Auch im Rückblick auf die IFA 2017 ist Sache immer noch irritierend: Überall sprachen Menschen mit Geräten: „OK Google: mach die Musik lauter, verändere das Licht…“ Oder: Alexa! Gib mir Tipps für das Restaurant heute Abend…“
Dass die Sache mit der Sprachsteuerung in einem derartig kraftvollen Durchmarsch antritt, hätte ich nicht gedacht. Man muss kein ausgewiesener Kulturpessimist sein, um zu verstehen, was das bedeutet. Die Sprachsteuerungen werden uns mehr als nur einfache Bedienschritte abnehmen.
Vielleicht können sie nicht sofort komplexe Steuerungen wie Crestron & Co aufs Altenteil schicken, aber sie werden mehr und mehr unseren Alltag verändern. Vorgestern haben wir noch selbst auf den Knopf des Geräts gedrückt, gestern hatten wir die Fernbedienung, um das Ganze bequem vom Sofa aus zu machen und heute müssen wir es nur noch aussprechen. Das ist natürlich hoch attraktiv. Und deshalb hatte so gut wie jeder größere UE-Anbieter auf der IFA eine eigene Variante zu dem Thema.
Die Auto-Industrie hat es uns vorgemacht. Da ist die Sprachsteuerung schon deutlich weiter als zu Hause. Und die Technologie muss ja keineswegs im Privaten bleiben. Wenn man das Wissen der Welt von einer Box kaum größer als einer Cola-Dose abrufen kann, gibt es kaum noch Gründe, sich im Laden von mäßig gut geschulten Verkäufern beraten zu lassen.
Und mit vielen Alexas oder Google Assistenten im Haus (halt in jedem Raum einer) ist sowieso nichts mehr privat: Die smarten Superhelfer sind leider auch ideale Spione und tragen alle Informationen, die sie über uns sammeln, umgehend weiter. Wir hatten beim Test vom Amazon Echo ja schon unsere Bedenken…
Eine Menge Segen also, aber wahrscheinlich auch sehr viel Fluch. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Schön, dass wir uns in unserem Rückblick auf die IFA 2017 nicht ausschließlich von vernetzten Produkten zu berichten haben. Die komplette Antipode stand bei Panasonic und hieß Technics SP-10R: das Remake des legendären Plattenspielers mit Direktantrieb und der irre kurzen Hochlaufzeit.
Das ist nicht nur in meinem persönlichen Rückblick auf die IFA 2017 eines der absoluten Highlights. Es gibt bislang nur ein Muster weltweit, aber das zog die IFA-Besucher (jedenfalls jene, die in der Beziehung so gestrickt sind wie ich) komplett in seinen Bann. Bilder, Preise, Eindrücke zum Technics SP-10R gibt es hier.
Ein weiterer skurriler, aber längst nicht so bedenklicher Trend wie die ausufernde Sprachsteuerung waren die sogenannten High Power Systeme. Dahinter verbergen sich Aktivboxen, in der Regel aus martialisch geformten Plastik, mit allen möglichen Eingängen, die billig, sehr bunt und laut sind. Die Zielgruppe ist klar: Menschen die noch keine 21 sind. Ein hässliches, aber harmloses Spielzeug, das sich bei sehr vielen Anbietern fand. Sogar bei den ehrwürdigen Sonys:
Glücklicherweise hatte Sony (neben einer sprachgesteuerten Concept-Erlebniswelt) auch noch eine richtig ansprechende Neuheit im Gepäck: Die TVs der A1 Serie verwenden den ganzen Bildschirm als Wiedergabe-Membran. Das klingt deutlich besser als erwartet, macht ordentlich Druck und gibt einen klaren Bezug zum Bild. Und vor allem fallen die zusätzlichen Lautsprecher weg.
Ein weiterer Trend lag bei den Kopfhörern. Aber nicht irgendwelche von der Stange: Selbst Noise Canceller waren wirklich an jedem zweiten Stand zu hören. Nein. Kopfhörer, die intelligent sind, die was Außergewöhnliches können. Einer meiner Favoriten lag unauffällig bei Sennheiser: Das Ambeo Smart Headset, das pro In-Ear-Kapsel Mikros eingebaut hat und mit dem man daher (in Verbindung mit dem iPhone) auch Filme mit sehr authentischem Ton machen kann. Hier der ausführliche Bericht.
Hoch interessant war auch das Exofield-Projekt von JVC: Die Japaner wollen das bislang ungelöste Problem der In-Kopf-Ortung beim Kopfhörer-Hören lösen. Alle mechanischen Versuche à la Sennheiser, Ultrasone & Co funktionieren ja nur im Ansatz. Die Phonitor Matrix von SPL ist schon deutlich besser, aber auch da geht noch was. JVC hat nun ein Verfahren ersonnen, das mit der individuellen Ausmessung des jeweiligen Benutzer-Ohres arbeitet. Mir schien das Verfahren noch nicht ganz fertig, aber die Vorne-Ortung war tatsächlich gut greifbar vorhanden. Zum Erfahrungsbericht JVC Exofield geht es hier.
Eine Einmessung auf das individuelle Hörvermögen gab es auch bei beyerdynamic. Die Heilbronner arbeiten dafür mit den Audiologie-Spezialisten von Mimi Hearing Technologies zusammen und haben ein geniales Projekt auf die Beine gestellt, wo sie über eine App innerhalb von sechs Minuten eine individuelle Übertragungskurve für Hörer ermitteln. Ich habe es ausprobiert. Super Sache, wenn auch etwas irritierend… Zum ausführlichen Beitrag geht es hier.
Eine Art Kopfhörer hat mir im Rückblick auf die IFA 2017 besonders gut gefallen: der Sound Gear von JBL. Den setzt man nicht auf die Ohren, sondern legt ihn auf die Schultern. Dadurch hört zwar der Nachbar vieles mit, aber alle, die das abgeschottete Gefühl von Kopfhörern nicht mögen oder jene, die sich beim Hören gern unterhalten, ist dies eine ausgezeichnete Alternative. Wie – das muss ich hier mal festhalten – JBL in diesem Smart-Unterhaltungselektronikbereich überhaupt unglaublich vielseitig ist. Eine Stunde habe ich mich durch die JBL Welt gehört: alles war ziemlich gut und gar nicht so teuer. Zum ausführlichen JBL Bericht geht es hier.
Und dann gab es natürlich auch Kopfhörer, die einfach nur gut klingen. Am meisten überrascht hat mich ein Newcomer: Der AR-H1 von Acoustic Research, der aus dem Magnat Kompetenzzentrum stammt. Der magnetostatische Over Ear zeigte eine sehr überzeugende Transparenz und Natürlichkeit. Super.
Und er unterstrich damit, dass die Entwicklungsabteilung der Voxx-Gruppe (unter anderem Magnat, Heco, Oehlbach und eben Acoustic Research) in diesem Jahr einen echten Lauf gehabt hat. Denn am Magnat Stand fand ich mit die interessantesten HiFi-Komponenten der diesjährigen IFA. Zum Magnat-Standrundgang geht es hier.
Und einer darf bei dem Rückblick auf die IFA 2017 natürlich nicht fehlen: der Lautsprecher Teufel. Der Direktvermarkter hat nach eigenen Angaben im letzten Geschäftsjahr die beeindruckende Marke von 100 Millionen Euro Umsatz gerissen: Damit ist Teufel neben Loewe der größte Hersteller von Unterhaltungselektronik in Deutschland. Zur IFA hatten die Berliner gleich 20 Produktneuheiten und eine große Überraschung im Gepäck: die edle Zweitmarke Raumfeld wird eingestellt.
Und hier nochmal die anderen Einzelbeiträge zu unserem Rückblick auf die IFA 2017:
Wieder aufgelegt: Der neue Technics SP-10R
Richtungsorientierte Tonaufnahmen mit dem Sennheiser Ambeo Smart Headset
JVC Exofield: Kopfhörer-Konzept mit Vorne-Ortung
beyerdynamic mit Mimi Hearing Technologies: Bestes Hören
JBL-Highlights auf der IFA 2017 mit Alexa, JBL Boombox und JBL BAR 5.1
Magnat: Bluetooth- und HiRes-Neuheiten auf der IFA 2017
Weitere Messe-Reports:
Rückblick auf die High End 2017
Die Norddeutschen HiFi-Tage 2017
Im Beitrag erwähnt:
Test Amazon Echo:Alexa kann mehr als ihre Wireless-Box