt besser? Müßige Frage. Aber grundsätzlich: Der Brite liebt mehr den Samt, der Österreicher legt hingegen vor allem mit der symmetrischen Verkabelung deutlich an Auflösung zu. Das ist schon nicht mehr eine Geschmacksfrage, sondern ein klarer Vorteil bei Pro-Ject.

Fazit Pro-Ject X2 B mit Phono Box S3 B

Sind unsere Freunde im Süden wahnsinnig geworden? Nehmen wir es mit Shakespeare und seinem Hamlet: Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode. Aus dem Stand will Pro-Ject die Spielregeln des Vinyl-Klangs revolutionieren. Cinch ist eine alte Kuh, weit besser ist der Kontakt per symmetrischem Stecker. Geht nur über MC-Tonabnehmer. Weshalb Pro-Ject ein schönes Bundle in den Markt bringt. Einen Plattenspieler, eine Gast-Gabe von Ortofon und den passgenauen Phono-Amp. Gemeinsam wird ein Zauber daraus. Der Preis ist noch human, der klangliche Gewinn aber über alle Erwartungshaltungen großartig.

Sehr feiner, authentisch-offener Klang
weitgehend diskreter, symmetrischer Aufbau
Symmetrischer Ein- und Ausgang
Sehr gute Preis-/Leistungs-Relation

 

Pro-Ject X2 B
2022/10
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Gerader, offener und feiner Klang
Perfekt passender MC-Tonabnehmer vormontiert
Symmetrische Verkabelung möglich
Gute Verarbeitung, schnörkelloser Bauhaus-Stil

Vertrieb:
ATR – Audio Trade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Pro-Ject X2B: 1.599 Euro
Pro-Ject Phono Box S3 B: 399 Euro

Die technische Daten

Pro-Ject X2 B
Konzept:Masselaufwerk, Riemengetrieben, elektronische Regelung
Eingebauter Tonabnehmer:Ortofon MC Quintet Red (MC)
Tonarm:9 Zoll Kohlefaser-/Aluminium-Verbundwerkstoff, VTA + Azimut einstellbar
Zubehör:Plexiglashaube
Ausgang:unsymmetrisch und symmetrisch
Geschwindigkeiten:33, 45, 78 U/min
Abmessungen (B x H x T):46,0 x 15,0 x 34,0 cm
Gewicht:10,0 Kilo (inklusive dem ausgelagerten Netzteil)
Alle technischen Daten
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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.