So schön High-End auch sein mag – manchmal erinnert mich unsere Branche an einen Rummelplatz. Viele Firmen poppen auf, um nur wenige Jahre später wieder zu verschwinden. Hier ein Highlight, dort eine Sternschnuppe. Da kommt es einem Wunder gleich, welche Zahl Denon letztes Jahr verkündete: 110. Das sind die gesammelten Jahre seit der Firmengründung. Im Jahre 1910 fertigten die Japaner ihr erstes Grammophon – siehe auch unser History-Portrait. Damit gehört Denon zu den ältesten Companys der Unterhaltungselektronik. Rechtzeitig zum Jubiläum brachten die Japaner eine kleine, feine Anzahl von Geräten heraus – natürlich aufs Feinste getunt, natürlich limitiert. Deshalb ließen wir die Testfinger vom Jubiläums-Vollverstärker Denon PMA-A110: warum ein Gerät testen, das demnächst ausläuft?
Doch jetzt erreichen uns andere Botschaften aus dem Denon- beziehungsweise Sound-United-Headquarter: Der PMA-A110 bleibt uns die nächsten Jahre erhalten und wird dauerhaft das neue Verstärker-Flaggschiff der Traditionsmarke. Eine gute Entscheidung: Uns jedenfalls hat dieser prachtvolle, bis zum Stehkragen vollgestopfte Japan-Amp echt viel Freude gemacht.
Wer den PMA-A110 von außen erblickt, wird sofort anmerken, dass er dem PMA-2500NE doch erstaunlich ähnlich. Tatsächlich vollführt Denon hier eine Rolle vorwärts. Der PMA-2500NE ist das Muttertier, der PMA-A110 gibt den Part des verfeinerten Einzelgängers. Wo liegen die Unterschiede? Die komplette Architektur ist ausgetauscht. Wurde zuvor die Lautstärke-Regelung rein mechanisch geregelt, so gibt es nun einen Motor im Hintergrund. Vollständig wird auch der USB-Eingang angekoppelt.
Dazu werden alle Eingänge hochwertig verkapselt. Der 2500er wird in Stahl erschaffen, der 110er hingegen durchgehend aus Aluminium. Der PMA-2500NE kostet 2500 Euro und ist seit vielen Jahren eine feste Größe im HiFi. Der PMA-110 hat die neueste Denon-Technik (vor allem die Wandler an Bord), die besseren Bauteile und liegt bei 3600 Euro. Würde man die beiden nebeneinander hören, würde schnell deutlich, dass die besseren Bauteile auch den besseren Klang bringen. Die Analogstufe des PMA-A110 klingt “nur” etwas offener und feiner. Sein DAC aber ist bedeutend besser: präziser, feiner, auf der ganzen Linie souveräner. Doch der Vergleich verbietet sich. Der 2500er läuft ersatzlos aus, an seine Stelle tritt jetzt der Jubiläums-Amp.
Die Technik des Denon PMA-A110: „Ultra High Current Single Push Pull MOS“
Zuerst der Blick unter die Haube: Denon wird doch nicht tatsächlich sein Flaggschiff auf irgendwelchen Fließbändern in China verbaut und vereint haben? Natürlich nicht. Dieser Amp entsteht von der ersten Lötstelle bis zur letzten Schraube in Shirakawa, im japanischen Mutterhaus von Denon. Das liegt fast mittig auf der großen Insel. Was auch die gehobenen Fertigungspreise argumentieren lässt. Zumal zum Jubiläum auch die Ingenieure ihre Wunschliste aufmachen durften: Achtet nicht auf die Kosten, erlaubt ist, was gut ist.
Genauso sieht dieser Amp in seinem Innersten aus. Was fasziniert mich als erstes? Es sind die beiden Trafos in der Mitte. Die Denon natürlich nur für sich in eigener Regie wickeln lässt. Da gibt es eine Banderole mit dem Firmennamen. Die beiden Stromaufbereiter liegen sich asymmetrisch gegenüber. Stör-Felder sollen so ausgeblendet werden.
Dann ein Kürzel, auf das die Denon-Entwickler besonders stolz sind: „UHCS”. Das steht für „Ultra High Current Single“, der Nachname lautet „Push Pull MOS“. Das sind vier Endstufen-Transistoren, die 210A Spitzenstrom liefern können. Das ist ein hochkarätiges Aufgebot auch für kritische Lautsprecher, schnell und potent. Die nötigen Kühlkörper wirken wuchtig und sogar kanalgetrennt. Wie der komplette Aufbau in unterschiedlichen Kammern erscheint. Ein Mehrfamilienhaus. Beispielsweise wird die Stromversorgung für die Digital-Platine einem eigenen Schaltnetzteil überantwortet. Alles wird in diesem Verstärker verbrüdert und doch klanglich-sensibel getrennt. Denon zeigt sich hier als ehrenwerter Herr, der alle Spielregeln des High-Ends leibhaftig ausgetestet hat. Ein potenzieller Fetisch.
Es gibt noch ein Heer an Zugaben. Beispielsweise eine ambitionierte Phonoplatine – für MM- wie MC-Signale. Umfassend diskret eingebunden. Das gönnt sich sonst kaum ein Hersteller. Denon umgarnt damit auch die Vinyl-Fraktion, obwohl dieser Vollverstärker fast noch stärkere Argumente für die digitale Seite bringt…
Denn Denon implantiert seinem neuen Flaggschiff-Verstärker auch einen Edelwandler für die digitalen Signale. Koaxial werden Streams bis 24 Bit und 192 Kilohertz ausgelesen. Wer seinen Datenfluss per USB andockt, kann bis zu 384 Kilohertz aufsteigen. Hier ist auch eine Datenrate für DSD bis 11,2 Megahertz vorstellbar. Das ist die Zukunft. So wird unsere Klangwelt in den kommenden Jahren verwaltet.
Der Klangtest: Ein Kaiser musiziert
Dennoch starte ich analog in die Hörtests. Ein DL-103-MC-System senkt sich in die Rille – und es klingt herrschaftlich. Nicht wie der König, sondern wie der Kaiser. Weshalb ich auch passgenau eine Pressung der Decca aufgelegt habe. Friedrich Gulda spielt das fünfte Klavierkonzert von Beethoven, mit dem Beinamen „Emperor“ geadelt. Die Wiener Philharmoniker begleiten. Das hat nicht nur Herzblut, hier wird Leidenschaft durch 80 Musiker und hunderte Saiten getrieben. Ein Stromstoß bis an die Membranen und Trommelfelle. Toll, wie dies dem analogen Kraftfluss gelingt, wunderbar auf den Punkt. Der Wunsch nach einer externen Phonobox? Nein. Kommt nicht auf.
Doch jetzt wird es spannend, denn ich habe auch die digitalen Versionen dieser Aufnahme. Zuerst die CD. Da plagen mich plötzlich Entzugserscheinungen. Die Pracht der Aufnahme ist verschwunden. Das wirkt wie ein Treffen von uninspirierten Handwerkern. Alles auf den Leisten genau, aber ohne Schmelz. Seltsam – zumal dies doch die identische Aufnahme sein sollte. Wieder einmal fallen mir viele Argumente vor die Füße, um die eindimensionale CD zu relativieren.
Dann kommt die SACD. Ein Import aus Japan von Esoteric. Eigentlich müsste sie mich in die Nähe der Masterbänder versetzen. Doch auch hier eine seltsame Blässe der Musizierfreude. Das wirkt elegant, mit schönem Schub – trotzdem bleibt die LP-Pressung näher an der Erotik. Dann aber schließlich der Stream von der gerippten SACD per USB. Genau jetzt ist der Denon-Amp ohne Konkurrenz. Das wirkt wie die Vinyl-Rille, nur mächtiger und mit mehr plastischem Klangbild. Was für ein Fest, was für eine Irritation. Eigentlich müssten die SACD und der Stream identisch klingen. Doch klar erfreut mich die Kopplung per USB mehr.
Da muss mich im Vergleich auch direkter Pop erfreuen. Moby hat ein neues Album bei der Deutschen Grammophon aufgelegt. Seltsam. Von Halblinks blitzen uns eine paar Gitarrensaiten an. Es dauert lang, bis Moby seine symphonische Ader auslebt. Dann wird es dick und fett. Ein Klavier, schließlich ein mächtiges Streichorchester aus dem Synthesizer. Wie eine Symphonie. Besser: Wie ein verkapptes Requiem. Gerade auf die Feindynamik kommt es an. Der Denon PMA-A110 verweigert sich jeder Show. Obwohl es der High-Res-Track einfordert. Aber das Jubiläumsgedeck lässt sich nicht an die Kette legen. Es gibt das Ideal vor, mit einer großartigen Portion Ehrlichkeit.
Habe ich direkte Konkurrenten im Regal? Rhetorische Frage, weil ich die Antwort schon weiß. Da ist beispielsweise der Supravox Vouvray – ein Hybrid-Amp, der bei LowBeats aktuell die Klassenreferenz stellt. 3700 Euro, die nicht besser angelegt sein können. Wird es dabei knapp für den Denon? Nein. Der PMA-A110 klingt kerniger, er ist die Pistole, auf den Zielpunkt fixiert. Der Supravox hingegen gibt sich als Armbrust, als archaischer Bogenschütze. Beiden gelingt das gleiche Kunststück. Der eine etwas fülliger, wärmer mit den satteren Klangfarben (Supravox), der andere mit einer schönen Zielstrebigkeit, “Schnelligkeit” und einer scheinbar höheren Leistungsausbeute. Was aber der Denon PMA-A110 als starkes Argument in die Waagschale werfen kann: die erfreulich feinseidige Digitalwandlung.
Jetzt kommt der ultimative Streit in der Familie. Ein Show-Down auf der staubigen Hauptstraße, wie im Wilden Westen. Denn alle wollen wissen, ob auch der Vollverstärker von Marantz mithalten kann. Es ist die gleiche Company (Sound United). Zudem feiert Marantz hier 30 Jahre der Edelserie. Ich habe hier bei LowBeats den Amp Model 30 erst kürzlich gefeiert. Bleibt meine Begeisterung auch im direkten Vergleich mit dem Bruder-Vollverstärker?
Nicht ganz. Vorab ein wichtiges Detail: Der Marantz ist ein lupenreiner, hochgezüchteter Digital-Verstärker. Es ist fast die Gegenwelt zum klassisch aufgebauten Denon. Der Marantz verfügt über einen wunderbaren Druck. Er schiebt von unten und drückt auf das Zwerchfell. Der Denon hingegen wirkt einen Hauch weniger druckvoll, zugleich aber auch agiler, feiner und offener. Ich streame das neueste Album von Paul McCartney (mit dem spartanischen Namen “III”) von der NAS. Eine fantastische Aufnahme mit nur einem Mann an allen Instrumenten – eben Sir Paul. Gerade beim Schlagzeug legt der Marantz deutlich mehr Drive auf die Trommelfelle. Der Denon hält mit, bringt allerdings noch die edlere Körperlichkeit ein. Ich staune. Ist der alte Transistoren-Aufbau tatsächlich dem neusten Digital-Wandler überlegen? Ich meine: ja. Um einige wenige, doch entscheidende Punkte fixt mich der Denon mehr an als der etwas bedeckter klingende Marantz.
Einige journalistische Kollegen haben über eine „seidige“ Tendenz beim PMA-A110 geschwärmt. Ich widerspreche. Das ist nicht Seide, nicht Samt – das wirkt im höchsten Sinne linear und temporeich. Doch mit einer gewissen – hier will einstimmen – Helligkeit des Panoramas. Aber alles fein, alles fügt sich in ein harmonisches Klangbild.
Fazit Denon PMA-A110
Als erstes gefällt mir, dass Denon hier keine Show betreibt. Keine Holzwangen, kein Weihrauch. Alles Geld ist in die stringente Schaltung geflossen. Und es wurde wieder einmal richtig klassisch: Ein Japan-Amp, blitzsauber verarbeitet und bis unters Dach mit besten Bauteilen vollgestopft – eine erstaunlich gute Phonostufe und ein exzellentes Digitalboard inklusive.
Eine solche Japan-Qualität gibt es andernorts nur noch bei Yamaha oder – ein paar Preisklasse drüber – bei Accuphase oder Luxman. Doch weder Yamaha noch Accuphase oder Luxman komplettieren ihre Amps mit einem so feinen DAC. Kurzum: Der Denon PMA-A110 ist ein fantastisch klingendes, sehr komplettes Verstärker-Angebot.
Wer jetzt noch einen “finalen” CD-/SACD-Player sucht, dem sei der DVD-110 ans Herz gelegt. Im LowBeats Hörraum hat er sich längst als Alltag-Referenz festgespielt und in Verbindung mit dem PMA-A110 klingt er fast noch ein bisschen besser. Stellt sich noch die Frage nach der Farbe? Nein. Die Japaner legen ihre Jubiläumsserie einzig in Silber-Graphit auf…
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Offener, feiner und körperhafter Klang |
| Herausragend guter DAC und eine exzellente Phonostufe integriert |
| Exzellente Verarbeitung |
| Keine XLR-Zugänge |
Vertrieb:
Denon Deutschland
Division of D&M Germany GmbH
An der Kleinbahn 18
41334 Nettetal
www.denon.com/de-de/
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Denon PMA-A110: 3.600 Euro
Technische Daten
Denon PMA-A110 | |
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Konzept: | Vollverstärker mit klassischer A/B-Schaltung |
Leistung 8/4 Ohm: | 2 x 80 Watt / 2 x 160 Watt |
Eingänge analog: | 4 x Hochpegel (RCA), 1 x Phono MM/MC (RCA) |
Eingänge digital: | 3 x optisch, 1 x koaxial, 1 x USB |
Ausgänge: | 1 x Vorstufenausgang (RCA), 1 x Record out (RCA) |
Abmessungen (B x H x T): | 43,4 x 18,2 x 45,0 cm |
Gewicht: | 25,0 Kilogramm |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test Vollverstärker + CD/SACD-Player: Marantz Model 30 + SACD 30n
Test Hybrid-Vollverstärker Supravox Vouvray
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