Da machen wir mal kein Politikum heraus: Ja, der neue Cayin Jazz 80 kann auch Bluetooth. Sogar in der höchsten Güteklasse. Weit spannender ist aber die Top-Ausstattung mit vier KT88-Röhren – plus der verführerischen Option, ob man im Trioden- oder Ultralinear-Modus lauschen möchte.
Wahrscheinlich liegt es an uns. Ein Röhrenvollverstärker mit einem Bluetooth-Modul passt nicht zwingend in die Wertewelt vieler High-End-Verfechter. Stehen Röhren doch für die Noblesse alter Tage, Bluetooth hingegen für den schnellen Musikkonsum einer zumeist jungen Zielgruppe, verlustbehaftet noch dazu. Doch so einfach ist die Argumentationskette nicht. Da hilft der Blick auf die Zahlen: Die Jugend facht das Geschäftsmodell des Streamings an, auch bei den Vinylkäufen. Eine bewusste Spreizung in die Moderne und das wohlige Gefühl am Retro-Trend.
Aber was ist denn so schlimm an Bluetooth? Jetzt nicht an das Handy-Protokoll von Ericsson aus den 90er-Jahren denken. Der Name selbst ist ein nettes Spiel, gewidmet dem dänischen König Harald Blauzahn. Der vereinte sein Land mit norwegischen Provinzen – also ein Brückenbauer, ganz im Sinne des Bluetooth-Standards. Die Bausteine waren einst teuer, heute hingegen Massenware. Außer, man will das Besondere.
Eben wie Cayin im Jazz 80. Die Ingenieure haben schon zuvor hier und da die Bluetooth-Option eingebaut, sich jetzt aber für das aktuelle LDAC-Protokoll entschieden. Der „Low Delay Audio Codec“ ist schnell, die Übertragungsrate liegt bei 990 kBit/s. Sony steht hinter der Entwicklung, eine Tiefe von 24 Bit ist möglich, bei einer Sampling-Rate von 96 Kilohertz. Genau mit diesem Versprechen gehen auch Samsung und die weniger bekannte Savitech-Corporation auf Kundenfang. Da droht ein Machtkampf und das Verwirrspiel für die Konsumenten. Primär dürfen beim Cayin aktuell nur die Android-Nutzer das volle Potential ausschöpfen, ein Betriebssystem ab 8.0 vorausgesetzt.
Also bin ich mit meinem iPhone aufgeschmissen? Natürlich nicht, ich habe es selbst ausprobiert – komplett problemlos, aber eben an Apples AAC Bluetooth-Codec gebunden, apt-X und apt-X HD wären ebenso selbstverständlich. Als Aktiva in der Hardware vertraut Cayin einem Chip von Qualcomm plus einem 32-Bit-Wandler von Sabre, dem ES9018K2M. Der ist einzig für die Bluetooth-Wandlung abgestellt, könnte aber auch als offener DAC weitere Wundertaten vollbringen.
Der Aufbau, die Optionen des Cayin Jazz 80
Die Designer stellen die Bluetooth-Option sehr dezent aus. Das Eingangswahlrad links rastert zwischen drei Cinch-Eingängen und eben hart rechts mit der kabellosen Variante. Ignorieren lässt sich Bluetooth nur dann nicht, wenn man die beigefügte Antenne auf der Rückseite senkrecht aufstellt. Geschmacksfrage, man hat die freie Wahl, es ginge auch waagrecht, je nach Stabilität der Verbindung. Kernfrage hingegen: Strahlt das Bluetooth-Modul in die analoge Schaltung, höre ich Artefakte? Natürlich nicht, Cayin hat den Baustein bewusst in einem eigenen Subgehäuse verkapselt, alles hyperstabil, wie wir es von Cayin kennen. Seit 30 Jahren sind die Chinesen auf dem Weltmarkt unterwegs, seit 1996 für den deutschen Vertrieb von Thomas Deyerling. Es gibt etwas zu feiern, vor allem, dass das Versprechen von Röhrenqualität bei erschwinglichen Preisen ungebrochen funktioniert.
Cayin wirkte auf mich immer – und durch alle Produktsparten hinweg – ausgesprochen nobel. So ist auch das Auspacken des Jazz 80 fein inszeniert. Baumwollhandschuhe liegen ganz oben im Karton, Muskelkraft ist angebracht, 17 Kilogramm wollen gehoben werden.
Auch vor der Lieferung braucht es einen gewissen Krafteinsatz – beim Denken. Denn den Jazz 80 gibt es in zwei Varianten. Silbern und schwarz – klar. Aber auch mit vier den KT88 oder vier EL34 in der Leistungsstufe. Die Farbe ist beim Preis egal, doch mit KT88 liegt der Jazz um 200 Euro über der EL34-Variante mit ihren 2.000 Euro. Bei LowBeats sind wir Snobs und haben uns natürlich für die Think-Big-Option entschieden. Macht auch optisch was her – die KT88 stahlen Sixpack-Erotik aus, die EL34 wirken eher wie Asketen.
Der Vorbau ist in beiden Modellen gleich. Zwei 12AX7 in der Spannungsverstärkung kombiniert Cayin mit einem Doppelpack 12AU7. Hausmannskost mit vier Doppeltrioden im besten Sinne, doch mit einem weiteren Entscheidungskick für den Besitzer – der Jazz 80 kann als Triode aufspielen oder im Ultralinear-Modus. Ein kleiner Kippschalter auf der Oberfläche entscheidet – wie so oft bei Cayin-Amps – zwischen „TR“ und „UL“.
Noch vor unserem Hörtest gibt es eine klare Empfehlung: Im Trioden-Modus sollten die Lautsprecher keine Leistungsfresser sein, hier liegen „nur“ zweimal 20 Watt an. Wer große Standboxen befeuern will, wärmt sich am besten an der Ultra-Linear-Schaltung, die die Leistungs-Ausbeute verdoppelt.
Es muss ein Tick sein, aber erstaunlich viele Röhrenfans wollen die Bias nicht nur überprüfen, sondern gleich nachregeln. Muss man nicht bei Cayin, hier wurde alles schon ab Werk justiert. Wer dennoch die Finger nicht davonlassen kann oder einmal neue Röhren braucht – die Frontanzeige kann nicht nur mit dem Level pulsieren, sondern verwandelt sich auf Klick auch in einen Ruhestrom-Monitor. Nett gemacht, schlau gedacht. Auf der Front, gleich neben dem Quell-Rad, liegt eine Kopfhörer-Muffe im 6,3er-Format – die wirklich gut klingt, überraschend hoch im Pegel und natürlich mit dem Cayin-Röhrencharme.
Wer faul im Hörsessel die Beine ausstrecken will – auch eine Fernbedienung legt Cayin bei. Das ist ein Riegel aus Vollmetall, ansprechend reduziert auf vier Druckpunkte und selbst in der Finsternis mit sensiblen Fingern zu steuern. Die unteren beiden Tasten aktivieren das Lautstärke-Rad, hinter dem Cayin ein Motormodell von Alps verbaut hat.
Innenleben und Praxistipps
Wir wollen einen Blick in das Innenleben werfen. Dazu müssen die 17 Kilo umgedreht und ein Kreuzschraubenzieher bemüht werden. Erstaunlich und sofort ersichtlich – hier haben keine Fließbänder, keine Maschinen gewerkelt, sondern primär Menschen. Die Verkabelung und der gesamte Innenaufbau sind personalintensiv. Die Architektur des Jazz 80 ähnelt einem Wohnhaus mit mehreren Geschossen. Doch zu eng darf es nicht werden, die Wärme muss ventilieren. Massive Elkos, große Kondensatoren und eben das im eigenen Subgehäuse untergebrachte Bluetooth-Modul.
Eine kleine Entscheidungsfindung ist noch beim Erstkontakt mit den Lautsprecherkabeln nötig. Denn es gibt pro Kanal drei Schraubklemmen. Wie hätten wir es gern? An vier oder an acht Ohm? Das gibt der Lautsprecher vor, wer zögert, ist bei vier Ohm auf der besseren Seite.
Einschalten – und warten. Der Jazz 80 bringt sich langsam auf Betriebstemperatur. Eine halbe Gedenkminute sollte man sich Zeit nehmen. Die VU-Meter glimmen nicht warm-weiß, sondern eher in der Farbe einer reifen Orange. Dazu noch das tiefere Rot der Röhren – die man vor Katzenpfoten und Kinderfingern auch unter einem geschlitzten Metallkorb verbergen kann. Der ist nicht fest verschraubt, sondern aufgesteckt; man kann also nach Laune seine ästhetischen Vorlieben ausleben.
Wie schon angedeutet ist der Cayin Jazz 80 ein Leistungs-Monster – die angeschlossenen Lautsprecher sollten also für einen zupackenden Pegel a.) über einen ordentlichen Wirkungsgrad (möglichst oberhalb 88 dB) verfügen und b.) einen möglichst linearen Impedanzverlauf haben. Für den Hörtest hatten wir uns deshalb die Harwood LS 5/9 (88 dB, 6,7 Ohm) und die Scansonic HD MB5 B (92 dB, 2,8 Ohm) herausgesucht.
Der Klang – Finessen und typische Cayin-Werte
Der erste Klangeindruck: Das ist kein Verstärker, der auf Einschüchterung setzt. Alles wirkt strukturiert, dezent, feinnervig. Das sind genau die Werte, für die Cayin steht. Deshalb habe ich mir beispielsweise auch einen portable High-Res-Player von Cayin zugelegt, der kann auch eine Röhrenstufe anwerfen – faszinierend in dieser kompakten Bauweise. Aber nicht ablenken. Ich wollte damit nur sagen, dass mir der Cayin-Sound vertraut ist und er genetisch in der Company verankert erscheint. Der Jazz 80 trägt seinen Namen nicht aus Zufall. Zum einen ist er hochmusikalisch, zum anderen aber eher ein Freund des kleinen Jazzkellers, des lebendigen Musizierens auch im eher kleineren Hörraum.
Elegante Überleitung – zu einer neuen Jazz-Aufnahme. Mit einer überraschenden Instrumentierung auf zwei Klavieren. Ein Altmeister und ein Jungmeister. Michael Wollny verbrüdert sich mit dem 34 Jahre älteren Joachim Kühn. Es könnte fett und virtuos werden, doch die beiden leben den Minimalismus aus. Der kleine Cayin spielte vom ersten Track an mit; wenn es wirklich so etwas wie akustischen Fotorealismus gibt, dann konnte man die langgestreckten Flügel vor den Ohren sehen. Andere Verstärker kaprizieren sich auf die Saiten, die hellen Momente.
Der Jazz 80 suchte eher das Holz und die Filzhämmer. Also alles auf Wärme getrimmt? Das wäre das Röhrenklischee. Doch der Cayin kann auch aufbrausend. Bei „Aktiv“ werden die zwanzig Finger ungebändigt, es grummelt, dann ein harter Schlag in den Diskant. Dieser plötzliche Dynamikschub – der Kleine konnte es, wie er überhaupt in unserem Hörraum ein großartiger Vermittler von feindynamischer Informationsdichte war.
Jetzt aber mal den ganz großen Dynamik-Booster herausgeholt. Idles beginnen ihr neues Album „TANGK“ mit drohenden Schlägen auf die große Basstrommel. Was ist das, was wird das? Da wäre „Rock“ ein zu sanftes Wort, „Punk“ würde es eher treffen. Bei „Gift Horse“ schrammen die Gitarren in ungehemmter Aggressivität. Der kleine Cayin geht nicht in die Knie. Im Gegenteil. Das hatte den Charme von schön-schmutzigen Gitarren-Amps auf der Live-Bühne. Rohkost, am besten laut gehört.
Womit ein Elefant im Hörraum stand. Lieber im Trioden- oder Ultralinear-Modus hören? Bei den beiden Jazz-Pianisten klang die Trioden-Option „richtiger“, federnd, nicht fordernd. Im Gegensatz zu den Punks, die nach härterem Schub riefen, klar eine Aufgabe für den Ultralinear-Kick. Toll, dass Cayin beide Optionen vereint, ohne Aufwand, ein kleiner umgelegter Schalter wirkt wie Harry Potters Zauberstab. Würde alles nicht funktionieren, hätte Cayin bei der Stromaufbereitung gespart. Doch die ist üppig und macht den Löwenanteil der 17 Kilo Lebendgewicht aus.
Schnell mal zum Reset einen Transistor-Verstärker aus dem Regal holen. Der Denon PMA-1700NE ist sicherlich kein schweißtreibender Vorkämpfer seiner Bauart. Auch er ist eher auf edel gebürstet. Aber eine Spur schneller in der Übertragung der großen Impulse. Doch der Cayin gab Gegenwind. Das wirkte im direkten Vergleich alles eine Spur selbstverständlicher in den dynamischen Raffinessen und vor allem in der Informationstiefe von Raum und schlichter Musikalität. Wenn denn die Boxen mitspielen. Die sollten effizient und tempofreudig sein.
Und die Bluetooth-Option? Ja, funktioniert, wirkt souverän. Aber eben eine Option. Der gleiche Song von einem guten Streamer per Cinch zugefüttert, hatte mehr Strahlkraft und Tiefenschärfe. Doch als Kaufanreiz kombiniert Cayin hier einen Zusatzwert mit hoher audiophiler Ambition.
Fazit Cayin Jazz 80
Wieder ein Baustein mit Sinn und Sinnlichkeit für den Cayin-Katalog. Die Verarbeitung ist makellos. Dazu dieses elegante, fließende Musizieren. Tonal habe ich manche Lieblingsplatten selten stimmiger erlebt. In der richtigen Konstellation entfaltet der Neuling auch Druck und Schub. Der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Modi lockt den Spieltrieb – doch schnell wird der Fan sich auf die Trioden-Seite schlagen. Am überzeugendsten allerdings ist womöglich das exzellent klingende Bluetooth-Modul. Das macht den Jazz 80 fit für die Jetzt-Zeit.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Eleganter, zutiefst musikalischer Grundcharakter |
| Hochklassiger Kopfhörer-Ausgang auf der Front |
| Modernste Form des Bluetooth eingebaut |
| Per Klick wahlweise im Trioden- oder Ultralinear-Betrieb |
Vertrieb:
Cayin Audio Distribution GmbH
An der Kreuzheck 8
61479 Glashütten-Schlossborn
Telefon: 06174-9554412
www.cayin.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Cayin Jazz 80 (EL34): 2.000 Euro
Cayin Jazz 80 (KT88): 2.200 Euro
Technische Daten
Mit- und Gegenspieler:
Test: Vollverstärker Denon PMA-1700NE mit D/A-Wandler
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