“Seid innovativ, packt alles rein außer Lautsprecher, macht es hübsch, benutzerfreundlich, mit bestem Klang und verpasst ihm ordentlich Leistung – und bezahlbar muss er sein.” So oder so ähnlich könnte die Vorgabe an die Entwicklungsabteilung von Cambridge Audio für den All-In-One-Player EVO gelautet haben. Leichter gesagt als getan und dennoch ist es gelungen. Wir hatten den Cambridge Audio EVO 150 für einige Wochen im Test und können rückblickend festhalten: Der Schönling überzeugt auf ganzer Linie.
Benennen wir einmal drei Wege, um sich ein modernes, streaming-fähiges Audiosystem zusammenzustellen:
1.) All-In-One Aktivboxen (z. B. KEF LS50 Wireless II). Das bedeutet, so wenig Geräte wie möglich, mit Bedienkonzept aus einer Hand. Aber die Möglichkeiten zum Aufrüsten sind begrenzt.
2.) Separate Komponenten für alles, plus Boxen. So ist maximale Freiheit für Aufrüstungen oder beim Ersatz einzelner Bausteine gewährleistet – aber vielleicht wird das auch zu einem allzu umfangreichen System, mit dem nicht jedes Haushaltsmitglied einverstanden ist.
3.) Die goldene Mitte: Streaming-Verstärker, wie der Cambridge Audio EVO, den wir Ihnen hier vorstellen. Alles, was Sie mit ihm zur Vervollständigung einer wirklich hochklassigen und konsensfähigen Musikanlage zusätzlich benötigen, ist ein Paar Passivlautsprecher nach Ihrem Gusto und Budget.
Produktdesign ist stets Geschmacksache, doch der Look des EVO, den wir in der „großen“ Variante 150 zum Stelldichein hatten, dürfte ziemlich breite Zustimmung finden. Seine quadratische Grundform mit 305 mm Kantenlänge und fein gezeichneten Gehäuselinien ohne sichtbare Antennen verbindet Zurückhaltung mit moderner Formensprache und einer Eleganz, die auch noch nach vielen Jahren ein Hingucker sein dürfte. Dazu ist der EVO auch noch wandlungsfähig: Das Gerät wird mit zwei Arten von Seitenpaneelen geliefert. Ein Paar aus echtem Walnussholz, das andere mit einer schönen Struktur in Schwarz aus sogenanntem Richlite. Das ist ein teilweise aus Papier recyceltes Material. Die Paneele werden magnetisch an den Gehäuseseiten befestigt und können nach Bedarf und Geschmack ohne Werkzeug binnen Sekunden getauscht werden. Durchaus denkbar, dass Cambridge hierfür in Zukunft weitere Designvarianten anbieten wird.
Die aufgeräumte Front des EVO 75/150 wird durch zwei Elemente dominiert: Zwei Drittel der Breite nimmt ein hochauflösendes Farbdisplay ein, das verbleibende Drittel ein riesiger Zweifach-Drehregler. Sein innerer Teil dient zur Lautstärkeregelung; über den gerändelten, silbernen Außenring erfolgt die Quellenumschaltung mit satt gerasterten Stufen. Fast unsichtbar befinden sich am rechten Rand des Displays sechs vertikal angeordnete Tasten für On/Off, Titelsteuerung und weitere Funktionen. Der große Bildschirm hat keine Touch-Funktion, wie beispielsweise beim Konkurrenten NAD M10. Dank der Tasten und Drehregler ist die Bedienung am Gerät aber dennoch sehr komfortabel. Komplexere Einstellungen werden über die zugehörige App StreamMagic vorgenommen. Ganz unauffällig in der rechten unteren Ecke sitzt noch eine 3,5 mm Klinkenbuchse für Kopfhörer.
Die Rückseite des von uns getesteten EVO 150 ist mit Anschlüssen für nahezu jedes denkbare Anwendungsszenario bestückt. Digital stehen 2x Toslink (EVO 75 1x), 1x Coax und HDMI ARC sowie asynchrones USB (nur EVO 150) bereit. Plus natürlich LAN für eine kabelgebundene Netzwerkverbindung. Eine USB-Buchse zum Anschluss von Datenträgern für Musik ist ebenfalls vorhanden. Das größere Modell hat zudem zwei Lautsprecherausgänge (A und B), sowie XLR- und Phono-MM-Anschlüsse, plus einen Trigger-Ausgang.
Drahtlos wird per WLAN (Dual Band 2,4/5 GHz) oder Bluetooth (aptX und aptX HD) kommuniziert, wobei letzteres bidirektional funktioniert. Heißt: Der EVO kann nicht nur Musik per Bluetooth empfangen (z. B. von einem Smartphone), sondern auch an Bluetooth-Kopfhörer senden. Ideal, um beispielsweise zu später Stunde einen Actionstreifen zu genießen, ohne die Nachbarn zu stören.
Technisch und funktional hat Cambridge bei den EVO-Streamingverstärkern aus dem Vollen geschöpft und bietet eine beinahe lückenlose Ausstattung. Zu den technischen Highlights gehört – neben dem prominenten 6,8“-Farbdisplay – ein Sabre ES9018K2M DAC mit Unterstützung für PCM bis 32 Bit/384 kHz (unsymmetrisch) und DSD256 und ein Hypex NCore Verstärkermodul, welches die (namensgebende) Ausgangsleistung von 150 Watt pro Kanal an 8 Ohm (75 Watt im EVO 75) bereitstellt. Hypex NCore Module werden auch von anderen Herstellern wie NAD eingesetzt. Die auf Class-D basierende Schaltung verspricht neben hoher Leistung bei guter Energie-Effizienz (geringe Wärmeentwicklung) einen deutlich besseren Klang im Vergleich zu herkömmlichen Class-D-Lösungen.
Die Netzwerk-Streaming-Features der meisten Geräte dieser Art unterscheiden sich kaum. Zu den Standards, die der EVO natürlich alle beherrscht, gehören die Wiedergabe von lokalen Musikspeichern (beispielsweise von USB-Festplatte), aus dem heimischen Heimnetz (z. B. von einem NAS – Network Attached Storage), von Online-Musikdiensten und Internet-Radio. Die Spreu vom Weizen trennt sich meist bei den Details. Etwa in der Anzahl und Integration der verfügbaren Musikdienste, ob Roon unterstützt wird und wie gut und reibungslos die Netzwerksteuerung funktioniert. So viel vorweg: Der EVO gibt sich in allen Punkten mustergültig.
Bevor wir zum Praxisteil kommen, noch ein kurzer Blick über die Schultern zur Konkurrenz. Ad-hoc fallen mir zwei ernstzunehmende Gegner für den EVO ein: Der Lyngdorf TDAI 1120 (ca. 2.000 Euro) und der NAD M10 (ca. 3.000 Euro). Mit 2.500 Euro bewegt sich der EVO 150 genau in der Mitte, bzw. der EVO 75 auf dem Niveau des Lyngdorf. Hauptunterschiede: Der Lyngdorf verzichtet auf ein Grafikdisplay und zeigt nur Symbole an der Front. Dafür bietet er eine sehr gut funktionierende Raumeinmessung. Der NAD M10 ist kleiner, hat ein ähnliches gutes und dazu noch Touch-empfindliches Display, sowie eine integrierte Raumeinmessfunktion. Genau die fehlt dem Cambridge. So ziemlich die einzige nennenswerte Ausstattungslücke. Ansonsten bewegen sich die Drei auf einem ähnlichen Feature-Niveau. Bei der Ausgangsleistung liegt der EVO 150 vorne.
Einrichtung und Praxis – it’s so easy
Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen netzwerkfähige Audiokomponenten echte Frickelkisten waren, die ein Nerd-Examen erforderten, um ihnen Klänge zu entlocken. Die überwiegende Mehrheit aller heutigen Streaming-Devices ist auch von Menschen mit begrenztem Technikinteresse ohne fremde Hilfe nutzbar. Erst recht der Cambridge EVO.
Lautsprecher anschließen, Netzkabel dran. Der EVO hat keinen harten On/Off-Schalter und geht in Bereitschaft, sobald er Strom hat. Eingeschaltet wird er entweder über die Fernbedienung oder die auf den ersten Blick kaum erkennbare Power-Taste an der Front. Lediglich ein kleines Power-Symbol, welches im Standby angenehm gedimmt leuchtet, weist auf die Taste hin. Beim ersten Einschalten erscheint ein Hinweis, sich die StreamMagic App aus dem Apple App Store oder Google Play Store auf das Smartphone oder Tablet zu installieren. Der Rest wird dann in der App erklärt.
Der EVO ist bereits zu seiner Markteinführung in Deutschland Roon Ready zertifiziert. Hier haben die Macher offenbar gut mit Roon zusammengearbeitet. Geht doch! Roon-Fans können daher beherzt zugreifen. Auch deshalb, weil der EVO alle wichtigen Netzwerk-Steuerungsfunktionen beherrscht – sofern in der App vom ECO- in den Netzwerk-Standby-Modus umgeschaltet wird. Dann kann der EVO auch von Roon aus aktiviert (einfach einen Titel starten) oder abgeschaltet werden. Eine automatische Abschaltfunktion nach voreingestellter Zeit ohne Signal (5 bis 120 Minuten) gibt es ebenfalls.
Ein großes Plus des EVO stellt die zugehörige StreamMagic-App dar. Cambridge Audio hat mit seiner Plattform ja schon ein paar Jährchen Erfahrung. Neueinsteiger mit dem EVO können sich daher über eine App freuen, die auf dem Smartphone ebenso gut wie auf dem Tablet funktioniert. Die App ist übersichtlich, intuitiv nutzbar und bietet Zugriff auf eine Welt voller Musik. Die Eingänge lassen sich so konfigurieren, dass nur die tatsächlich genutzten Funktionen in der Übersicht erscheinen. Das gilt auch für die verfügbaren Musikdienste. Dazu gibt es eine Menge anderer Optionen zur Gerätekonfiguration. Letzteres kann bei Bedarf auch über ein Webinterface durch Eingabe der IP-Adresse in einen Browser erfolgen.
Der große, metallene Zweifach-Drehknopf ist mechanisch und haptisch äußerst gelungen. Die Lautstärkeregelung erfolgt sanft wie über den Fokusring eines hochwertigen Kamera-Objektivs. Der silberne Teil zur Quellenwahl ist stramm gerastert, dabei aber nicht ganz „prellfrei“, wodurch man gelegentlich über das Ziel hinausschießt. Die Tasten neben dem Display sind aus optischen Gründen sehr dezent ausgeführt und damit auch etwas filigraner in der Bedienung – die aber ohnehin meistens über die Fernbedienung oder die App erfolgen dürfte.
Das Farbdisplay hat eine sehr hohe Auflösung. Auch kleine Symbole und Texte werden grafisch sauber dargestellt. Alles Wichtige wird möglichst groß angezeigt und ist auch aus der Distanz sowie aus größeren Blickwinkeln gut ablesbar.
Die mitgelieferte Fernbedienung ist elegant, liegt gut in der Hand und ist nicht zu leicht. Haar in der Suppe gefunden: Die Tasten könnten etwas besser unterscheidbar sein und die keilförmig ausgeführte Unterseite im vorderen Bereich führt dazu, dass die Remote auf dem Tisch liegend stark kippelt, wenn Tasten gedrückt werden. Dezente kleine Gummipuffer an der Unterseite wären auch schön gewesen.
Alles in allem ist die Praxistauglichkeit des Cambridge Audio EVO Streaming-Verstärkers vorbildlich. Alle genannten Kritikpunkte fallen eher in die Kategorie Erbsenzählerei. Thumbs up, Cambridge!
Der Klang des Cambridge Audio EVO 150 – alles ist im Fluss
Wie NAD setzt auch Cambridge Audio mit dem EVO 75 und 150 auf zugekaufte Hypex NCore Verstärkermodule. Daraus zu schließen, die beiden müssten exakt gleich klingen, ist ein Trugschluss. Was mir am Cambridge besonders gut gefallen hat, ist seine smoothe, irgendwie unaufgeregte, aber keineswegs zurückhaltende Präsentation der Mitten und Höhen. Um es populär zu formulieren: Klingt gar nicht digital. Musik und Gesang wirken lebensecht und mit absolut natürlichen Klangfarben versehen.
Auch dynamisch bleibt hier nichts auf der Strecke. Egal ob knackige, kurze Bassimpulse oder rumpelnde Filmexplosionen – so schnell geht dem EVO 150 nicht die Puste aus und er bleibt dabei auf der Detailebene stets auf Zack.
Im Vergleich zu den im Text genannten Konkurrenten ist es schwierig, einen eindeutigen Sieger an Einzelkriterien festzumachen. Schließlich leistet sich keiner der Kandidaten gravierende Schwächen. Die Mehrleistung und vielleicht andere Schaltungsdetails des EVO 150 wirken sich aber positiv auf das Gesamtbild aus. Alles wirkt irgendwie flüssiger, gelassener, entspannter, erhabener.
Das bezieht sich natürlich auf den Vergleich mit abgeschalteter Raumkorrektur bei den Gegnern. So zieht vor allem der Lyngdorf an den selben Lautsprechern (die Wilson Audio TuneTot) dank seiner guten Einmessfunktion letztlich wieder am EVO vorbei. Was mal wieder zeigt, welche Bedeutung das akustische Zusammenspiel zwischen Raum und Boxen doch hat. Von daher wäre gerade für die mit dem EVO angepeilte Zielgruppe, die vermutlich nur selten umfangreiches akustisches Roomtuning betriebt, sondern in ganz normal eingerichteten Wohnzimmern lebt, eine anspruchsvolle Funktion zur Raumeinmessung wünschenswert. Im Direktmodus – also ohne Raumkorrektur – gewinnt der Cambridge Audio EVO 150 den Klangvergleich mit einer kurzen Wellenlänge Vorsprung.
Und der EVO 150 hat noch ein Ass im Ärmel, nämlich in Form seines Kabelanschlusses für Kopfhörer (3,5-mm-Buchse). Zwar beherrscht auch er wie der NAD bidirektionales Bluetooth und kann somit Musik auf Wunsch drahtlos an BT-Kopfhörer schicken, aber die kabelgebundene Variante klingt doch in den meisten Fällen mit einem entsprechend hochwertigen Headphone deutlich besser. Allzu hochohmig und leise sollte dieser allerdings nicht sein.
Fazit: Einer der Besten seiner Art
Was kann man an dem Cambridge Audio EVO 150 nicht mögen? Mit fällt kein handfester Grund ein – solange er ins Budget passt. Bei genauerer Betrachtung der Unterschiede ergibt sogar der kleine EVO 75 Sinn. Wer mit dessen Anschlussoptionen auskommt und auf die Leistungsreserven des 150er verzichten kann, ist damit kaum schlechter bedient. Die gesparten 500 Euro können in die Lautsprecher investiert werden.
Ganz allgemein ist die geforderte Summe von 2.000 (EVO 75) beziehungsweise 2.500 Euro (EVO 150) absolut gerechtfertigt und in Anbetracht der Leistung, Funktion und dem tollen und wandlungsfähigen Gehäusedesign sogar als günstig anzusehen. Das Gesamtpaket stimmt einfach.
Kurzum: Streamingvollverstärker gehören zu den wohnraumfreundlichsten Konzepten für eine hochwertige und moderne Audio-Wiedergabelösung. Und der EVO 150 ist einer der gelungensten Vertreter seiner Art. Er kann fast alles, klingt ausgezeichnet, hat genügend Dampf für alle Lebenslagen, ausgereifte Software, sieht dabei unverschämt gut aus und ist auch noch für Normalsterbliche erschwinglich.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Relaxed natürlicher, farbstarker Klang |
| Einfache Einrichtung, großes Display, ausgereifte Software |
| Großer Anschluss- und Funktionsumfang, reichlich Ausgangsleistung |
| Keine interne Weiche für LFE, keine Raumkorrektur |
Vertrieb:
Cambridge Audio Deutschland
Telefon: 0410 18099810
www.cambridgeaudio.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Cambridge Audio EVO 150: 2.499 Euro
Die technischen Daten des Cambridge Audio EVO 150
Cambridge Audio EVO 150 | |
---|---|
Konzept: | Streaming-Vollverstärker mit Schaltnetzteil |
Leistung: | 2 x 150 Watt an 8 Ohm |
Audioformate: | ALAC, WAV, FLAC, AIFF, DSD (x256), WMA, MP3, AAC, HE AAC, AAC+, OGG Vorbis; MQA-Decoder |
Eingänge digital: | 2x TOSLINK optisch, 1x S/PDIF koaxial, 1x TV ARC, 1x USB-Audio |
Eingänge analog: | 1x RCA, 1x symmetrischer XLR, 1x Moving Magnet Phono-Vorstufe |
Ausgänge: | Lautsprecher A+B, 3,5 mm Kopfhörer, Vorverstärkerausgang, Subwoofer-Ausgang, Trigger |
Dienste & Protokolle: | TIDAL Connect, Spotify Connect und Qobuz integriert; Roon Ready, Chromecast built-in, UPnP/DLNA, AirPlay2, Bluetooth, lokale Wiedergabe von USB-Massenspeicher |
Drahtlos: | Bluetooth 4.2 A2DP/AVRCP aptX HD, Wi-Fi (802.11 n, 2,4/5GHz, innenliegende Antennen) |
Daten-Interface: | 1 x RJ45 Ethernet LAN, 1 x USB-Media (Typ A) |
Abmessungen (B x H x T): | 30,5 x 9,0 x 30,5 cm |
Gewicht: | 5,3 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test Streaming-Amp Lyngdorf TDAI 1120
Mehr von Cambridge Audio:
Test Cambridge Audio DACMagic 200M: ideal für gepflegtes Desktop-HiFi
Test Stereo-Receiver Cambridge Audio AXR100D
Doppeltest Vollverstärker: Cambridge Audio CX61 und CX81
Vergleich True Wireless In Ear: Apple, Cambridge Audio, Sennheiser, Sony
Cambridge Audio AX Familientest: A25, A35, C35
Test Plattenspieler Cambridge Audio Alva TT
Erster Test: Vollverstärker Cambridge Audio Edge A