Der neue Ford Focus war schon vielversprechend mit seinem 1.0-Liter-Ecoboost-Aggregat. Vor allem war das B&O-Sound-System mit dem Fahrtest aus dem letzten Jahr eigentlich schon abgehakt. Aber die Budget-Version weckte bei mir so große Erwartungen, dass ich mir die Chance nicht entgehen ließ, den nachgeschärften Ford Focus ST zu fahren. Der bewegt sich eher in den mir vertrauten Leistungsklassen und bekam auch eine aufwändigere Mehrlenker-Hinterachse. Außerdem hat sich die Bezeichnung des Audio-Systems geändert. Statt B&O Play heißt es jetzt wie bei Audi nur noch B&O. Oder ganz ausführlich wie in der Aufpreisliste: B&O Sound System by Bang & Olufsen. Somit habe ich ein gewisses Alibi, den Focus noch einmal durch die Berge bei Nizza zu scheuchen. Dort fuhr ich letztes Jahr bereits den Ford Mustang GT und war begeistert – von Auto und Landschaft.
Wie sich die Zeiten doch ändern. Ford war so ziemlich die letzte Marke, die ich beim Start von LowBeats im Jahr 2015 für den ganz persönlichen Geschmack auf dem Radar hatte. Doch zahlreiche gut gemachte Vernuftsautos, zwei Mustangs und einen Supersportwagen Ford GT später, freute ich mich aus durchaus eigennützigen Motiven auf die Ausfahrt durch die Berge. Und ich wurde nicht enttäuscht. Der ab knapp über 30.000 Euro erhältliche, dezente Kompaktsportler machte auch jenseits seiner HiFi-Anlage mächtig Laune. In sportlicher Hinsicht überzeugte er mich mehr als der längsdynamisch monströse BMW M140i xDrive. Dabei stemmt der Bayer stramme 340 PS an alle vier Räder, während sich der Ford Focus ST mit 280 PS bescheidet. Die Mercedes-Benz A-Klasse konnte ich leider nur mit dem kleinen A200-Motor erleben, den Audi S3 fuhr ich in der vorigen Generation, die mit ihrem frontlastigen Allradantrieb recht untersteuernd agierte.
Unterhaltung statt Untersteuern
Untersteuern im Grenzbereich ist vor allem eine Begleiterscheinung von Frontantrieb – einem Antriebskonzept, das ich mir nach 30 Jahren Heckantrieb in Form zweier Mini Cooper S als eine Art Handycap auferlegte, um mich etwas einzubremsen. Mini Nummer 2 hatte eine mechanische Differenzialsperre, weil Mini Nummer 1 in engen Kehren hilflos mit dem kurveninneren Vorderrad durchdrehte, Doch die dramatisch bessere Fahrdynamik hatte ihren Preis: Der Brite zerrte ungeachtet eines bemerkenswerten Kurvenpotenzials höllisch an der Lenkung, hielt einen also ständig auf Trab.
Warum ich das erwähne? Trotz mega-sensiblem Popometer hätte ich anfangs schwören können, der Ford Focus ST hätte Allradantrieb. Obwohl ich es auf den einsamen Bergpässen zügig anging, waren weder Schlupf noch Lenkungseinflüsse zu verzeichnen. Eine Folge der sensiblen elektronischen Differenzialsteuerung mit Torque Vectoring Control und dem automatischen Torque-Ausgleich der elektrisch unterstützten Servolenkung. Und anders als mit den mir bekannten Front-Trieblern mit Differenzialsperre hatte ich nicht das Gefühl, den Wagen allein mit der Vorderachse durch die Kurve zu ziehen. Die Hinterachse leistete perfekt austariert ihren Beitrag.
Entspannt genießen im Ford Focus ST
Trotz flotter Fahrweise konnte ich mich ganz entspannt in die elektrisch verstellbare Sitzschale zurücklehnen und mit meinem Beifahrer konversieren. Die meiste Zeit ertappte ich mich trotz der vielen Kurven dabei, den Ford Focus ST mit einer Hand zu dirigieren. Umso mehr staunte ich beim Mittagessen, dass ich bereits gut 200 km weit mit einem Fronttriebler unterwegs war, ohne es zu merken.
Wer mich kennt, weiß, dass man einem derartigen Fahrzeugkonzept kein größeres Kompliment machen kann. Sicherlich lag es auch daran, dass bei diesen sommerlichen Temperaturen die serienmäßig montierten Michelin-Pilot-Sport-4S-Reifen einen hervorragenden Grip aufbauten.Was mich neben der ausgezeichneten mechanischen Traktion noch begeisterte, war die enorme Leichtfüßigkeit, mit der sich der Ford Focus ST durch die Serpentinen bewegen ließ. Man spürte unweigerlich die Kombination aus dem vergleichsweise geringen Gewicht von 1.508 Kilogramm und dem durchzugsstarken Turbo-Motor. Der 2.3-Liter-Twinscroll-Turbo hing unglaublich direkt und gierig am Gas. Die lineare Leistungsabgabe entsprach eher einem Sauger als einem Turbo. Das sorgte nicht nur für einen gewissen Suchtfaktor, sondern auch dafür, dass der vergleichsweise biedere, nur halb so starke Ford Focus ST auf dieser Strecke den ikonischen Ford Mustang GT glatt ausstach.
Keine Frage, der Ford Mustang ist gerade in der Bullitt-Version, die ich kürzlich testete, ein automobiles Faszinationsobjekt, das jeder Freak gerne in der Garage hätte. Die Auto-Ikone mit dem Touch der Sechzigerjahre ist bereits bei langsamer Fahrt reichlich spektakulär. Doch hier auf den einsamen Bergstraßen entpuppte sich der Ford Focus ST als die schärfere Waffe. Er wedelte mit Leichtigkeit durch die Kurven, entwickelte mit seinem 420 Nm Drehmoment starken Turbo aus den Spitzkehren heraus mehr Schub als der erst ab knapp 4.000 Touren aufgeweckte 5-Liter-Saugmotor des knapp 2 Tonnen schweren Mustangs.
Kleiner Bruder des Mustangs
Als reines Spass-Auto wäre der extrem günstig gepreiste V8-Mustang für mich natürlich nach wie vor der Star, vor allem unter 50.000 Euro. Für eine Wettfahrt in den Serpentinen wäre der Ford Focus ST hingegen die Waffe meiner Wahl. Die lineare Art, wie der Vierzylinder seine 420 Newtonmeter Drehmoment entfaltet, wie er jeden Gasbefehl fast schon aggressiv umsetzt, ist in Verbindung mit der lässigen, neutralen Art, um enge Spitzkehren zu swingen, eine Klasse für sich. Damit sticht der unter der Ägide von Ford Performance in Deutschland entwickelte Kompaktsportler nicht nur den großen, schweren Mustang aus, sondern auch andere Kompakte wie den BMW M140i xDrive, der trotz Höllenpower und Megatraktion bei schnellen Richtungswechseln reichlich ungelenk wirkt.
Allerdings, wir wollen es ja mit der Begeisterung für den famosen Ford nicht übertreiben, ist selbst die gerade vor der Ablösung stehende 1er-Generation von 2016 in Sachen Navigation, Bedienung und Konnektivität immer noch weit voraus. Das gilt erst recht für die neue A-Klasse von Mercedes-Benz. Gerade die Schwaben liegen auch bei der Innenraumgestaltung und der Materialqualität von Oberflächen und Schaltern vorn. Dafür ist der Ford günstiger zu haben, wenn man vergleichbare Ausstattung zugrundelegt. Und an den wesentlichen Zutaten für sportliches Flair wurde nicht gespart, Die Integralsitze von Recaro sind spitze, gerade, was Seitenhalt betrifft.
Die standfesten Brembo-Bremsen verfügen über einen Electric Brake Booster (EBB), der das Durchqueren der Seealpen zur lässigen Angelegenheit macht, allerdings nicht ganz das analoge Bremsgefühl mit jener Rückmeldung bietet, wie wir es von den italienischen Bremsen kennen. Das gleiche gilt für die Lenkung, die nur so direkt ist wie unbedingt nötig, aber den Fahrer keiner Reizüberflutung durch Hervorhebung der letzten Feinheiten der Asphaltoberfläche aussetzt. Leo Roeks, Director von Ford Performance Europe, hat den neuen Focus ST nicht nur seinem Einhand-Test auf schlechter Straße unterzogen (was er mir nach der Alpentour verriet), sondern sehr umgänglich und trotzdem sehr performant abgestimmt.
Mit B&O Top-Sound zum Berggipfel
Das Fahrerlebnis im Ford Focus ST zeigte also durchaus viele neue Seiten gegenüber der zuvor getesteten Variante des Kompakten. Der Sound-Check unterstrich auch unter neuem Label ohne den Zusatz “Play” bestehende Eindrücke. Die Chassis des für nur 500 Euro Aufpreis im Set mit Navigationssystem inklusive Ford SYNC 3 mit AppLink und 8-Zoll-Touchscreen angebotenen Sound-Systems spielen nicht unbedingt in der gleichen Klasse wie die Komponenten, die wir von B&O-Systemen in Fahrzeugen von Audi gewohnt sind. Die gekonnte, sehr musikalische Abstimmung von Stefan Varga, dem verantwortlichen Senior System Engineer Acoustic, Car Audio bei Harman International, einem passionierten Musiker, überspielt allerdings dieses Manko sehr elegant. Was die zehn Treiber mit ihrem 675-Watt-Verstärker klanglich abliefern, ist gerade auch von der Emotionalität und dem “Boogie-Faktor” mehr als die Summe ihrer Teile.
Die Hochtöner sitzen weit vorne auf dem Armaturenbrett und erzeugen so in Verbindung mit dem gegenüber dem Ford Fiesta von 6,3 auf 8 cm vergrößerten Breitband-Center für warme, volle Stimmwiedergabe eine große, tiefe Hörbühne. Zwar leidet die Gleichmäßigkeit des Stagings etwas unter den großen Abständen der einzelnen Treiber – die Mitteltöner sitzen weit entfernt von den indirekt über die Frontscheibe abstrahlenden Hochtönern dicht beim Fahrer in den Türen –, doch entsteht ein imposanter 3D-Eindruck. Man hat nicht wie bei manch anderem Car Audio System das Gefühl, direkt vor einer kleinen Lautsprecherbox zu sitzen.
Der Bass wirkte wie schon im Basismodell kräftig und kam von vorne, obgleich sich der Dual Voice Coil Subwoofer mit Doppel-Schwingspule für eine optimierte Leistung in der Reserverradmulde des Kofferraums versteckt. Das Timing und der Punch des B&O-Systems überzeugten einmal mehr auf ganzer Linie. Allerdings muss ich gestehen, mich am Ledervolant der Performance-Version des neuen Ford Focus mehr auf die Fahrdynamik als auf die Stärken der mit nach einem Hörtest mit Live-Einspielung bestens bekannten Anlage konzentriert zu haben.
Was die Konnektivität betrifft, stehen Bluetooth und USB zum Anschluss des Smartphone bereit. Außerdem unterstützt das Ford Sync 3 plus App-Link mit seinem 8 Zoll großem Touchscreen sowohl Apple CarPlay als auch Android Auto. Mit FordPass ist auch ein WLAN-Hotspot im Fahrzeug verfügbar.
Bedienung nicht ganz bergfest
Doch zeigte sich gerade bei der Kurvenjagd in den Seealpen, dass die Bedienung über den freistehenden 20,3 durchmessende Touch-Screen gerade bei der Suche nach bestimmten Titeln auf dem angeschlossenen Smartphone oder USB-Stick während der Fahrt kaum möglich ist. Um von Pop-Tracks auf die Gute-Laune-Musik von Style Council zu wechseln, musste ich rechts ranfahren.
Diese Unterbrechung störte aber vor allem, weil das Durch-die-Kurven-Schwingen mit dem Ford Focus ST einfach höllisch Spaß machte. Nach der Mittagspause bewegte ich den Kompaktsportler im Sport-Modus, welcher sich über eine eigene Taste am Lenkrad bequem zuschalten lässt. Dann wurde das gesamte Fahrverhalten nebst Auspuffsound etwas kerniger und ich spürte erstmals leichte Antriebseinflüsse in der Lenkung. Das dürfte sicher zu gleichen Teilen daran gelegen haben, dass Torque-Vectoring und alles andere in diesem Modus aggressiver agierten, während ich gleichzeitig das Limit noch weiter bis knapp an den Grenzbereich auskostete.
Trotzdem änderte die verschärfte Gangart nichts daran, dass ich nach mehreren 100 Kilometern über Bergpässe am Ziel in Cannes körperlich wie mental viel entspannter ankam als seinerzeit mit dem Mustang, der ebenfalls über ein knackig präzises mechanisches 6-Gang-Getriebe verfügte.
Doch nicht nur der Verbrauch an Nerven fiel weit geringer aus. Obwohl ich den Focus schaltfaul und zugleich dynamisch förderlich fast ausschließlich im zweiten und dritten Gang bewegte, lag der Benzinkonsum bei unter 12 Litern. Der Mustang konsumierte in meinen Händen auf gleicher Strecke über 15 Liter. In der Praxis sollte ein ökonomisch bewegter Ford Focus ST lässig deutlich unter 10 Litern auf 100 Kilometern bleiben. Außerdem gibt es noch die 190-PS-Turbe-Diesel-Version für besonders Sparsame.
Fazit Ford Focus ST mit B&O Anlage
Gleiche Anlage, anderes Feeling: Im neuen Ford Focus ST trifft das bewährte B&O System auf ein Ambiente, das seine emotionale Spielweise unterstreicht. Das Gesamterlebnis gerät dadurch noch eine ganze Nummer packender. In der Summe rockt der schick gestylte Kompakte tausendmal mehr als seine im direkten Umfeld eher bescheidenen Leistungsdaten von “nur” 280 statt über 300 PS und der geringe Aufpreis seines formidablen HiFi-Systems erwarten lassen. Angesichts der gegenwärtigen politischen Stimmung sollten Dynamik-Fans zugreifen, bevor jemand auf die Idee kommt, darauf eine Suchtsteuer zu erheben.
(In eigener Sache: Die Wertung ist wie immer bei LowBeats auf die jeweilige Preisklasse beziehungsweise Fahrzeugklasse bezogen und nicht absolut zu sehen. Das heißt, ein direkter Vergleich zwischen einem 5-Sterne-Kleinwagen und einer 5-Sterne-Limousine ist nicht möglich).
Bewertung
AnlageAutoFahrspassGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr weiträumiges Staging, sehr natürliche Klangabstimmung, trockener, tiefreichender und satter Bass, Top-Bedienung der Anlage |
| Ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis |
| Sehr gute Smartphone-Einbindung |
| Sportlichkeit ohne übertriebene Härte, tolles Handling, standfeste Bremsen, sehr hohe mechanische Traktion |
Vertrieb:
Ford Werke GmbH
Henry-Ford-Str. 1
50735 Köln
www.ford.de
Preis (Herstellerempfehlung):
Ford Focus ST ab 31.900 Euro (Diesel), 32.900 Euro (Benziner), Ford Navigationssystem inkl. Ford SYNC 3 mit AppLink, 8″-Touchscreen und B&O 500 Euro.
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