Nach dem Miracord 90 für 2.500 Euro, Miracord 50 (500 Euro) und Miracord 70 (1.200 Euro) macht der Kieler Lautsprecherspezialist Elac sein Plattenspieler-Quartett komplett – und sich selbst Konkurrenz. Denn der neue Elac Miracord 60 kostet glatt 1.000 Euro, der komplett mit Tonabnehmer und Phonokabel ausgestattete 70er mit gerade einmal 200 Euro kaum mehr. Welcher ist der bessere? Stellt sich die Frage überhaupt? Der Test des neuen Elac Miracord 60 jedenfalls zeigt sehr viel Licht und ein bisschen Schatten…
1.000 Euro kostet der Miracord 60. Da erwartet man in der Regel ein vollausgestattetes Rundumsorglos-Paket. Doch die Kieler gehen hier einen anderen Weg: Ein Tonabnehmer ist genau so wenig nicht im Lieferumfang wie ein Phonokabel. Das Konzept lautet: alles auf den Klang. Man könnte sagen, dass Elac den Ball sinnig weiterspielt an den Konsumenten, der eben sein Lieblingssystem und passende Kabel selbst finden möge. Sicherlich hätte Elac hier – wie viele andere Mitbewerber – eine Notstart-Lösung mit dem klassischen Audio Technica AT95E machen können. Doch für den Miracord 60 befanden wir diesen Abtaster als zu leichtgewichtig. Das neue Laufwerk kann deutlich mehr und wäre mit diesem Einsteigersystem absolut untermotorisiert.
Der Aufbau
Aber grundsätzlich: Die Erstinstallation fällt leicht. Inklusive einem wie auch immer geartetem Tonabnehmer. Denn Elac legt eine Headshell bei, über die das System mit dem Arm verschraubt wird. Der Arm besteht aus einem Karbongeflecht. Sieht bildschön und anspruchsvoll aus. Das Lager selbst wurde aus Edelstahl geformt. Das passgenaue Gewicht stellt man über eine passive Scheibe direkt am Gegengewicht ein. Das gelingt in Minuten.
Bei der Mechanik des Plattentellers aus Aluminiumguss muss man aufmerksam sein. Denn bereits ab Werk wurde der flache Antriebsriemen über die Plattentellerrundung gezogen. Also nicht in den Zugaben suchen, sondern direkt auf die Achse aufsetzen und dann über den Motor strippen.
Insgesamt macht der Miracord 60 einen sehr gepflegten Eindruck. Nicht ultraschwer und fein wie der Miracord 90 aber auch nicht so leichtgewichtig wie der Miracord 50. Genau in die Mitte gezielt. Wer jetzt den Finger erhebt und sagt: Aber es gibt doch noch den Miracord 70!”, der täuscht sich. Denn der 70er wurde mit der Ankunft des fast gleich teuren Miracord 60 zum alten Eisen degradiert. Er wird gerade ausverkauft.
Um auch diese Frage zu beantworten: Der Miracord 60 wirkt nicht weniger wertig, eher im Gegenteil. Vor allem bietet Elac hier den klar besseren Tonarm. Der Aufkleber auf der Unterseite verrät das globale Geschäft und die Herkunft: Er wird in Taiwan gebaut. Das ist nicht ehrenrührig. Das Land gilt als Hochburg der Feinmechanik. Erst kürzlich ist uns der große, neue Thorens TD 1600/1601 begegnet – auch er erschaffen in Taiwan.
Beim schlichten Steckernetzteil zeigt sich der notwendige Rotstift-Ansatz. Das ist ein Ankauf aus Fernost, der einfach nur seinen Dienst verrichten soll. Je nach Kontinent liegen unterschiedliche Steckermodule bei. Das funktioniert gut, hat aber keine höheren audiophilen Ambitionen.
So klingt der Elac Miracord 60
Jetzt sind wir fertig. Alles ist aufgebaut, die passende Phonostufe ausgewählt. Als Phonokabel nutzen wir das sehr taugliche Pro-Ject RCA CC.
Doch was wäre ein idealer Tonabnehmer? Wir haben uns für ein rasant gutes, rasant günstiges MM-System von Audio-Technica entschieden. Aus der neuen VM95-Serie, konkret mit dem Kürzel VM95 SH. Das ist die höchste Ausbaustufe der Serie, mit feinem Shibata-(SH-)Schliff. Erstaunlich viel Klang fürs Geld – gerade einmal 200 Euro. In dem entsprechenden Test habe ich mich recht weit aus den Fenster gelehnt und wiederhole mich gern: „Für diesen Klang würde ich sogar das Doppelte oder mehr ausgegeben.“ Es bleibt dabei.
Dann immer wieder der magische Moment: Zum ersten Mal senkt sich die Nadel in das Vinyl herab. Ich habe wieder einige meiner Lieblingsscheiben mit in den LowBeats Hörraum mitgenommen. Mit dabei: Leonard Cohen und seine Songs From the Road. Ein Livemitschnitt, wie er schöner nicht sein könnte. Lange her, aber immer noch erhältlich. Die Tontechniker haben hier Großes vollbracht – das ist das perfekte Verhältnis von Atmosphäre zu Musik. Man kann die abertausend Fans grölen, rufen und klatschen hören. Dann den Meister auf den Bühne mit wunderbaren Mitmusikern. Eine enorme Präsenz und ein wichtiges Verhältnis von Rauminformationen.
Ein Plattenspieler muss den Groove bieten, dazu die Helligkeit des Raumes, das perfekte Ausleuchten. Hier war der Miracord 60 erstaunlich stark. Schon von den ersten Takten an. Leonard Cohen stimmt sein berühmtes „Halleluja“ an. Eine Frau im Publikum kreischt. Elegant gibt der Bass – und nicht das Schlagzeug – den Rhythmus vor. Smooth wäre das beste Wort. Genau diese Leidenschaft muss der Plattenspieler treffen. Wieder einmal fühle ich mich gut in der Gegenwart des Audio-Technica-Systems. Hier stimmen Analyse und Herzblut perfekt. Aber auch das Laufwerk hat seine Meriten. Es bringt einen wunderschönen Mix aus Sanftmut und Drive in das Klanggeschehen. Erstaunlich für den Preis.
Aber was ist das für ein Geräusch? Ich neige den Kopf weit nach vorn und höre die Rotation des Plattentellers. Glücklicherweise ist das Geräusch nicht sonderlich laut und überträgt sich dazu nicht auf die Nadel. Aber man hört, dass hier etwas feinmechanisch rotiert. Ich habe das Phänomen die ganze Testphase über beobachtet – das Geräusch blieb. Kein Drama und bei vielen laufwerken dieser Liga durchaus üblich, aber der Hauch von einem Manko.
Pop muss sein. Eine Heldentat der Neuzeit. Abbey Road von den Beatles wurde neu abgemischt – und auch auf Vinyl gepresst. „Come together“ eröffnet den Reigen. Die Bassfigur bestimmt den Druck. Was für ein Geniestreich. Erstaunlich, dass die Beatles auf dem Höhepunkt ihrer Krise noch diese Fülle, diese Macht an Neuheiten formulieren konnten. TupTupDaBaDiBa – ein großartiges Riff.
Die CD ist sehr gut, der Download in 24/96 super – aber so richtig stimmt das Feeling nur in Vinyl. Jetzt wird es ganz subjektiv. Kann der Miracord 60 dieses Lebensgefühl auferstehen lassen? Ja. Das war satt und reich und traf genau in den Solarplexus. Dazu die Stimme von John Lennon – perfekt zwischen die Stereo-Lautsprecher gemauert. Ist es der Tonabnehmer (sicher auch), ist es das Laufwerk (sicher auch)? Erst gemeinsam wird ein Erlebnis daraus.
Ich lege noch ein wenig Klassik nach. Hier fällt die Auswahl der schwarzen Scheiben deutlich schwerer. Denn die Labels pressen nicht mehr. CD häufig, hier und da eine SACD – aber Vinyl meiden die Marktführer. Deshalb der Griff zu einem Oldie, leider längst vergriffen. Karajan dirigiert die Berliner Philharmoniker in Mussorgskys Bildern einer Ausstellung.
Das war zu einem Zeitpunkt, an dem der Maestro noch nicht komplett dem Breitwandklang verfallen war. Die Deutsche Grammophon hat die Aufnahme deutlich konkreter, greifbarer, sagen wir mal „fleischiger“ eingefangen. Der Raum ist klar, aber nicht überbordend, die Blechbläser haben Format, wirken eher körperbetont. Auf einem guten Flohmarkt gibt es diese Scheibe für zwei Euro, beim Profi-Händler kratzen wir an der Zehn-Euro-Marke. Unbedingt kaufen.
Der Miracord 60 zeigte genau diese Körperlichkeit. Sehr schön, sehr konturenstark. Das schaffte eine zwar etwas kleinere, aber doch konkretere Abbildung der räumlichen Gegebenheiten. Das „Große Tor von Kiew“ gibt das Finale – fast ein Choral, alle Mann stemmen ein Forte, der Chef knetet die maximale Dynamik. Hier war der Miracord etwas in die Enge getrieben. Forte ja, der große Rausch hingegen hätte mehr Pferdestärken gebraucht. Trotzdem: ein großer Auftritt, sinnvoll, erschwinglich, perfekt auf die Zielgruppe zugeschnitten.
Doch an dieser Stelle müssen wir einen Seitenblick auf die Konkurrenz werfen. Der Dual CS 600 ist das derzeitige Flaggschiff der Schwarzwälder Traditionsmarke, schon über viele Jahre bewährt und fraglos so etwas wie eine Richtschnur für das, was um 1.000 Euro möglich ist. Der Preis des Dual liegt hier bei 1.300 Euro. Ebenfalls ist kein Tonabnehmer im Lieferumfang enthalten. Wie hält sich das Nordlicht aus Kiel im Vergleich zu dem Flaggschiff aus dem Schwarzwald?
Ganz stattlich. Die Verarbeitungsqualität ist vergleichbar gut. Der Dual hat fraglos die höhere Laufruhe. Doch nach längerem Hören wirkte der Miracord 60 in unseren Tests klanglich stabiler, mit etwas mehr Kontur und Druck. Er vermittelt das elegantere Vinylgefühl.
Fazit
Was ist die Zielgruppe? Elac hat in seiner Produktpolitik klare Grenzen gesetzt. Der Miracord 50 spricht die Mal-eben-Vinyl-Hörer an. Alle, die sich stärker im Gefühl der Vinyl-Schönheit sonnen wollen – für die ist der Elac Miracord 60 geschaffen. Er wirkt deutlich eleganter, in der Fertigung, aber auch im Klang.
Allerdings muss der Käufer aktiv werden und ein Phono-Kabel wie auch einen Abtaster beschaffen. Ob das in dieser Preisklasse eine gute Idee ist, lasse ich mal dahingestellt. Wer sich nicht auskennt, überlässt die Auswahl der fehlenden Teile und den Einbau des Tonabnehmers dem Händler seines Vertrauens.
Denkbar sind hier hunderte von Kombinationen. Von den Platzhirschen Audio-Technica und Ortofon hat LowBeats die wichtigsten Modelle sogar im Klang Orakel, wo man diese System online vergleichen kann. Ich votiere hier laut für das Audio-Technica VM95 SH. Ein überragender MM-Abtaster, der in seiner Preisklasse kaum zu schlagen ist.
Aber auch eine Phonokabel-Empfehlung sei hier noch gegeben: Mit dem Pro-Ject RCA CC habe ich bislang beste Erfahrungen gemacht. Das passt fast immer und so auch hier. Doch die besten Ingredienzien nutzen nichts, wenn die Grundlage nicht stimmt. Der Elac Miracord 60 bietet genau diese klangstarke, solide Grundlage. Addiert man AT VM95 SH plus Pro-Ject RCA CC, wird es schwer, für knapp über 1.000 Euro deutlich Besseres zu finden.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Angenehm vollwertiger, sehr stabiler Klang |
| Guter Tonarm mit wenig Lagerspiel |
| Gute Verarbeitung, Haube im Lieferumfang |
| Leise Laufgeräusche des Motors, kein TA vormontiert |
Vertrieb:
Elac Electroacustic GmbH
Fraunhoferstraße 16
24118 Kiel
www.elac.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Elac Miracord 60: 1.000 Euro
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