Hätte es je eines Beweises bedurft, dass Vintage und Retro gerade hoch im Kurs stehen, dann haben wir ihn gerade im Hörraum stehen. Die Dynamikks Model 12 sorgte bei den Besuchern diverser Messen (SDHT 2019, NDHT 2020) wie auch bei den Zaungästen von LowBeats (und bei seinen Machern!) für Verzückung: “Wie geil ist denn das? Sieht ja aus wie früher. Und klingt das Ding, wie es aussieht?” Die Antwort lautet: Ja, doch sehr viel besser und moderner als gedacht. Ein Hochwirkungsgrad-Speaker eben, aber mit sehr viel mehr Vorzügen als Einschränkungen. Und das Allerbeste: Dieses komplett in Deutschland gefertigte Klangmöbel kostet erfreulich günstige 4.000 Euro – pro Paar.
Dynamikks Chef Ulf Moning hat ja schon den ein oder anderen veritablen Lautsprecher entwickelt. Aber mit der Model 12 ist ihm fraglos ein ganz großer Wurf gelungen. Bei der Entwicklung hat sich der Hornspezialist dabei von der Altec Lansing aus dem Jahre 1982 inspirieren lassen, die damals ganze Heerscharen von HiFi-Fans faszinierte. Doch während ein solches Design damals noch als irgendwie “normal” durchging, ist es in Zeiten dürrer Style-Box eher außergewöhnlich…
Man könnte sagen, Moning reitet mit der Model 12 auf der gerade modern werdenden Welle der Retro-Monitore: im Aufbau mittelhoch und eher breit als tief. Die Yamaha NS-5000 ist ein Paradebeispiel. Oder die Sky Audio Verdade II. Oder die Harbeth P3ESR. Doch mit seinem sehr gelungenen Model 12-Entwurf setzt er hier noch einmal ein Ausrufezeichen. Denn anders als die drei vorhergenannten, ist sein 2-Wege Urviech groß genug (Maße: 88,0 x 54,0 x 40,0 cm (H x B x T), um ohne Ständer auszukommen. Und vor allem laut genug, um auch mit den immer noch faszinierenden Verstärkern aus der HiFi-Gründerzeit zu klingen: den Röhren.
Das Konzept der Dynamikks Model 12
Ein bisschen folgt hier also die Form der Funktion. Denn ein wesentlicher Teil des Model-12-Reto-Konzepts ist ein möglichst hoher Wirkungsgrad. Dieser Lautsprecher soll ein optimaler Partner für schwächliche Verstärkerkonzepte (Class-A, Röhren, Vintage) sein. Und deshalb stand eine möglichst hohe Effizienz Pate bei der Entwicklung der Model 12 – am einfachsten zu erkennen am großen Hochtonhorn.
Das Horn aus gegossenem Kunststoff ist immerhin 32 Zentimeter breit und hat an seinem Anfang, dem so genannten “Hornhals”, einen professionellen Hochleistungstreiber angeflanscht. Die Membran dieses Hochton-Treibers besteht aus einem Polyester-Sandwich, der von einem starken Neodym-Magnet angetrieben wird und dank vorgesetztem Horn auf einen Wirkungsgrad von über 105 Dezibel (1 Watt/ 1 Meter) kommt. Das ist stattlich und zeugt von ungeheuren Pegelreserven. Moning: „Natürlich bekommt man mit so einem Druckkammer-Hochtöner keinen ganz glatten Frequenzgang hin. Das liegt in der Natur der Sache. Aber wer jemals die Dynamik eines guten Hochtonhorns gehört hat, wird mit den üblichen HiFi-Kalotten nicht mehr glücklich.“
Doch neben dem extremen Wirkungsgrad, der natürlich an den leiseren Tieftöners angepasst werden muss, hat das Horn der Model 12 einen weiteren Vorteil: Man kann es recht weit herunter ziehen. Moning hat hier eine Übergangsfrequenz von 1.100 Hertz als optimal ausgemacht. Das scheint zu stimmen. Während all der Hörtests, die zum Teil abenteuerlich laut verliefen, habe ich nie Verzerrungen vom Horn gehört.
Allerdings vom Bass auch nicht. Der namensgebende Tieftöner ist ebenfalls kein Kind von Traurigkeit. Während bei Altec Lansing die Nomenklatura durchlaufend war, steht bei Dynamikks die Zahl im Namen für die Größe des Tieftöners. Model 12 bedeutet einen Tieftöner mit 12 Zoll (also 30 cm) Durchmesser. Das ist für eine 2-Wege-Konstruktion ganz schön groß. Denn die recht schwere und große Papiermembran muss ja auch die unteren Mitten bis 1.000 Hertz abdecken. Das ist bei all diesen Konstruktionen fast immer die größte Schwachstelle. Aber wie sich im Hörtest herausstellte, umschifft die Model 12 diese Untiefe recht geschickt…
Um die Idee des Hochwirkungsgrad-Lautsprechers umzusetzen, ist der Tieftöners ebenfalls ein “lauter” Typ. Mit dem stattlichen Magneten ist der Model-12-Bass für eine klassische HiFi-Anwendung eigentlich übermotorisiert, sein QTS-Faktor liegt bei 0,22. Das ist ein Wert, den klassischer Weise Hornbässe vorweisen und der für sehr wenig Bassausbeute steht. Doch Moning egalisiert die Überdämpfung mit einer vergleichsweise hochohmigen Luftspule vor dem Bass. Moning: “Dann habe ich zwar weniger Dämpfungsfaktor vom Verstärker, aber die hohe Kontrolle des starken Magneten bleibt ja trotzdem erhalten.”
Das Thema Dämpfungsfaktor des angeschlossenen Verstärkers ist für Moning nicht sonderlich relevant, weil er selbst am liebsten mit Röhren-Amps hört und vorführt. Bei denen ist der Dämpfungsfaktor meist sehr niedrig.
Ein Blick auf die Frequenzweiche zeigt uns, was Ulf Moning, der sich ja gern als “Soundcraftsman” bezeichnet, unter Klanghandwerk versteht: Die Bauteile der Frequenzweiche sind handverlötet auf einer Platine im Hochtongehäuse verschraubt, die Bauteile sorgsam verklebt.
Das Gehäuse selbst besteht aus zwei getrennten Teilen, die aufeinander gestellt werden. So ist der Transport der 45 Kilo schweren Model 12 einfacher zu bewerkstelligen. Auch der Aufbau ist handwerksmäßig umgesetzt: Statt des üblichen MDF verwendet Moning die erheblich reißfesteren Multiplex-Platten (Wandstärke: 18 mm), die zudem im Inneren verstrebt sind. Die Slideshow vermittelt eine Idee von der hohen Solidität der Model 12:
Jetzt atmen wir mal kurz durch. Was Moning hier an Material und penibel-sauberem Handwerk bietet, ist wirklich allerhand und stellt so manches Preisschild erheblich teurerer Lautsprecher in Frage. Ich persönlich ärgere mich ja immer über Holzschrauben (die sich über die Zeit loswackeln) in teureren Boxen. In diesem Klangmöbel finden sich dutzende Schrauben – natürlich alles Gewindeschrauben in sorgsam eingesetzten Rampa-Muffen. So etwas ist in der Massenfertigung nur schwer umzusetzen, in einer kleinen Odenwälder Klanghandwerkstatt offenkundig schon. Die Model 12 sieht aus wie vor 40 Jahren geschaffen und als ob sie mindestens 40 Jahre halten soll…
Aufstellung und Praxis
Die Model 12 ist ein großer Lautsprecher, der gern Platz um sich hat. Wir hatten sie im kleinen LowBeats Hörraum (16 Quadratmeter, Hörabstand: 2,5 Meter), wo sie ihre Nahfeld-Qualitäten unter Beweis stellte. Das klang wahrlich nicht übel. Noch einmal besser, weil auch im Bass dann schlanker, spielte sie im großen LowBeats Hörraum. Allerdings ist hier der Hörabstand mit 4 Metern erheblich größer und so kann sich der Schall aus dem großen Tieftöner und dem Horn besser “mischen”.
Simpel, aber sinnvoll und gut ist die Möglichkeit, über einen höhenverstellbaren Fuß die Höhe der Abstrahlung zu verändern. Das ist gerade bei kurzen Hörabständen (die Model 12 ist ja nicht sehr hochgewachsen) ein echtes Plus.
Ebenfalls absolut sinnvoll ist die Anpassung an die Raumakustik (oder die Hörgewohnheiten des Zuhörers) durch die beiden Pegelregler für Mittel- und Hochton. In vier Stufen hat man in etwa einen Regelbereich von -3 bis + 3dB. Der Hochton wird dabei komplett angehoben oder abgesenkt, die Mitten lediglich im Bereich zwischen 400 – 1.000 Hertz. Beides ist gut hörbar.
Viele Hersteller (wie etwa JBL) verwenden für solche Einstellungen die praktischen (aber leider nicht sehr langzeittauglichen) Schleifwiderstände. Der Dynamikks Weg sieht anders aus: Jede Pegelstufe wird mit Einzelwiderständen umgesetzt. Das wird Jahrzehnte halten.
Der Wirkungsgrad der Dynamikks Modell 12 wird (wie bei fast allen Lautsprechern) vom Tieftöner beschränkt. Doch der antriebsstarke 30 cm Bass ist vergleichsweise laut und so kommt die eigenwillige Retro-Box auf unüblich hohe 92 Dezibel. Damit schafft man selbst mit kleinen Röhren-Amps verblüffend hohe Pegel.
Und weil er bei der Entwicklung genau diese Kombination mit Röhren vor Augen hatte, verwendet Moning einen Tieftöner mit hoher Impedanz. Das Impedanz-Niveau der Dynamikks Modell 12 liegt daher fast durchgängig oberhalb 10 Ohm – das ist für Röhren meist besser verdaulich. Allerdings sinkt der Leistungs-Output der glimmenden Kolben dadurch noch mehr.
Wir haben die Model 12 ausgiebig am 300B-Dauerläufer Mira Ceti (2 x 9 Watt) von Fezz Audio gehört. Gar nicht übel. Vor allem im kleinen Hörraum und auf kurzer Distanz entstanden große Klangbilder mit satten Klangfarben und vollem, ziemlich festem Bass. Ziel erreicht.
Beziehungsweise fast erreicht. Denn mit so wenigen Watt lassen sich die Pegelmöglichkeiten der Dynamikks nicht einmal annährungsweise ausloten. Besser geht das natürlich mit einem Vollverstärker-Boliden wie dem Atoll IN 400 ES. Doch noch ein Stück feiner klang die Model 12 mit dem Canor AI 2.10 (Test in Kürze). Auch mit dessen 150 Watt pro Seite konnten wir es richtig krachen lassen…
Laut und doch schön: der Hörtest
Die Model 12 klingt deutlich weniger direkt und ruppig, als sie vielleicht aussieht. Sie beeindruckt zunächst einmal mit hoher Spielkultur. Das heißt: Auf einem (bis zu sehr hohen Pegeln) immer satten, üppigen Bassfundament ruht ein dezenter, nie nerviger Mittenbereich und erstaunlich feine Höhen, die absolut frei von jeglichem Hornklang sind.
Hier wird die Verzerrungsarmut die Dynamikks erlebbar: Dynamik-Sprünge macht sie wie aus dem Nichts – mühelos, ohne Anstrengung. Das können normale HiFi-Kalottenhochtöner in der Regel nicht. Und noch etwas wird deutlich: Die Model 12 schafft einen Raum mit erstaunlicher Tiefe. Das ist für eine so breit geratene 2-Wege Hochpegel-Konstruktion ungewöhnlich.
Beispiel Joan Armatradings “Willow” (Album: Some Show Emotion). Das Stück hat eine enorme räumliche Tiefe – die die Model 12 sehr passabel abbildet. Die klare Stimme von Joan Armatrading kommt voll und ohne Brüche: sehr klar und plastisch abgegrenzt zu ihrem Duett-Partner. Allerdings fehlen in den Mitten einige kleine Details; da geht der Model 12 einfach ein wenig Auflösung und Lebendigkeit ab.
Aber wie oben schon angedeutet, ist es wirklich schwierig, mit einem so großen Tieftöner ähnlich feine und “schnelle” Mitten wie mit einem kleinen Mitteltöner hinzubekommen. Wir haben die preislich ähnliche (aber mit deutlich kleinerem Tiefmitteltöner ausgestatteten) Sky Audio Verdade II zum Vergleich gehört; die entfaltet in den Mitten eine ganz andere Offenheit. Allerdings hat dieser Studio-Monitor einen komplett anderen Ansatz und ist nicht einmal im Ansatz so wirkungsgradstark und pegelfest.
Moning hat sich bei der Model 12 entschlossen, die Mitten einfach dezent zurück zu nehmen. Das ist gut und klug. Denn wenn man das abfordert, was man der Model 12 vom Augenschein her unterstellt – nämlich brachiale Pegelfestigkeit – passiert gemeinhin folgendes: die Bässe werden immer schlanker und die Mitten greller.
Mit dem kräftigen Dreh am Lautstärkeregler nach rechts verliert auch die Model 12 etwas an satter Schwärze im Bass. Er wird dann etwas knochiger und präziser. Die Mitten aber bleiben neutral-dezent. Und die Höhen klingen aufgrund ihrer Verzerrungsarmut sowieso ungemein authentisch. Und so wird das Hören an der Schmerzgrenze überwältigend beeindruckend. Einfach weil die Model 12 so angenehm bleibt.
Der Techno Klassiker “Insomnia” von Faithless schiebt ja gigantische Bässe vor sich her. Die Model 12 verzichtet auf die unterste Oktave, drückt die Synthesizer-Bässe mit viel Energie und Nachdruck in den Hörraum. Und der Hochtöner folgt den zum Teil bissigen Synthesizer-Linie völlig mühelos. Ich saß auf dem Sofa und ließ mich eine halbe Stunde lang mit Yello, Underworld und befönen. Wow. Die Model 12 zeigt selbst bei höchstem Pegel eine souveräne Ausgewogenheit. Es stört nichts, aber diese Performance reißt den Zuhörer mit. Ich meine: Das hat in dieser Klasse absoluten Seltenheitswert.
Ein Vergleich mit der etwa gleichteuren Retro-Box JBL L100 drängt sich auf. Auch die Amerikanerin (die bei LowBeats den Maximalpegel-Rekord hält) ist ja ein Hochwirkungsgrad-Speaker, arbeitet ebenfalls mit einem üppigen 30 cm Bass und macht vor allem bei sehr lautem Pop und elektronischer Musik richtig viel Spaß. Die JBL ist eine 3-Wege-Box und geht klanglich sehr viel flotter los. Allerdings ist die JBL nicht unbedingt allgemeintauglich. Für Klassik und Chöre sind ihre sehr kernigen Mitten recht anstrengend.
Und das ist vielleicht das größte Plus der Model 12. Sie ist ein durch und durch kultivierter Lautsprecher, der nicht nur den Techno-Hochpegelauftritt beherrscht, sondern auch mit klassischer Musik bei kleinen Lautstärken bestens zurecht kommt. Lobens- und liebenwert.
Fazit
Ulf Moning wollte ein Statement setzen. Das ist ihm gelungen. Die Dynamikks Model 12 sieht nicht nur sensationell authentisch aus, sie klingt auch bestechend gut, ist erfreulich effizient und Röhren-geeignet und kann (den richtigen Verstärker vorausgesetzt) Pegel fahren, dass einem Angst und Bange wird. Gemessen daran, ist der Preis von 4.000 Euro – man kann es nicht anders sagen – selten günstig.
Für diesen Preis bekommt man bei Dynamikks ein außergewöhnliches Klangmöbel, das selbst auf den zweiten und dritten Blick den Eindruck vermittelt, auch in 30 oder 40 Jahren noch lustvoll und wacker laut zu spielen.
Allerdings muss Moning für die sehr faire Preisgestaltung den Fachhandel umgehen. Diese Lautsprecher hört und kauft man bei Dynamikks in Birkenau oder man lässt sich den wuchtigen Zweiteiler per Spedition nach Hause liefern, um ihn dort in den eigenen vier Wänden auszuprobieren. Dieses Angebot gilt allerdings nur für Deutschland: Wahrscheinlich werden uns die HiFi-Fans weltweit beneiden, aber die knuffige Model 12 gibt es exklusiv nur hierzulande.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Druckvoll fester, erstaunlich feiner Klang |
| Hoher Wirkungsgrad & ungemein pegelfest, Röhren-tauglich |
| Sinnvolle Pegelregler für Mitten und Höhen |
| Originelles Retro-Design, exzellente Verarbeitung |
Vertrieb:
Dynamikks
Balzenbacher Str. 66a
69488 Birkenau
Telefon: 06201 32297
www.dynamikks.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Dynamikks Model 12: 4.000 Euro
Im Test erwähnt:
Test Kompakt-Monitor Sky Audio Verdade II – the missing Link
Test Hochpegel-Retrobox JBL L100 Classic: the return of the Seventies
Test Atoll IN 400 SE: bester Vollverstärker unter 5.000 Euro?
Test 300B-Röhrenverstärker Fezz Audio Mira Ceti
Test Canor AI 2.10: Hybrid aus Röhre und Class D
Test DA-Wandler Merason DAC-1: der Klangpurist
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