Der Vollverstärker der Serie, der Cambridge Audio Edge A ist seit seinem Test im August 2018 fester Bestandteil des LowBeats Referenzregals und es gibt kaum einen Verstärkervergleich in den höheren Preislagen, für den wir seinen fast schon universell-musikalischen Charakter nicht zum Vergleich heranzögen. Aber, und da sind sich selbst die eingeschworenen Cambridge-Fans einig – dem hübschen Vollverstärker fehlt ein bisschen die Kraft im Basskeller. Der einige Monate später folgende Test mit der Vorstufe NQ und der Stereo-Endstufe Edge W ergab ein ähnliches Bild: Die Kombi klingt ungemein kultiviert, neutral und feinsinnig, aber es fehlt der letzte Punch im Bass. Kein Wunder: Die Endstufe Edge W ähnelt in weiten Teilen der Endstufe des Edge A. Dem Wunsch nach deutlich mehr Edge-Power konnte nicht gedeckt werden – bis die Briten Ende letzten Jahres ihre Monoblöcke Cambridge Audio Edge M vorstellten. Die kosten pro Paar 9.000 Euro, leisten stabile 350 Watt an 4 Ohm pro Seite und nähren die Hoffnung auf genau dieses letzte Quäntchen mehr Spaß im Bass. Zu Recht?
9.000 Euro – eine Menge Geld. Aber gemach: Wir sind in der Welt von Cambridge Audio. Da ist die Preis-/Leistungs-Relation fast immer exzellent. Im Falle von der Edge M bekommen wir für dieses Geld gewaltige Mono-Stufen im faszinierenden Edge-Design mit seinen auffälligen Rundungen und den ebenfalls hervorstechenden Kühlkörpern:
Begeben wir uns für einen kurzen Moment auf Adlerflughöhe und schauen von weit oben auf die aktuelle Verstärker-Situation. Wir sehen viele Vollverstärker mit großer Ausstattung und hohen Wattzahlen, die eigentlich jeden Lautsprecher versorgen sollten. Vor allem die modernen Digitalverstärker zeigen sich als erstaunlich effizient. Ist da das Ideal von zwei so großen Monoblöcken noch angebracht? Die Frage ist rhetorisch. Weil ich in diesem Text zwei große Mono-Verstärker vorstelle, die dem altväterlichen AB-Prinzip folgen und meiner Meinung nach immer noch den besten Kompromiss aus Leistung und Auflösung darstellen.
Die Schaltung: Das höchst-eigene Konzept der Cambridge Audio Edge M
Beim Blick in die Komponenten taucht klar eine Class-A/B-Architektur auf. Mit massivem, klangentscheidendem Ringkerntrafo. Doch Cambridge Audio nennt es „Class XA Amplification“. Was das wohl sein mag? Komplexes Thema. Hier ein Versuch der Vereinfachung. Class A nutzt nur 15 Prozent des Potenzials, der Rest wird in Wärme verhaucht. Nicht gut für ein visionäres Kraftpaket. Also nutzt auch die Cambridge Audio Edge M eine Class-A/B-Schaltung. Doch die hat bekanntermaßen eine Schwachstelle: Die Welle besteht aus zwei Halbwellen. Der kritische Punkt ist der Nulldurchlauf, der zu Verzerrungen führen kann. Class XA will diesen Übergangsbereich besser im Griff haben als all die anderen, am Markt befindlichen A/B-Schaltungen.
Aber tatsächlich kann man an dieser Stelle nur ahnen: Cambridge Audio gibt sich über die faktischen Details der Schaltung erstaunlich verschwiegen. Das Ganze ist aber eine Huldigung an einen der Gründer von Cambridge Audio – Professor Gordon Edge, der auch als Namenspatron der Edelelektronik herhalten darf. Ebenso stolz sind die Briten auf ihren Stromfluss. In der Edge-Serie wird ein Doppel aus zwei übereinandergesetzten, großen Ringkernen eingesetzt. So sollen Klang-schmälernde magnetische Felder gebannt werden. Wichtig: Die gleichen Technologien verwebt Cambridge Audio beim Vollverstärker wie bei den Monos.
Erwartungsgemäß ist auch unter der Haube der Monos alles piekfein und – anspruchsgemäß – streng symmetrisch aufgebaut. Die Komponenten der Edge-Linie sind keine Blender: Die Perfektion, die sie nach außen verstrahlen zeigt sich innen erst recht. Das reicht von klug bedämpften Bauteilen bis hin zu einer wirklich durchdachten (zusätzlichen) Wärmeabfuhr unterhalb des Deckels.
Der Vollverstärker Edge A bringt 24,4 Kilogramm auf die Waage. Die Monos sind pro Block 23,6 Kilogramm schwer. Also kein dramatischer Unterschied. Oder doch? Vorsicht Milchmädchen-Rechnung. Denn im Doppel schlagen die beiden Monos natürlich mit 47,2 Kilogramm zu Buche. Würden wir dies in audiophile Leistung addieren, dann müssten die Monos haushohe Gewinner sein. Oder fallen wir da auf eine weitere Milchmädchen-Rechnung herein? Als banale Angabe können hier die Versprechen der puren Wattzahlen aufzählen. Bei acht Ohm wuchtet der Vollverstärker 100 Watt an die Lautsprecher. Die Edge M verdoppelt pro Seite den Output – 200 Watt nach links und rechts.
Wer hat mehr Pferdestärken unter den Hufen? Die reinen Watt-Zahlen können täuschen. Das ist wie bei einem Porsche an er Ampel. Neben ihm steht ein Smart mit Elektroantrieb – der Smart wird dem Porschefahrer die Tränen in die Augen treiben. Kurzfassung: Antrieb ist nicht unbedingt gleich Schub.
Der Hörtest
Zum Vergleich haben wir den Edge-Vollverstärker herangezogen– und hören sofort, warum uns dieser Vollverstärker schon so lange als Referenz begleitet. Es ist die hohe Natürlichkeit seines Tons, die stabile Räumlichkeit, dieses absolut nette, gleichwohl dezente “Ab-und-an-Aufblitzen” einer feingestrickten Höhe. Ohne Frage sind wir hier in der gehobenen Ebene des High-Ends unterwegs: eine Form hoher Wiedergabekultur. Großartig dazu seine schnelle Gangart. Das grummelt beispielsweise beim Eröffnungs-Choral zu Carmina Burana wie ein Archetyp. Aber – und diese kleine Einschränkung habe ich eingangs ja schon erwähnt – könnte man sich einen größeren Schluck aus dem Zaubertrank-Fläschchen im Bassbereich vorstellen. Hier bleibt der Edge M manchmal etwas verhalten
Der gleiche Track, die gleiche Musik. Vermögen die Monos da mehr Zauber zu stemmen? Das reibt sich, das ist ziemlich genau auf der gleichen Ebene. Dennoch gibt es winzige Punkte mehr für die Monos. Da strömen die Stimmen heftiger, da pochen die Impulse des Tiefbasses um einige Quarten tiefer. Klare Botschaft: Die Edge M verzaubern mehr als der Vollverstärker.
Aber auch eine Botschaft: Dieses wenig Mehr kostet rund das Doppelte. Es fühlt sich gut an, aber unser Bank-Berater wird lavieren und vielleicht einen gehobenen Kreditvertrag ausfüllen. Ist das angemessen? Wir sind die Boten des Ultimativen und sagen: Das Bessere ist der Feind des Guten. Die Monos verfügen nicht nur über mehr Kraft sondern auch über mehr Ruhe und zugleich Brillanz. Da kommt eine ganz neue Frische in das Klangbild. Der Bass ist relativ, aber das Tempo und die druckvolle Wiedergabe des Klangbilds verändern vieles.
Der Klanggewinn ist also da, aber keine bestimmende Welle gegenüber dem reinen Vollverstärker. Die Wandlungen sind fein, dennoch hörbar. So legt das pure Tempo zu – in den Feinheiten, wie im dicken, mächtigen Punch. Wir haben beispielsweise Wagners „Götterdämmung“ als potenziellen Stream. In echten 24 Bit. Marek Janowski dirigiert für das Label Pentatone. Das ist das musikalische wie technische Hochamt auf dem Markt. An dem Vollverstärker klingt es furios, fett und überbordend. An der Vorstufe und den Monos wird das gewünschte Kunstwerk daraus. Da kommen plötzlich die Zwischentöne ins Spiel, die Eleganz der Holzbläser und der breite Teppich der Celli. Klar besser.
Nun muss Pop und Rock her. Ich liebe die Kompositionen und die Klangkunst von Paul McCartney. Der Mann verfügt über beides. Er kann sich einen Song aus den Rippen schneiden und zugleich am Mix-Pult sein ideales Klangbild erzeugen. Wie bei „Jenny Wren“. Ein kleiner Song. Eine Gitarre links, dann eine weitere rechts. So simpel kann eine perfekte Ballade entstehen. Natürlich thront die Stimme des Meisters in der Mitte. Ganz heimlich schleicht sich der Bass an. Aus dieser Reduktion entstehen Wunderwerke. So leicht es klingt – es braucht dennoch die ruhige Hand und gewaltige Potenz. Tiefschwarz muss der Hintergrund sein. Das lassen die beiden Monos von Cambridge Audio toll hochlaufen. Was für eine Ruhe, was für eine Sprungbasis für den Tiger, der die Krallen ausfährt.
Genau jetzt muss ich die Raubtiere von der Leine lassen. Ich lege eine Live-Aufnahme von Motörhead auf – „Louder Than Noise…“, live aus Berlin. Lemmy am Bass lässt es tiefschwarz rattern. Der originale Pegel muss enorm laut gewesen sein. Wenn alle Musiker sich vereinen, so wird es massig und brutal vor den Membranen. Der Vollverstärker von Cambridge Audio lässt da ein großartiges Panorama der Kräfte entstehen. Aber erst die doppelten Monos vollführen den Tanz auf der Rasierklinge. Da geht der Bass in den tiefsten Keller, da rufen die Massen im Publikum nach mehr, da wird es auf das Schönste bestialisch.
Und noch eines muss erwähnt werden: Die ersten Hördurchgänge fanden in kleinen Hörraum von LowBeats statt. Hier ist die Dynaudio Heritage Special der quasi festinstallierte Referenz-Lautsprecher. Doch mit dem (schweißtreibenden) Umzug in den großen Hörraum änderte sich auch das Lautsprecher-Gedeck. Hier standen unter anderem die Gauder DARC 60 und die Canton A45 – beide natürlich erheblich pegelfester als die Dynaudio und beide wegen ihrer eingebauten Hochpassfilter deutlich impedanzkritischer. Erwartungsgemäß vergrößerten die Cambridge Audio Edge M nun ihren Vorsprung gegenüber dem Vollverstärker – und zwar auch im Bereich Basspunch.
Am Ende konnten sich die Monos doch recht gut gegen den Vollverstärker behaupten. Aber wie stehen sie im Vergleich zu anderen Mono-Amps dieser Klasse da? Wir arbeiten schon seit vielen Jahren mit den gleichermaßen originellen wie unbestechlich-klangneutralen m1000 von SPL, die tatsächlich noch ein bisschen mehr Leistung aus ihren Netzteilen holen. Was man auch hören kann: Die SPLs schienen im Bass einfach noch mehr schieben zu können, wirkten einen Hauch “schwärzer” und bei Bass-intensivem Elektropop mitreißender. Das aber macht die Edge M keineswegs zum zweiten Sieger. Denn sie punktet mit dem etwas feineren, kultivierten und noch “offeneren” Mittelhochtonbereich, was Klassik- und Jazz-Fans wahrscheinlich vorziehen werden.
Wir hatten ja auch vor einiger Zeit die preislich ebenfalls noch vergleichbaren Rotel M8000 an vielen Lautsprechern des Referenzregals getestet und können so einen Vergleich “über Bande” machen. Die Rotel-Blöcke haben noch sehr viel mehr “Schmackes”, können noch viel besser Lemmys „Louder Than Noise…“ in den Raum drücken. Aber die Kraft hat nicht nur Vorteile. Im Vergleich zur feinsinnigen Wiedergabekultur des Edge-M-Gespanns spielen die Rotels erkennbar burschikoser.
Fazit Cambridge Audio Edge M
Für viele HiFi-Fans ist es der ganz große Traum: Eine High-End-Kette mit zwei Monoblöcken, die dicht bei den Lautsprechern stehen und aus denen schier unendlich viel Leistung strömt. Bei Cambridge macht dieser Traum doppelt viel Sinn, weil sowohl der Vollverstärker Edge A als auch die verwandte Endstufe Edge W mit ihren 2 x 100 Watt (8 Ohm) nicht sonderlich stark ausgelegt sind. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Für mehr als 90% der Musikfreunde ist deren Leistungsausbeute absolut ausreichend. Aber für all jene, die impedanzkritische Lautsprecher zu Hause stehen haben oder einfach mehr Druck und Pegel brauchen, sind die Edge M genau das Richtige. Sie heben die unaufdringlich-feine Wiedergabekultur der Edge-Verstärker Eins zu Eins auf das nächste Leistungs-Niveau. Das ist die eigentliche Kunst. Denn viele Endstufe mit viel Leistung klingen so, als könnten sie vor Kraft nicht laufen. Die Edge M dagegen tänzeln…
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Relaxed natürlicher, feiner und farbstarker Klang |
| Strikt symmetrischer Aufbau; XLR-Eingang |
| Gute Verarbeitung |
| Viel Gegenwert fürs Geld |
Vertrieb:
Cambridge Audio Deutschland
Telefon: 0410 18099810
www.cambridgeaudio.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Cambridge Audio Edge M: 9.000 Euro
Die technischen Daten
Cambridge Audio Edge M | |
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Konzept: | Mono-Endstufe in A/B-Schaltung |
Leistung: | 2 x 200 Watt an 8 Ohm, 2 x 350 Watt an 4 Ohm |
max. Leistungsaufnahme: | 1.000 Watt |
Eingänge: | 1 x RCA, 1 x XLR |
Ausgänge: | 1 x RCA, 1 x XLR |
Eingangs-Impedanzen: | symmetrisch 100k Ohm, unsymmetrisch 47k Ohm |
Abmessungen (B x H x T): | 46,0 x 15,0 x 40,5 cm |
Gewicht: | 23,6 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
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Test Vor-/Endstufen-Kombinationen Rotel Michi: P5, S5, M8
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Familientest Canton Anniversary Serie: A 55, A 45, A 35 und A 45BS
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Erster Test: Vollverstärker Cambridge Audio Edge A