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Elac Miracord 70 – Aufmacher
Elac baut seine Plattenspieler-Linie nach unten aus: der Miracord 70 kostet 1.200 Euro (Foto: H. Biermann)

Test Elac Miracord 70: Masse-Laufwerk für 1.200 Euro

Es hat eine Zeit gegeben, da teilten sich Thorens und Elac den deutschen Markt auf. Ohne wirkliche Konkurrenten. Doch das ist aus und vorbei. Der Boom der CD und der Einbruch der LP haben beiden Unternehmen schwer zugesetzt. Die Belegschaft sank auf einen Bruchteil. Heute residiert man in kleinen, feinen Nischen – und ist finanziell gesund. Thorens hielt stramm an den Vinylscheiben fest, Elac hingegen gab sein Plattenspieler-Sortiment auf und fokussierte sich auf Lautsprecher. Bis 2015. Der damalige Elac Geschäftsführer Gunter Kürten hatte sich der alten Werte besonnen und den Vinyl-Kult bei Elac wiederbelebt. Das erste Modell, den überragenden Miracord 90, haben wir laut gepriesen, dem nun verfügbaren Elac Miracord 70 widmen wir den folgenden Test. Und auch der hält, was schon der große Bruder Miracord 90 versprach…

Ein kleines Bonmot am Rande: Der Zufall wollte es, dass Gunter Kürten bei Elac ausstieg und umgesattelt hat. Vom Geschäftsführer wandelte er sich zum Inhaber – er kaufte Thorens und wir sind gespannt auf die Neuheiten, die er nun unter dem Thorens Logo ausbrütet. Elac unterdessen ist den von Kürten eingeschlagenen Weg weitergegangen und baut die Plattenspieler-Linie konsequent aus.

HIGH END 2018 Elac Miracord 70
Der Elac Miracord 70 in voller Pracht (Foto: F. Borowski)

Und damit sind wir beim Elac Miracord 70. Kostete der „große“ Miracord 90 noch 2.500 Euro und wird der kleine (noch nicht verfügbare) Miracord 50 etwa 500 Euro kosten, liegt der Miracord 70 bei 1.200 Euro. Wo haben die Kieler im Vergleich zum 90er gespart? Beide Modelle standen nebeneinander im LowBeats Hörraum. Der 70er kommt tatsächlich als kleiner Bruder daher. Alles ist um wenige Zentimeter abgespeckt. Das Chassis ist kompakter, zudem der Plattenteller leichter. Also eine „Light“-Version? Das würde dem Miracord 70 nicht gerecht. Hier geht es um andere Zielgruppen mit anderen Ambitionen und nicht zuletzt kleinerem Portemonnaie.

 

Elac Miracord 70 – vs Miracord 90
Hohe Design-Güte: Elac ist mit dem Miracord 70 (links) abermals ein Hingucker gelungen. Das Design wirkt leicht und edel. Zudem stimmt die Corporate Identity zum größeren Miracord 90 (Foto: H. Biermann)

Nur zum Vergleich: Hier treten 17 gegen 11 Kilogramm an. Dennoch ist auch der Elac Miracord 70 ein so genanntes ein Masselaufwerk, das über robuste, aber elastische Füße vor Vibrationen geschützt wird. Aber hier sollte man sich keinen Illusionen hingegeben: dieser Plattenspieler sollte unbedingt auf einen sehr festen Untergrund – am besten auf ein spezielles Plattenspieler-Rack an der Wand.

Elac Miracord 70 – On/Off Masse
Der An/Aus-Schalter sitzt auf der Metallwanne, die den Miracord 70 nach hin elegant abschließt. Vier weiße, sehr elastische und 20 Millimeter starke Füße verwehren kleineren Vibrationen das Durchkommen zum eigentlichen Chassis (Foto: H. Biermann)

Konzept und Aufbau des Elac Miracord 70

Was uns schon beim Auspacken freute: Dieser Plattenspieler verfügt über eine hohe Wertigkeit. Es war eine Freude, ihn einzurichten. Ein Lego-Spiel für erwachsene Männer, die nicht allzu viel Vinyl-Know-how mitbringen müssen: Die Anleitung ist topp, umfassend bebildert, zudem sind alle kritischen Teile, wie der Tonabnehmer, vorjustiert. Eine entspannte halbe Stunde genügt, und die ersten Töne können erklingen.

Ein kleines Zugeständnis muss der neue Besitzer machen: Die Umdrehungszahl wird beim Elac Miracord 70 nicht elektronisch geregelt – man muss selbst Hand anlegen. Einfach den Glas-Plattenteller lüften und dann den Riemen auf den anderen Durchmesser des Pulleys legen. Zudem gibt so ein Procedere den Blick frei auf die Basisarchitektur, die Elac sehr clever gelungen ist.

Elac Miracord 70 – Antrieb
Die Antriebseinheit mit Riemen und Kunststoff-Pulley. Zum Wechseln der Geschwindigkeit muss man den Riemen per Hand umlegen. Nicht komod, aber auch nicht schlimm (Foto: H. Biermann)

Es sieht nicht so aus, aber das Chassis besteht aus MDF – welches allerdings mit einer Metallfolie ummantelt ist. In der Mitte rotiert der Subteller aus Kunststoff, in den Elac vier runde, sehr weiche Kunststoff-Pads einlässt, damit der Glas-Plattenteller A.) besseren Grip hat und B.) zusätzlich bedämpft wird. Der Plattenteller wiederum dreht sich über einer gehärteten Stahlachse mit einer Keramikkugel an der Spitze.

Elac Miracord 70 – Motor
Der Synchron-Motor des Elac Miracord 70 kommt von Premotec (Foto: H. Biermann)

Der Synchron-Motor ist ein Ankauf bei Premotec – dem Marktführer in diesem Segment. Die Kieler wären dumm, würden sie für den Elac Miracord 70 massiv Geld in die Entwicklung eigener Tonarme und Tonabnehmer investieren. Denn auch hier ist Ankauf die finanziell und mitunter auch technisch bessere Lösung. Keine Frage der Ehre, sondern des angenehmen Preises für den Endkunden. So beschafft sich Elac den Tonarm bei Audio-Technica, ein J-förmiger 9-Zöller, der aus einem Mix von Stahl und Aluminium geformt wurde. Hier einige Impressionen in der Slideshow:

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Elac Miracord 70 – Headshell
So noch nicht gesehen: der Tonarm mit J-Form und angeklebten Headshell-Ohren (Foto: H. Biermann)
Elac Miracord 70 – Antiskating
So soll es sein: Das Antiscating lässt sich leicht und präzise über ein Wählrad nahe dem Lager des Tonarms verstellen (Foto: H. Biermann)
Elac Miracord 70 – Audio Technica Tonarm
Den Tonarm bezieht Elac von Audio-Technica. Der macht alles in allem einen sehr guten Eindruck (Foto: H. Biermann)
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Beim Zusammenbau freuen sich Hände und Augen: Das ist ein wirklich gut gemachtes Stück Feinmechanik, mit vielen praktischen Details. Beispielsweise das Gegengewicht mit seiner feinen, gut ablesbaren Skala. Andere Hersteller sparen in dieser Preisklasse oft beim Antiscating – und konstruieren ein winziges Gegengewicht, das per Faden über einen Ausleger gestrippt werden muss. Kann man mögen, muss man es nicht. Wahrscheinlich findet man die Lösung am Miracord 70 eleganter, hier wird das Antiscating mechanisch über einen kleinen Drehknopf nahe dem Tonarmlager justiert – geht flott und fein.

Auch an der Spitze verlässt sich Elac auf Audio-Technica. Hier tastet ein MM-System die Rillen ab, ein AT95E. Wer ein wenig Google bemüht, entdeckt schnell den Straßenpreis: Für unter 35 Euro ist so ein Schallwandler zu bekommen. Ein Affront zu den sonstigen Werten des Elac Miracord 70? Eher nicht. Das AT95E mag günstig sein, hat sich aber einen hervorragenden Ruf erspielt. Für kleinstes Geld gibt es hier überraschend viel Präzision und Spielfreude.

Elac Miracord 70 – AT95E
Das Audio-Technica AT95E ist das meistverkaufte HiFi-Tonabnehmersystem der Welt. Weil es zigtausendfach gebaut wird, ist es in Relation extrem günstig und hat auch schon in LowBeats Hörtests gegen deutlich teurere MMs bestehen können (Foto: H. Biermann)

Nebenbei: Beim großen Miracord 90 war Elac spendabler und hat ein AT440 verbaut, das Audio-Technica so und mit Micro-Line-Schliff nur für Elac fertigt.

Die Verkabelung des Elac Miracord 70 ist wie beim großen Bruder nicht durchgehend. Das heißt: die Tonabnehmer-Signale führt Elac an ein Anschlussfeld im Rücken – natürlich mit Erdungs-Port und vergoldeten Cinch-Buchsen – von wo sie von einem Set recht guter Phonokabel an den angeschlossenen Phonovorverstärker weitergeleitet werden.

Elac Miracord 70 – Phonokabel
Die Phonokabel liegen bei und erwecken einen sehr guten Eindruck (Foto: H. Biermann)

Der Hörtest

Brönner & Ilg: Nightfall
Brönner & Ilg: Nightfall (Cover: Amazon)

Beim großen Muttertier, dem Miracord 90, haben wir gejubelt. Wie schneidet der deutlich günstigere Miracord 70 ab? Geht es fair zur schwarzen Sache? Zuerst ein Plattentipp: Wer frisches Vinyl liebt, dazu noch herausragende Musiker und die perfekte Tontechnik – der sollte sich das neue Album Nightfall von Till Brönner ins Regal stellen.

Gemeinsam mit dem Kontrabassisten Dieter Ilg gibt der Star-Trompeter ein intensives Kammerkonzert. Das ist meisterhafter Jazz in der kleinst-möglichen Besetzung. Die LP klingt fast noch besser als der High-Res-Download. Vor allem ruhig muss es sein, die Magie der Stille muss entstehen. Hier ist die mechanische Stabilität des Laufwerks gefragt.

Kein Kritikpunkt beim Elac Miracord 70 – das war stattlich und massiv. Hier lag er mit dem großen 90er auf einer Linie. Die Kieler verstehen sich auf einen wirklich guten Materialmix. Die Basis stimmt.

Im direkten Vergleich fiel auf, dass der Miracord 90 alles noch eine Spur eindrucksvoller konnte. Hier waren die dunkleren Schwarzwerte, vor denen sich das audiophile Bild schärfer abgrenzte. Auch die Auflösung, die Feindynamik lagen höher – nicht nur ein Verdienst des besseren Tonabnehmers.

Schnell war die Experimentierlust in uns geweckt. Wir schraubten unterschiedlich teurere Tonabnehmer auf den Arm des Miracord 70. Der vollzog als Laufwerk/Arm-Kombination klar die höheren Stufen nach.

Die mechanischen Werte waren tadellos. Vor allem die Spielfreude gefiel. Das hatte Antritt und Dynamik. Deshalb unser Tipp: Das AT95E ist gut, bereitet Spaß, doch der audiophile Himmel öffnet sich noch sonniger bei Tonabnehmern um 300 Euro. Klasse und immer wieder gern genommen: Denons großartiges MC-System DL103 – zu hören auch im LowBeats Klang Orakel.

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Viel Dynamik, viel Effekt:Der Fliegende Holländer mit Antal Dorati (Cover: Amazon)

Wie hält es die Miracord-70-Kombi mit großformatiger Klassik? So richtiges Sturmbrausen? Wir haben die Decca-Aufnahme von Wagners Fliegendem Holländer rotieren lassen.

Die frühen Decca-Tontechniker liebten das Spiel mit den Effekten, angefeuert auch vom Dirigenten Antal Dorati. Beim Eintreffen des Geisterschiffes beispielsweise rattert hörbar ein schwerer Eisenanker in die Tiefe. Da muss die Nadel am Tonabnehmer einiges verarbeiten. Der Miracord 70 blieb edel und feinsinnig auf Kurs.

Da stimmte die Gewichtung zwischen feinen Akzenten und großer Dynamik. Vor allem das schwer zu beschreibende, doch geliebte Vinyl-Feeling stellte sich – dieser Kombi hätte man stundenlang zuhören können. Der Samt der tiefen Streicher war da, die Strahlkraft der Blechbläser, dazu die Sänger auf ihrer virtuellen Decca-Bühne – alles das erschien mit Sinn und Sinnlichkeit.

Welche Alternativen bieten sich in dieser Preisklasse? Eigentlich viele, aber eigentlich auch wieder nicht. Der Pro-Ject The Classic wäre so einer. Einer, der auch noch ab Werk mit dem eindeutig besseren Tonabnehmer (Ortofon 2M Silver) bestückt. Aber auch einer, der nicht ganz so edel daherkommt wie der Elac. Beim Plattenhören hört das Auge ja mit und da klingt der Elac eindeutig besser…

Im ähnlichen Preisbereich wie der Miracord 70 liegt auch Regas derzeit bestes Angebot, das Leichtgewichts-Laufwerk Planar 6. Gegen diesen Plattenspieler ist kaum ein Kraut gewachsen, so dynamisch und offen wie er spielt. Aber der Elac hatte im Durchgang mit dem Denon DL 103 mehr Substanz und groovte satter und von unten heraus.

Fazit

Der Miracord 70 ist mehr als nur ein würdiger Verwandter des großen 90ers. Er lockt zuerst mit einem fabelhaften Preis – 1200 Euro sind extrem fair bemessen. Dafür gibt es grundehrliche Klangkraft. Stark ist die Ruhe, dazu die Lust an der Dynamik. Das spielt deutlich über der Preisklasse. Trotz oder vielleicht sogar wegen des „kleinen“ Tonabnehmers: das Audio-Technica System harmoniert.

Aber das AT95E ist natürlich nur zum Anfüttern. Wer schlau ist, legt sich hier einen angemessenen Mitstreiter zu. Ich würde eines der größeren Audio-Technica der VM-Serie (mein Favorit ist das VM 540) oder die angesagten MCs um 500 Euro von Excalibur (Blue) oder Sumiko (Blue Point Special EVO III Hi) sehen.

Das High Output MC Sumiko Blue Point Special EVO III
Nackte Technik: Das Sumiko Blue Point Special EVO III kommt ohne Resonanz-behaftetes Gehäuse aus (Foto: P. Schüller)

Dann wird die Sache mit dem Elac Miracord 70 richtig rund. Ich persönlich habe den alten Elac Miracord Zeiten mehr als eine Träne nachgeweint – und freue mich umso mehr auf die neuen. Mein Eindruck ist: Die aktuelle Miracord-Serie ist mit das Beste, das uns und Elac passieren konnte.

Elac Miracord 70
2018/07
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Angenehm vollwertiger, natürlich-dynamischer Klang
Mit MM-Abtaster AT95E vormontiert ab Werk
Sehr gute Verarbeitung
Sehr gute mitgelieferte Kabel

Vertrieb:
Elac Electroacustic GmbH
Fraunhoferstraße 16
24118 Kiel
www.elac.de

Preis (Hersteller-Empfehlung)
Elac Miracord 70: 1.200 Euro

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Test DAC-Vollverstärker Elac EA101EQ-G
Test Netzwerkspieler-Controller Elac Discovery DS-S101-G

Die Gegenspieler im Test:

Test Pro-Ject The Classic: LP12 für 1.000 Euro?
Test Rega Planar 6: Der Sprinter unter den Oberklasse-Laufwerken
Test Elac Miracord 90: Oberklasse-Laufwerk mit viel Substanz

Die erwähnten Tonabnehmer:

MM-Abtaster Audio-Technica VM 540
Test MC-Tonabnehmer Excalibur Blue
Test MC-Tonabnehmer Sumiko Blue Special EVO III Hi

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.