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Test Børresen 01: Kompaktlautsprecher vom anderen Stern

Der Børresen 01 Klang: Ein Augen- und Ohren-öffnendes Erlebnis

Es ist eine Sache, einen Lautsprecher auf einer Messe oder in den Räumen des Herstellers oder Händlers zu hören, eine ganz andere jedoch, sie in den eigenen vier Wänden zu erkunden. Unter bestens bekannten akustischen Bedingungen und mit der nötigen Zeit und Muße. Als Front-End diente mir meine digitale Referenzkombi Exogal Comet und Ion PowerDAC (ergänzend hierzu der Nachtest zum Hyperdrive-Upgrade) – meine größte Entdeckung des letzten Jahres. Um die Zuspielung der Musik kümmerte sich der Auralic Aries G1 Streaming Server (Test demnächst). Die Elektronik kostet zusammen nur etwa ein Drittel der Lautsprecher, ist aber sowohl klanglich als auch leistungstechnisch durchaus adäquat – wenngleich die Børresen sicherlich jede weitere Steigerung unmissverständlich aufzeigen dürften.

Borresen 01 im Hörraum
So stelle ich mir eine Ultra-High-End-Anlage für die 2020er-Jahre vor: Statt telefonzellengroßer Boxen und Monsterverstärkern kluge, platzsparende Digitaltechnik und dezente Passivlautsprecher, die keine DSP-Korrekturen nötig haben, um überragend zu klingen (Foto: F. Borowski)

Nach ein paar kleinen, einspiel- und aufstellungsbedingten Umwegen entwickelte sich das Klangerlebnis mit den Børresen 01 zu einer Offenbarung. Um den Grundcharakter der Lautsprecher zu beschreiben: Haben Sie Erfahrung mit absoluten Spitzenkopfhörern? Wenn ja, dann stellen Sie sich das Klangerlebnis mit einem Top-Hörer vom Schlage eines Focal Utopia oder noch besser eines Sonoma One vor, jedoch abzüglich deren Kopfhörer-Besonderheiten, wie dem unvermeidlichen Im-Kopf-Gefühl. Dann bekommen sie eine ungefähre Vorstellung davon, was die 01 zu leisten vermögen.

Natürlich sind bei Lautsprechern gewisse Einflüsse der Raumakustik unvermeidlich, solange man nicht im schalltoten Raum oder draußen auf einem weiten Feld lebt. Dennoch ist der Kopfhörervergleich keineswegs zu weit hergeholt, so fantastisch rein und präzise spielen die Børresen, direkt und plastisch, dabei aber absolut musikalisch schlüssig. Und es handelt sich keineswegs um One-Trick-Ponys, die nur eine Sache gut beherrschen.

Ein absolutes Highlight dabei ist der Bändchen-Hochtöner. Nie zuvor habe ich von Lautsprechern derart natürliche, stressfreie und zugleich fein aufgelöste Höhen vernommen. Egal, ob bei sehr hohen oder kaum noch wahrnehmbaren Pegeln. Überall da, wo praktisch jede Kalotte auf der Welt anfängt, in die Trommelfelle zu pieksen, oder einfach Details verschluckt, macht sich der Vorteil des Børresen-Hochtöners bemerkbar. Seien es helle Frauenstimmen, Trompeten, hart angeschlagene Percussion-Instrumente, Dudelsackmusik, Klavier… you name it.

Wenn beispielsweise die leider viel zu früh verstorbene Eva Cassidy in „Oh, Had I A Golden Thread“ (Album Live at Blues Alley) zum Höhepunkt des Titels aus voller Kehle losschmettert, zerfetzt es einem bei hoher Lautstärke mit den meisten Lautsprechern fast die Trommelfelle. Und selbst viele Top-Lautsprecher, die teilweise sogar noch viel teurer als die Børresen sind, können nicht das volle Spektrum dieses stimmlichen Stakkatos ohne gewissen Druck auf den Ohren wiedergeben. Die 01 schon!

Cover Art Eva Cassidy
Eva Cassidy Live at Blues Alley (Cover: Amazon)

Aber das ist nur ein Aspekt dieses grandiosen Hochtöners. Ein weiterer ist sein Auflösungsvermögen, welches Details und allerfeinste Transienten offenbart, die andere Hochtöner (und selbst die meisten Kopfhörer) einfach glattbügeln. Eine schöne Entdeckung war beispielsweise das kürzlich veröffentlichte Album Djesse Vol. 2 von Jacob Collier (bei Qobuz als 24bit/96kHz HiRes verfügbar), das ein paar sehr intensive Gesangs- und Soundmomente bietet. Danach konnte ich die Gänsehaut kaum wieder aus der Epidermis bügeln. So fein, lebensecht und gefühlvoll kann man Stimmen wohl mit nur ganz, ganz wenigen Lautsprechern auf diesem Planeten erleben.

Cover-Jacob-Collier
Jacob Collier Djesse Vol. 2 (Cover: Amazon)

Diese atemberaubenden Qualitäten beschränken sich aber keineswegs nur auf die höchsten Höhen. Schließlich findet die Stimmenabbildung zum Großteil in den mittleren Frequenzen statt. Der Tief-/Mitteltöner mit seinem durchaus als revolutionär zu bezeichnenden Antrieb ist ebenfalls ein Meisterstück. Die Membranen verhalten sich im Antritt fast wie eine Folie, aber mit der Steifigkeit und Kontrolle bester Konus-Membranen.

Zusammen mit der geglückten Ankopplung an den Hochtöner begeistert die 01 mit sagenhafter Antrittsschnelligkeit, Akkuratesse und einer Bühnendarstellung, für die der etwas zu abgedroschene Begriff „holografisch“ kaum ausreicht. Holografien stellt man sich ja auch irgendwie immer etwas geisterhaft und semi-transparent vor. Das trifft hier nicht zu. Eher hat die Abbildung der 01 schon Raumschiff Enterprise Holodeck-Qualitäten, wo von der Realität kaum unterscheidbare Szenen mit greifbarer Präsenz erschaffen werden – Verblüffung und Erstaunen sind da vorprogrammiert.

Das Staunen hört nicht auf, je weiter sich die Frequenzen dem Infraschall annähern. Gut, messtechnisch geht ab ca. 50 Hz nicht mehr allzu viel, was für einen Lautsprecher dieser Größe immer noch aller Ehren wert ist. Aber glauben Sie ja nicht, diese Lautsprecher würden irgendwie bassarm oder dynamisch limitiert klingen. Tiefste Töne bringen die 01 so mühelos und (mal wieder) ultra-präzise zu Gehör, dass Nicht-Eingeweihte spontan nach einem irgendwo versteckten Subwoofer Ausschau halten. Nur mit dem Druck ist ganz unten herum irgendwann Schluss. Und manchmal fehlt einfach ein wenig der lockere Punch, der nur von sehr viel Membranfläche erzeugt werden kann.

Borresen 01 von unten
Kleiner Lautsprecher, großes Konzert. Die dynamischen Eigenschaften der Børresen 01 sind phänomenal (Foto: F. Borowski)

Und doch lassen die 01 so manch hoch gelobten Standlautsprecher in Sachen Dynamik alt aussehen. Die Treiber sind erstaunlich belastbar und dabei verzerrungsarm. Selbst bei enorm hohen Pegeln kommt der Tief-/Mitteltöner nie aus dem Tritt und kann noch bei großorchestraler Dynamik wie magisch fragilste Feinheiten aus dem Geschehen lösen. Grob- und Feindynamik derart harmonisch zu kombinieren, das können auch nicht viele Lautsprecher.

Natürlich gibt es Limits. Genau aus dem Grund hat Børresen ja auch noch deutlich größere Lautsprecher mit viel mehr Membranfläche im Angebot. – Die aber alle auf der selben Technik basieren. Für kleine Hörräume und kurze Hörabstände (wie in meinem Fall) sind die 01 oder vielleicht noch die 02 aber besser geeignet.

Noch ein dicker Pluspunkt: Auch bei sehr geringen Lautstärken verlieren die 01 absolut nichts von ihrer Faszination. Wenn ich beispielsweise am Wochenende entspannt im Hörsessel lese und nebenbei leise Musik höre, ziehen mich die kleinen Børresen immer wieder in ihren Bann und ich staune darüber, diesen oder jenen Titel noch nie so schön wahrgenommen zu haben. Dazu muss es sich nicht einmal um die besten audiophilen Aufnahmen in HiRes handeln. Sogar bei komprimiertem Webradio versprüht die 01 ihren Zauber. Es sei denn, die Aufnahmen sind wirklich so grottig, dass von gutem Klang keine Rede sein kann. Wasser in Wein verwandeln können auch diese Lautsprecher nicht.

Ich will nicht behaupten, dass es keine anderen Lautsprecher mit ähnlichen Qualitäten gibt. Schließlich kenne ich längst nicht alle Lautsprecher dieser Welt und vor allem nicht sehr viele aus dem Ultra-High-End-Bereich, weil die meisten davon gar nicht in meinen Hörraum passen. Aber ich lehne mich mal so weit aus dem Fenster und behaupte, das die Anzahl an Konkurrenten mit ähnlichen Fähigkeiten sehr überschaubar sein dürfte.

Bei alledem will ich nicht verschweigen, dass sich die volle Magie dieser Lautsprecher erst am Sweet Spot im Stereodreieck vollständig offenbart. Das trifft zwar für die meisten guten direkt strahlenden Stereolautsprecher zu, doch mit ihrer (im absolut positivsten Sinne) Laser-artigen Präzision gilt das umso mehr für die Børresen 01. Sie sind echte Genusslautsprecher, denen man sich mit Haut und Haaren hingeben sollte.

Fazit Børresen 01

Das Erlebnis mit den kleinen Børresen hat mich zu einer bitteren Erkenntnis geführt: Offenbar bin ich in meiner hi-fidelen, klanglichen Weiterentwicklung Jahre lang mehr oder wenig auf der Stelle getreten. Klar gab es immer wieder Verbesserungen und Fortschritte zu verzeichnen, aber nichts derart Bahnbrechendes wie mit diesen bemerkenswerten Wandlern.

Habe ich hier also die perfekten Lautsprecher gefunden? Sicher nicht. Erstens gibt es so etwas wie Perfektion nicht und zweitens haben natürlich auch diese Traumlautsprecher ihre Grenzen, wie oben beschrieben. Dennoch komme ich nicht umhin, die 01 ganz nüchtern als die besten Kompaktlautsprecher zu bezeichnen, die ich jemals gehört habe. Und das „Kompakt“ könnte man in dem Satz für viele Bereiche eigentlich auch noch streichen.

Michael Borresen
Michael Børresen, hier mit dem Modell 03 posierend, kann zurecht stolz auf seine Schöpfungen sein. (Foto: F. Borowski)

Die Treibertechnologie stellt meiner Meinung nach einen der größten Fortschritte in der Lautsprecherentwicklung seit vielen Jahren dar. Sowohl die Børresen-Bändchenhochtöner als auch die Konustreiber mit eisenlosem Antrieb sind klanglich eine Sensation. Wer nicht gerade auf Metallica-Konzertpegel abfährt und markerschütternde Tiefbassschläge erwartet, wird an diesem zierlichen und eleganten Lautsprecher-Kunstwerk absolut nichts vermissen. Und falls doch, hat Børresen ja noch eine Reihe von größeren Lautsprechern im Angebot. Die 01 sind aber mit ihren genialen und optisch zurückhaltenden Standfüßen die attraktivste Børresen für kleine bis mittlere Räume.

Den hohen Preis kann und darf man bei alledem natürlich nicht außer Acht lassen. Für um die 25.000 bis über 30.000 Euro unverbindliche Preisempfehlung (je nach Ausstattung mit Darkz) bekommt man definitiv Lautsprecher mit mehr Pegelreserven, Tiefbass und mit mehr Materialeinsatz. Das macht aus ihnen aber nicht automatisch bessere Lautsprecher: Die Performance der Børresen (unter optimalen Bedingungen) relativiert das Preisschild.

Damit stecke ich in einer Zwickmühle. Eigentlich möchte ich nicht mehr zurück zu den an sich ausgezeichneten KEF, da sie mir plötzlich – in Anlehnung an ein Zitat von Karajan zur Einführung der CD – fast wie Gaslicht erscheinen. Die Børresen sind einfach die besseren Messinstrumente für meinen Job und das weitaus befriedigendere Genussmittel für meine HiFi-Seele. Andererseits wollte ich eigentlich nicht mehr in Lautsprecher oberhalb der 10.000-Euro-Grenze investieren. … Oh je!

Allen, die nachvollziehen wollen, worum ich hier so schwärme, wird es nicht leicht gemacht: Das Händlernetz für Børresen in Deutschland ist noch dünn. Es soll am Ende eine Handvoll Stützpunkthändler in verschiedenen Teilen der Republik geben. Erste Anlaufstellen sind derzeit HiFi Studio Bramfeld in Hamburg und HiFi Eins in Köln.

Børresen 01
2019/08
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Klingt unglaublich musikalisch, feinauflösend
Exzellente Abbildung
Perfektes Design und Verarbeitung
Auch preislich highendig

Vertrieb:
Børresen Acoustics Aps
Rebslagervej 4
9000 Aalborg, Denmark
www.borresen-acoustics.com

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Børresen 01 (inkl. Ständer): ab 25.500 Euro


Mehr zu Børresen:

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Autor: Frank Borowski

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LowBeats Experte für Schreibtisch-HiFi und High End kennt sich auch mit den Finessen der hochwertigen Streaming-Übertragung bestens aus. Zudem ist der passionierte Highender immer neugierig im Zubehörbereich unterwegs.