Über ein Jahr schon ist die aktuelle B&W D4-Serie auf dem Markt. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die neue B&W 803 D4 die älteren Modelle ihrer Schwester 802 beerbt – die immer die meistverkauften Lautsprecher aus dieser noblen Familie waren. Kein Wunder: Die neue 803 D4 liegt zielgenau auf dem Preispunkt der alten 802 D3. Die 802 D3 war übrigens jahrelang Lautsprecher-Referenz bei LowBeats und nicht ganz zufällig ist die neue 803 schon über ein halbes Jahr bei uns und hilft als eine Art Co-Referenz bei den meisten Elektronik-Tests. So ist der nun folgende Test längst überfällig. Weil es ein wirklich guter Lautsprecher ist.
Als ich das letzte Mal in den Studios an der Abbey Road war, habe ich sie tatsächlich gesehen: die ganz großen Lautsprecher von Bowers & Wilkins als Monitore an der Front des Mixing-Raums. Das ist also nicht nur Marketing, sondern Fakt: B&W ist in der Königsklasse angekommen. Die Tontechniker vertrauen der Marke. Umgekehrt: Das ist natürlich auch eine Seilschaft unter Freunden, unter Landsleuten. Die Studios in London, die Lautsprecher vor den Toren der Millionenmetropole. Da muss Liebe und Leidenschaft fast zwingend sein. Rule Britannia!
Allerdings sind die Abbey-Road-Studios nicht mehr auf dem neuesten Stand. In den Studios stehen noch etliche Lautsprecher der Serie D1, während B&W seine 800er Linie letztes Jahr bereits in die D4-Klasse überführt hat – in der die einzelnen Modelle in fast allen Belangen zugelegt haben. Die neue 803 D4 erreicht zwar nicht mehr die stattlichen 65 Kilo der Vorgängerin, ist aber mit ihren 62 Kilo pro Seite immer noch ziemlich gewichtig. Aber keine Angst. Die Briten liefern diesen Lautsprecher auf Rollen aus. Das stemmt ein Mann allein im Hörraum. Und so wurde ich in unserem Hörraum auch allein gelassen. Etwas Kraft genügt, dann beherzt ein Schwung auf den idealen Standplatz. Die Lautsprecherkabel hinzu – und fertig ist der Stereo-Aufbau. Wirklich liebenswert schon ab diesem Moment.
Als die neue Serie D4 auf den Markt kam, dachten nicht wenige Marktteilnehmer: “Na so viel hat sich da ja nicht getan…” Ein verlängertes Hochton-Röhrchen (bei gleichem Hochtöner), nochmals verzerrungsärmere Antriebe für Mittel- und Tieftöner sowie ein nochmals besser versteiftes Gehäuse ließ den großen Wurf und die großen Unterschiede zur Vorgänger D3-Serie nicht sofort erwarten.
Aber auch die besonders Kritischen mussten sich eines Besseren belehren lassen. Wir hatten frühzeitig die Gelegenheit, etliche Modelle der alten und der neuen 800er-Linie zu vergleichen (siehe Bericht) und waren doch einigermaßen erstaunt und angetan. Wenn B&W eine neue Generation auflegt, dann werden offenkundig sehr viel mehr Punkte angegangen und verbessert, als die Prospekte verkünden.
Dazu gehört, dass die Designer sich die 800er Serie noch einmal vorgenommen haben. Die Gestalt einer 800er B&W mit ihrer Kombination aus verschiedenen runden Formen wird immer polarisieren. Aber stellt man Generation D3 neben die Generation D4 wirken die neuen Modelle insgesamt viel schlüssiger. Und auch die Verarbeitungsqualität ist erneut vom Feinsten. Ich spreche hier gar nicht über das das ausgeklügelte Metallskelett und die in einem aufwändigen Prozess gebogenen Multiplex-Hölzer für das eigentliche Bassgehäuse, sondern von den feinen Details: Die Idee beispielsweise, das Bassgehäuses nun oben mit Leder zu beziehen, ist ganz wunderbar, das Ergebnis sieht echt nobel aus.
Eine der womöglich klangrelevantesten Änderungen dagegen ist kaum erkennbar: Es ist die sogenannte Spinne des Tiefmitteltöners. Die Spinne ist normalerweise ein festes Geflecht, das dafür sorgt, dass die Schwingspule sauber im Magnetspalt schwingt. Allerdings gibt es starke Indizien dafür, dass dieses Geflecht für etliche Klangverfälschungen verantwortlich ist. Deshalb haben sich schon viele Lautsprecherentwickler an der Spinne abgearbeitet, aber eine so konsequente Alternative hat man bislang gescheut.
Diese Neuerung findet sich natürlich auch beim 13-Zentimeter durchmessenden Mitteltöner der B&W 803 D4. Wenn man den Modellen der früheren 800er-Serie überhaupt einen klanglichen Vorwurf machen konnte, lag der in der Regel in einem nicht ganz klaren Mittenbereich. Ob es allein an der biomimetischen Aufhängung liegt, sei mal dahingestellt. Aber die D4-Serie klingt – das sei hier schon einmal vorweggenommen – vor allem in den Mitten spürbar freier…
Die Besonderheiten der B&W 803 D4
Schauen wir genauer hin. Der Name sagt bereits viel aus. 800 – steht für die höchste Serie im aktuellen Katalog. Es gibt keine Modellreihe darüber. Die 3 definiert die Baugröße. Es gibt noch zwei größere Geschwister darüber. Das D4 markiert die neuste Entwicklung des Gesamtaufbaus.
Eine Besonderheit schon seit der Generation D2 ist der Hochtöners. Die 25 mm große Kalotte ist mit industriellen Diamanten beschichtet. Gibt es in diesem Preisbereich nur bei B&W. Das Material gilt als extrem hart und hat einen Übertragungsbereich weit über 50 Kilohertz. Besagter Hochtöner sitzt in einem eigenen Gehäuse, einer langgezogenen Röhre.
Auch der Mitteltöner sitzt in einer eigenen Röhre, dem so genannten „Turbine-Head“. Dieser Mitteltonkopf aus Metall ist – wie die Hochton-Röhren – über Jahre klanglich optimiert worden. Mitteltöner wie Hochtöner werden in eigenen Chassis auf den Korpus gesetzt. Sieht eigenwillig aus, ist aber absolut konsequent. Kein Wandler beeinflusst bei seiner Arbeit den Mitstreiter. Macht drei unterschiedliche Bauformen, die zusammengefügt und abgestimmt werden müssen.
Zwei komplett überarbeitete Tieftöner im 18-Zentimeter Format machen aus der 803 D4 eine 3-Wegebox. Schon die Vorgänger waren vergleichsweise pegelfest. Es sollte sich zeigen, dass die Verbesserungen am Neodymmagnet-Antrieb und an der Aerofoil-Membran doch noch einiges gebracht haben. Unterstützt werden die beiden Bässe durch eine Bassreflex-Konstruktion, deren Port sich nach unten öffnet.
Praxis
Die B&W 803 D4 ist ein großer und mit über 20.000 Euro Anschaffungspreis ja keineswegs billiger Lautsprecher. Allein dieser Fakt sollte den geneigten Käufer darauf vorbereiten, dass auch die angeschlossene Verstärkerelektronik so günstig nicht sein sollte. Auf alle Fälle muss sie stabile Leistung haben.
Dabei ist der Wirkungsgrad mit 88,5 Dezibel erfreulich hoch. Man käme also mit einem 300B-Röhrenverstärker wie dem Fezz Audio Mira Ceti (2 x 9 Watt) schon auf über 97 Dezibel. Das haben wir natürlich ausprobiert und bei geringen Pegeln klingt das auch sehr beeindruckend.
Leider fällt die Impedanz (rote Kurve) der 803 D4 im leistungsrelevanten Bereich um 100 Hertz auf unter 3 Ohm. Noch ärger ist der EPDR-Wert (graue Kurve), der sich aus Impedanz und Phase (blaue Kurve) ergibt. Dieser nämlich zeigt, dass das Netzteil des Verstärkers bei 80 Hertz mit fast null Ohm belastet wird. Das schaffen nur wirklich stabile Netzteile sauber.
Der Maximallautstärke indes ist mit 106 dB Dauer und 118 dB Spitzenpegel erfreulich hoch:
Und hier kommt der kleine Pferdefuß: Schon, um die 106 Dezibel Dauerpegel zu erreichen, muss man der 803 D4 satte 360 Watt zuführen. Wollte man wirklich die 118 dB ausreizen, wären auch 1.000 Watt pro Kanal nicht schlecht…
Wir haben seit kurzem die Canor Röhren-Vor-/End-Kombination Hyperion P1 + Virtus M1 als Referenz. Die Monos kommen zwar nur auf etwas über 150 Watt pro Seite, klingen aber magisch – und erwiesen sich auch als ideale Spielpartner der 803 D4, weil sie im Hochton recht milde agieren.
Der schöne Klangrausch
Denn das war schon nach wenigen Durchgängen erkennbar: B&W hat auch bei der 803 D4 ein wenig an der Hochtonschraube gedreht. Beim Vergleich 805 D3 gegen 805 D4 war diese neue Abstimmung mit mehr Hochtonenergie ja sehr deutlich. Der fiel bei der 803 D4 zwar dezenter aus, war aber jederzeit durchhörbar. Ich will das hier nicht bewerten: Alles klingt einen Tick heller, offener, präsenter.
Ein Beispiel und wieder einmal ein Klang/Musik-Tipp: Unfassbar viele Musiker haben sich an die Songs von Leonard Cohen gewagt und die Geniestreiche gedoppelt. Oft ging es daneben. Aber ganz frisch hat Blue Note die aktuelle Crème de la Crème versammelt, aufgenommen und auch in Vinyl gepresst. Das ist die Superscheibe der Zeit. Alles sehr entspannt. Das Schlagzeug ordnet, der Bass groovt. Als wäre Leonard selig immer ein Jazz-Fan in kleinen Clubs gewesen. Es klingt ungemein offen und prächtig. Vor allem die plastische Darstellung der einzelnen Instrumente ist maßstabsetzend. Das Klangbild hat scheinbar nichts mit diesen Lautsprechern zu tun. Struktur und Herzblut. Genau das gelingt der 803 D4. Würden wir sie in einen leeren Jazzkeller auf die Bühne stellen und allen Gästen eine Augenbinde aufsetzen – die Menschen würden behaupten, bei einem großartigen Live-Event dabei gewesen zu sein.
Mehr Kompliment geht nicht. Gelingt der Zauber auch bei Klassik? Ja. Fünf Orchester in den USA streiten sich um den Thron. Mein Favorit ist das Cleveland Orchestra. Das mittlerweile seine eigenen Aufnahmen konserviert und in die Welt schickt. So ein reines Programm mit Richard Strauss und seinen Tondichtungen. Der aktuelle Chef Franz Welser-Möst dirigiert. Ein Österreicher vor einer Versammlung von Genies an jedem Pult. Es tönt wie die von Strauss eingeforderte „Elfenmusik“ – nie zu fett, alles leicht. Die Streiche von Till Eulenspiegel zeigen, was für ein großartiger Monitor die 803 D4 ist. Die Streicher flirren nicht nur, wir könnten auf jedes Pult, auf jeden Musiker zeigen – ein Himmel der Plastizität. Das nimmt bereits holographische Züge an.
Wir hatten in den vergangenen Wochen sehr viele Standboxen der Oberklasse zwischen 10.000 – 15.000 Euro im Hörraum. Aber keine konnte wirklich mithalten. So war es dann an der LowBeats Referenz FinkTeam Borg, die 803 D4 wieder einzufangen. Die Borg begeistert (vor allem an den Canor-Röhren) mit unglaublich “echten” Klangfarben und einer sensationellen Autorität bei Pauken und Bassdrum. Die B&W reichte zwar im Bass einen Tick tiefer, aber nicht ganz so beeindruckend wie die wuchtige Borg. Im Mittelhochtonbereich indes klang die Britin – wie gesagt – etwas heller, perlender, vielleicht einen Hauch glatter. Von der Präzision her sind beide eine Wucht. Wie auch von der Abbildung. Die Staffelung gerade in die Tiefe ist ja eine Domäne der Borg. Doch die 803 D4 steht hier kaum zurück. Bei ihr ist das Klangbild nur etwas größer, aber keineswegs weniger genau gezeichnet. Klasse!
Taten sich aber die älteren Modelle 800 D3 gegen die FinkTeam Borg gerade bei Stimmen doch ziemlich schwer, verblüffte die 804 D4 mit einer erfreulichen Authentizität. Das wird nicht allein an der neuen Spinne liegen, aber in diesem Bereich hört man den Fortschritt von D3 zu D4 am deutlichsten: mehr Klarheit, höhere Plastizität.
Fazit B&W 803 D4
Es wird immer schwieriger, an den Modellen der 800er Serie noch Kritikpunkte zu finden. Für mich ist diese 803 ein Highlight, dessen Verarbeitung wieder einmal Maßstäbe setzt. Ihre etwas hellere Abstimmung liegt im Bereich von “Geschmackssache” und hat kaum Nachteile, aber viele Vorteile. Bei dieser beeindruckenden Plastizität könnte man fast meinen, die B&W-Entwickler hätten per DSP die Gruppenlaufzeit perfektioniert – was bei einer passiven Box leider nur mit der entsprechenden Elektronik funktioniert.
Kommen wir zur Eingangsfrage zurück: Kann die 803 D4 eine 802 D3 ersetzen? Fraglos ja. Gemessen an den alten 802 D3 haben sie zwar nicht ganz diese Bassgewalt, doch alle übrigen Punkte sprechen eindeutig für die 803 D4. Übrigens auch diese ziemlich hohe Pegelfestigkeit…
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr agiler, transparent-feiner Klang |
| Klang löst sich komplett von den Boxen |
| Tolle Verarbeitung, sehr gutes Bi-Wiring Terminal |
| Braucht sehr starke Verstärker |
Vertrieb:
D&M Germany GmbH
An der Kleinbahn 18
41334 Nettetal
www.soundunited.com
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
B&W 803 D4: 22.500 Euro
Technische Daten
B&W 803 D4 | |
---|---|
Konzept: | 3-Wege Bassreflex |
Bestückung: | HT: 1 x 25 mm Diamant, MT: 1 x 16,5 cm Continuum-Membran. TT: 2 x 18 cm |
Wirkungsgrad: | 88,5 Dezibel |
Aufstellungs-Empfehlung: | Frei, mit mindestens 50 cm Abstand zur Rückwand |
Maximalpegel (Dauer, kurzfrist.): | 106 / 118 Dezibel |
Min. empf. Verstärkerleistung | 2 x 40 Watt |
Verstärkerleistung zum Erreichen des Max.-Pegels | 360 Watt |
Abmessungen mit Sockel (B x H x T): | 35,7 x 116,5 x 51,1 cm |
Gewicht: | 62,2 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test 300B-Röhrenverstärker Fezz Audio Mira Ceti
Test Vor-/Endstufen-Kombination Canor Hyperion P1 + Virtus M1
Test FinkTeam Audio Borg: die neue LowBeats Referenz
Mehr von Bowers & Wilkins:
Kompaktbox B&W 705 S3: der erste Test
Test Kopfhörer B&W Px7 S2: neue Messlatte für BT Over-Ears?
Test Kompaktbox B&W 707 S2: die Königin der leisen Töne
Test Kompaktbox B&W 805 D4: wieder das Maß ihrer Klasse?
Test B&W 804 D3 – die unterschätzte Spitzenbox
Erster Test B&W 705 S2: die perfekte Abbildung
Besuch in Worthing: Der B&W Factory Report
Fahr- und Hörtest BMW 740Ld xDrive mit B&W Diamond Surround Anlage