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Sennheiser HD 660 S Test Aufmacherbild
Offener Over-Ear-Kopfhörer Sennheiser HD 660 S; 499 Euro (Foto: Sennheiser)

Test Sennheiser HD 660 S – der bezahlbare High-End-Hörer

Wenige Monate vor dem großen Auftritt des geschlossenen Sennheiser HD 820 auf der High End 2018 präsentierte der Kopfhörer- und Mikrofonspezialist aus Hannover den hier vorgestellten, offenen HD 660 S. So kam es, dass dieser ein wenig im Schatten seines großen Bruders segelte. Völlig zu Unrecht, schreibt doch der Sennheiser HD 660 S eine weltweit beispiellose Erfolgsgeschichte konsequent fort.

Tatsächlich hätte Sennheiser in Sachen Marketing hier einen ganz dicken Aufschlag machen können. Schließlich begann diese Erfolgsstory von genau 25 Jahren mit dem noch heute sehr geschätzten HD 580 Precision. Dieser wies bereits 1993 die technische DNA auf, die dem Sennheiser HD 660 S nach wie vor zugrunde liegt – mehr dazu im Technik-Kapitel.

Zunächst sei jedoch beschrieben, was der Musikfreund mit dem Sennheiser HD 660 S für rund 500 Euro denn nun bekommt. Nimmt man den 660 S aus seiner mitgelieferten, soliden Klappbox, wirkt er im Vergleich zu den heutzutage üblichen Dickmann-Hörern recht filigran. In puncto Langzeit-Tragekomfort bedeutet dies allerdings einen Vorteil, wiegt doch der HD 660 S mit 260 Gramm gerade mal halb so viel wie einige seiner Konkurrenten.

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Sennheiser HD 660 S side view
Das seidenmatt-schwarze Outfit steht dem Sennheiser HD 660 S ganz hervorragend (Foto: Sennheiser)
Sennheiser HD 660 S front view
Profil und Mechanik übernahm der Sennheiser HD 660 S von seinem Vorgänger HD 650. Sein Tragekomfort ist vorbildlich (Foto: Sennheiser)
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Als seit nunmehr 20 Jahren zufriedener Sennheiser HD 600 und HD 650 Nutzer kann ich zudem aus eigener Erfahrung sagen: Die Mechanik ist robuster, als sie scheint. Während der ganzen Zeit ist mir niemals ein „zerlegter“ 6-xxer begegnet. Auch weltweit liest man in den entsprechenden Foren kaum Beschwerden über mangelnde Stabilität.

Sehr wohl jedoch über die etwas spüllerigen Steckverbinder an den Ear Cups, die ein Auswechseln des Anschlusskabels ermöglichen. Deshalb hat Sennheiser beim HD 660 S hier auch nachgelegt: Zwar blieb die ursprüngliche Steckernorm erhalten, sodass auch die älteren Kabel noch passen. Jedoch weisen die mitgelieferten Kabel (siehe Foto) nun angespritzte Stecker mit deutlich verstärkten Griffstücken auf, was die mechanischen Kräfte besser auffängt und verteilt.

Sennheiser HD 660 S Pentaconn Cable
Im Lieferumfang des Sennheiser HD 660 S befindet sich ein zweites Anschlusskabel mit 5-poligem Pentaconn-Stecker. Deutlich verstärkt zeigen sich die Griffstücke der hörerseitigen Stecker (oben) (Foto: Sennheiser)

Sennheiser HD 660 S – Praxis

Mit 150 Ohm fällt die Kapselimpedanz beim Sennheiser HD 660 S nur halb so hoch aus wie beim direkten Vorgängermodell HD 650 (300 Ohm). Bezweckt hat Sennheiser damit offensichtlich eine günstigere elektrische Anpassung an die Kopfhörerausgänge von mobilen Zuspielern, um höhere Lautstärkepegel erzielen zu können.

Sennheiser gibt für den HD 660 S einen Schalldruckpegel von 104dB bei einer Eingangsspannung von 1 Volt an. Umgerechnet auf den üblichen Bezugswert (Eingangsleistung 1 Milliwatt) entspricht das einem Kennschalldruckpegel von knapp 96 dB. Zum Anschluss an den heimischen Kopfhörer-Amp ist das ein sehr guter Wert – für den direkten Betrieb mit Smartphone & Co jedoch noch immer nicht üppig. Der Grund: Um die europäische Gehörschutznorm EN 50332 zu erfüllen, dürfen solche Geräte nicht mehr als 150 Millivolt Ausgangsspannung bereitstellen. Ein mobiler Kopfhörer-Amp ist für den Sennheiser HD 660 S daher empfehlenswert – beispielsweise der Teac HA-P5 oder der Apogee Groove. Nicht umsonst also bietet Sennheiser letzteren auch als Bundle mit dem HD 660 S an (aktuell 549 Euro).

Sennheiser HD 660 S cable adaptor
Sehr praktisch: Dem Sennheiser HD 660 S liegt ein Kabeladapter zum Anschluss an Mobilgeräte mit 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse bei (Foto: Sennheiser)

Alternativ dazu kann man den Sennheiser HD 660 S jedoch auch an mobilen Hi-Res-Playern betreiben. Optimal sind solche mit symmetrisch beschaltetem Kopfhörerausgang, beispielsweise der herausragende Questyle QP2R. In diesem Falle erhält man die entscheidenden 6 Dezibel mehr an Lautstärkepegel, mit denen es dann richtig Spaß macht. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein (optionaler) Adapter von 4,4-Millimeter-Pentaconn-Buchse auf den bei vielen mobilen Geräten mit symmetrischem Kopfhöreranschluss erforderlichen 5-poligen, 2,5-mm-Klinkenstecker.

Sennheiser HD 660 S – Technik

Ein Kennzeichen offener Kopfhörer ist, dass bei ihren Wandlern in der Regel eine akustisch definiert durchlässige Verbindung von der ohrzugewandten zur nach außen weisenden Membranseite besteht. Beim Urvater der offenen Kopfhörer, dem Sennheiser HD 414, erfolgte dieser „akustische Nebenschluss“ über die offenporigen Schaumstoff-Ohrpolster sowie rückseitige Durchbrüche in den Wandlergehäusen (die meisten Grado-Modelle arbeiten heute noch so).

Nachteil dieser Methode: Die Materialeigenschaften der Schaumstoffohrpolster (einschließlich ihrer Verschleiß-Erscheinungen) tragen entscheidend zur Datenkonstanz und den Tiefton-Klangeigenschaften bei. Daher machte Sennheiser-Chefentwickler Axel Grell anno 1993 beim HD 580 Precision einen cleveren Schachzug. Statt sich auf stark streuende und zudem verschleißgefährdete Schaumstoff-Ohrpolster zu verlassen, verlegte er den Löwenanteil des akustischen Nebenschlusses direkt ins Wandlergehäuse. Der Vorteil: Die akustische Kopplung zwischen Membranvorder- und -rückseite war jetzt auch dann weitgehend gewährleistet, wenn die Ohrpolster „schwächeln“ oder ihre Passform anatomisch nicht ganz optimal ausfällt.

Sennheiser HD 660 S flow resistor
Kennzeichen aller Sennheiser Hörer der 600er-Serien ist die akustisch definiert durchlässige Schallwand. Sie bewirkt einen vom Zustand der Ohrpolster weitgehend unabhängigen, akustischen Nebenschluss. (Foto: J. Schröder)

Ein weiteres Highlight beim Sennheiser HD 580 Precision war die sogenannte Duofol-Membran: Sie bestand aus zweilagiger Polyesterfolie (Handelsname Mylar), was Formstabilität und innerer Dämpfung gleichermaßen zugutekam. Mit den Modellen HD 580 Jubilee (1995), HD 600 (1996) und HD 650 (2003) zeigten sich Gehäuse, Membran und akustischer Nebenschluss über die Jahre hinweg kontinuierlich optimiert. Dem ursprünglichen Konzept blieb Sennheiser jedoch bis zum heutigen Tage treu.

Neu beim Sennheiser HD 660 S sind allerdings die Wandlersysteme: Diese entstammen dem größeren Modell HD 700, welche ebenfalls einen Durchmesser von etwa 44 Millimeter aufweisen. Im Gegensatz zu den Wandlern der Vorgänger sind ihre Polkernbohrungen jedoch rückseitig mit einem feinmaschigen Metallgeflecht versehen, sodass die von der Membranrückseite bewegte Luftmenge ungehindert durchströmen kann. Die verbesserte Ventilation vermeidet Luftwirbel, was geringere Verzerrungen zur Folge hat. Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass die beiden Wandler für einen Sennheiser HD 660 S auf eine Pegelgleichheit von +/- 1 Dezibel gematcht werden.

Sennheiser HD 660 S – Hörtest

Es käme tatsächlich einiges an Lebenszeit zusammen, würde ich alle Hörsitzungen mit meinen beiden Sennheiser HD-6xx-Hörern aufsummieren. Da die klanglichen Unterschiede zwischen ihnen zwar deutlich hörbar, jedoch nicht weltbewegend ausfallen, war ich natürlich besonders neugierig, wie sich der neue Sennheiser HD 660 S hier einreihen würde. Wohlwissend, dass viele HD-6xx-Fans nicht ohne Grund wissen wollen, wer da nun genau mitspielte – hat es doch bei diesen Modellen immer wieder kleine, aber nicht ganz unwichtige Änderungen gegeben: Als Vergleichshörer dienten ein HD 600 sowie ein HD 650, beide jeweils aus den ersten Chargen mit Seidengewebe-bespannten Schallwänden.

Weil er genügend Platz zum Ablegen aller drei Hörer bietet, begann ich mit den Hörtests am LowBeats-Video-Schnittplatz. Hier hat sich als DAC-Headphone-Amp der Questyle CMA400i mittlerweile fest etabliert. Eine gute Wahl, wie auch die erste Inohrenscheinnahme des Sennheiser HD 660 S erneut bestätigte. Denn dieses Team spielte derart perfekt zusammen, dass ich jeglichen Vergleich vergaß und zunächst mal einige Stunden nur Musik hörte.

Triumvirat Sennheiser HD 660 S; HD 650 and HD 600
Triumvirat: Das Hörer-Trio Sennheiser HD 660 S; HD 650 und HD 600 (v. l. n. r.; Foto: J. Schröder)

Das lag nicht zuletzt daran, dass das amerikanische Indie-Label Jumpsuit Records just an diesem Abend ein neues Album auf dem Musikportal Bandcamp veröffentlichte – Land Of The Lush von Polish Ambassador & The Diplomatic Scandal. Der Albumtitel ist Programm, denn hier gibt’s tatsächlich von allem reichlich: Wunderbar arrangierte Songs mit gefälligen (aber nicht trivialen) Melodien; eine reizvoll-symbiotische Kulisse aus elektronischen und natürlichen Instrumenten, dazu noch fabelhaft aufgenommen mit prächtigen Klangfarben, wohlproportioniertem Bass und atmosphärischen Hallräumen. Mit diesem Programm konnte der Sennheiser HD 660 S tatsächlich zeigen, was in ihm steckt.

Nach mindestens eineinhalbmaligem Durchhören des Albums war ich restlos begeistert vom Klang des Sennheiser HD 660 S. Absolut betrachtet hatten es mir besonders die substanziellen, klaren Klangfarben und die für einen Hörer dieser Preisklasse geradezu phänomenale Transparenz angetan. Das muss man wirklich mal erlebt haben, wie erfrischend rotzfrech die Rhythmusgitarre im Intro von Savor The Sun reingrätscht. Stets aufs Neue auch faszinierend, wie realistisch diffus und transparent der Sennheiser HD 660 S Hallräume ausklingen ließ.

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Trotz all dieser genannten Tugenden konnte ich es zunächst nur schwer in Worte fassen, warum der HD 660 S klanglich dermaßen fesselte. Dazu brauchte es weitere, intensive Hörvergleiche, bei denen auch der größere DAC-Headphone-Amp Questyle CMA600i zum Einsatz kam. Doch irgendwann wurde mir schlagartig klar. Der HD 660 S war nicht nur derjenige im Trio mit dem substanziellsten, natürlichsten Klangbild – sondern auch der, der dem Klangeindruck hochwertiger Lautsprecher am nächsten kam. HD 600 und HD 650 sind und bleiben gute Kopfhörer – dem Sennheiser HD 660 S jedoch mussten sich beide geschlagen geben.

Sennheiser HD 660 S with Questyle CMA600i
Ein klangliches Traumpaar: Sennheiser HD 660 S mit dem DAC-Kopfhöreramp Questyle CMA600i. (Foto: J. Schröder)

Seinen Meister fand der HD 660 S dann schließlich doch in der eigenen Verwandtschaft: So reproduzierte der Sennheiser HD 800 S tonal einen Hauch differenzierter. Tiefe Lagen kamen zudem nochmals artikulierter und mit mehr Autorität – beides gut zu hören beim klangfarbenreichen Halcyon von Akal Dub.

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Dennoch war es absolut erstaunlich, wie dicht der Sennheiser HD 660 S hinsichtlich Klangbalance zum deutlich kostspieligeren HD 800 S aufschloss. Das S trägt der HD 660 in seinem Namen definitiv nicht umsonst, liegt er doch vom Timbre her näher am großen 800er als an seinen 600-Brüdern.

Sennheiser HD 660 S – Fazit

Unbestritten ist, dass die weltweit meistverbreiteten und geschätzten, offenen HiFi-Kopfhörer allesamt den Sennheiser-HD-600-Familien angehören. Mit Fug und Recht stellen sie einen anerkannten Quasi-Standard dar. Diese Tradition führt auch der Sennheiser HD 660 S im besten Sinne fort. Hinsichtlich Natürlichkeit, Klangfarbenplastizität und Durchzeichnung kann sich der HD 660 S von seinen Vorgängern allerdings deutlich absetzen, womit er die Messlatte in der Preisklasse unter 750 Euro nochmals ein gehöriges Stück nach oben verschiebt. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass seine Klangsignatur auch im kommenden Jahrzehnt hier als Maßstab gelten wird.

Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Sennheiser HD 660 S absolut hochkarätige Klangeigenschaften zu einem vergleichsweise geringen Budget ermöglicht – was man in Zeiten geradezu astronomischer Preise im High End gar nicht hoch genug bewerten kann. Damit setzt Sennheiser ein deutliches Zeichen.

Kopfhörer kommen und gehen – über den Sennheiser HD 660 S jedoch wird man auch noch in vielen Jahren hören und sprechen. Nicht nur im derzeit angebotenen Bundle-Kombipack mit dem exzellenten Apogee Groove für zusammen 549 Euro ist er ein absoluter No-Brainer. Gratulation nach Hannover!

Sennheiser HD 660 S
2018/12
Test-Ergebnis: 4,8
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Substanziell-natürlicher, transparenter Klangcharakter
Sehr hohe Auflösung und lebendige Spielweise
Ausgezeichneter Tragekomfort
Zwei Anschlusskabel plus Adapter im Lieferumfang

Vertrieb:
Sennheiser GmbH & Co. KG
Am Labor 1
D-30900 Wedemark
www.sennheiser.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Sennheiser HD 660 S: 499 Euro
mit Apogee Groove: 550 Euro

Im Beitrag erwähnt:

Test Over-Ear Kopfhörer Sennheiser HD 820: Der Geniestreich
Test mobiler DAC-Kopfhörerverstärker Teac HA-P5
Test mobiler Headphone-DAC Apogee Groove
Test Digital-Audio-Player Questyle QP2R: High End mobil
Test Kopfhörer-Vorverstärker Questyle CMA400i
Test Questyle CMA600i: DAC, Pre- und Headphone-Amp

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Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.