Als Messeleiter Stefan Dreischärf mit dem Start der offiziellen Pressekonferenz die HIGH END 2022 quasi eröffnete, war seine Erleichterung fast schon greifbar. “Endlich wieder Messe”, sprach er ins Mikro – und damit wohl den meisten anwesenden Journalisten aus der Seele. Und ganz ehrlich: Mir ging es auch so. Endlich mal wieder die Kollegen sehen, endlich mal wieder eine Leistungsshow, die hoffentlich die Impulse setzt, um gehobenes Audio auch für die nächsten Jahre attraktiv zu machen. Zunächst jedoch verlas Dreischärf die Rahmendaten: 29.000 Quadratmeter – komplett ausgebucht. Alle 140 Räume – ausgebucht. 450 Austeller, 800 Marken, 54 ausgebuchte Soundkabinen und 4.000 angemeldete Fachbesucher aus 71 Ländern. Und dann hatte die Messeleitung für die HIGH END 2022 ja noch zwei kleine, aber feine Veränderungen vorgenommen: aus einem Fachbesuchertag wurden zwei und während dieser beiden Fachbesuchertage lief in Halle 1 die Zuliefere-Messe IPS – International Parts & Supply. Durchaus eine Bereicherung, wie unser IPS-Bericht zeigt.
Das hörte sich fast so an, als hätte die beiden Jahren Pandemie-Aussetzung und all die Unwägbarkeiten gar nicht gegeben. Am Ende verzeichnete die Messe sogar knapp 20.000 Besucher. Wären jetzt noch alle HIGH-END-Besucher-willigen Asiaten gekommen, hätte diese Messe wohl zu einem neuen Besucherrekord feiern können. Und noch eine Zahl ließ aufhorchen: 40. Wegen der Pandemie fand die HIGH END (die erste datiert aus dem Jahr 1982) zwar nur 38 Mal statt, aber die Messe wurde dieses Jahr 40.
Damit war der diesjährige Messe-Botschafter irgendwie genau der Richtige. Alan Parsons hatte in den 1980er Jahren als Musiker sicherlich seine größte Schaffenskraft. Auf der Pressekonferenz zeigte er sich als freundlicher, kluger Mann, der in Sachen Tonmeisterei (unter anderem das einzigartige Album “Dark Side Of The Moon” von Pink Floyd sowie die letzten beiden Beatles-Alben) nun wirklich schon alles mitgemacht hat. Auf Zwischenfrage des hartnäckigen Kollegen Lothar Brandt betätigte die Parsons, dass er sogar bei den legendären Rooftop-Konzerten der Beatles anwesend war. Das adelt den Mann auf Ewigkeiten.
Und während Alan Parsons früher nur sehr wenig mit High End anfangen konnte (ich hatte anlässlich einer B&W-Präsentation diesbezüglich mal eine echt unfrohe Diskussion mit ihm), gab er sich doch sehr konziliant, plädierte auf den bestmöglichen Klang, um das Werk der Tonmeister angemessen zu würdigen. Allerdings zeigte er sich auch als Verfechter vom immersiven Dolby Atmos. “Das ist die Zukunft”, so die Tonmeister-Legende: “Da hört man einfach mehr.”
Auf der Messe allerdings war davon nicht viel zu sehen beziehungsweise zu hören. Grimm wollte wohl mit fünf der von LowBeats ganz frisch (und euphorisch) getesteten LS1b2 eine Mehrkanal-Wiedergabe zaubern, doch es gelang mir nicht daran teilzuhaben: Jedes Mal, wenn ich vorbeikam, lief nur Stereo. Das war zwar auch beeindruckend, aber fünf im Ensemble hätte ich auch gern mal gehört…
Zuverlässig auf immersives 3D-Audio war natürlich die Vorführung von Grobi TV getrimmt, der auf der HIGH END 2022 seiner Rolle als Platzhirsch unter den Heimkino-Händlern mehr als gerecht wurde. Und zwar mit einem brachialen Lautsprecher-Set von MAG Audio. Wir hatten die Speaker ja bereits im Test. Da bekommt man echt viel Holz und Pegel fürs Geld. Angeschlossen waren die ukrainischen Kino-Speaker an einer Trinnov-Vorstufe und drei Musical Fidelity 7-Kanal-Endstufen. Da bebten die Wände ordentlich…
Der alphabetische Rundgang über die HIGH END 2022
Audio Physic
Jürgen Timm, der Vorstand-Vorsitzende der High End Society, gab auf der Presse-Konferenz den Tipp, mal bei Audio Physic vorbeizuschauen. Das ist selten, dass die Messe-Oberen ganz konkrete Empfehlungen für einzelne Hersteller aussprechen. Jürgen Timm tat es und tatsächlich bot sich den Besuchern im Audio-Physic-Raum Besonderes. Die sauerländische Boxenschmiede, die sich in den vergangenen Jahren den Ruf erworben hat, audiophiles Hightech sehr gekonnt in hübsch gestalteten Wohnraum-Lautsprecher unterzubringen, überraschte auf der HIGH END mit der größten Box der Firmengeschichte.
Die Medeos ist ein 5-Wege-System, an dem alles irgendwie ultimativ ist. Hier ein paar Daten für das HiFi-Boxen-Quartett: Abmessungen 180 x 62 x 80 cm (H x B x T), acht 28 cm Tieftöner in Push-Push Anordnung auf den Seiten der Medeos, Gehäuse aus Multiplex-Honeycomb-Sandwich, Gewicht: ungefähr 200 Kilo, Preis: ab 150.000 Euro.
Als ich die Medeos sah, war ich erst einmal geschockt: Kann man das Audio-Physic-Ideal vom schönen Wohnraum-Lautsprecher beliebig hoch skalieren? Ich meine: nein. Doch auf Nachfrage entspannten sich meine Gesichtszüge wieder, denn auch bei Audio Physic weiß man um die Kundschaft und dessen Befindlichkeiten. So wurde die Anzahl der Medeos auf weltweit zehn Paare limitiert, der Kunde bekommt immer eine “customized” Ausführung nach seinen Wünschen. Medeos bleibt also eine Ausnahmebox.
Und dann macht so ein Über-Flaggschiff wieder Sinn: als Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse später in – dann wieder wohnraumfreundliche und bezahlbare – Modelle einfließen. Denn klanglich, soviel wurde schnell deutlich, hat die Medeos einiges zu bieten. Vor allem der Mittenbereich verführte durch seine völlig mühelose Transparenz. Tief- und Oberbass waren nicht von gleicher Qualität – was aber wohl eher den Wänden des M.O.C. geschuldet ist. Sie lassen die meisten Demos im M.O.C. – gerade solche mit viel Tiefbass-Energie – oftmals etwas pappig klingen.
Doch bei Audio Physic bewegt sich nicht nur technologisch viel: Der langjährige Geschäftsführer Wolfgang Lücke, der das Unternehmen aus schwieriger Lage in die durchaus erfolgreiche Jetzt-Zeit führte, tritt nach getaner Arbeit ab. Neuer Geschäftsführer wird der Vertriebsleiter Thomas Saheicha, den viele noch aus seiner Zeit als Linn-Manager kennen werden und dessen exzellente Marktkenntnis den Brilonern sicherlich helfen wird, die nächste Stufe zu zünden.
Burmester
Bei Burmester fand ein ruchloser Umsturz statt. Das Opfer: die legendäre Endstufe 911, die Jahrzehnte-lang Burmester-Fans in Verzückung versetzte. Doch sie war einfach nicht mehr besser zu machen, ihre Architektur war ausgereizt. Und so musste das Gute dem Besseren weichen. Das Bessere ist – so Burmester Entwicklungsleiter Stefan Größler – die neue 216 für 22.800 Euro. Zusammen mit der etwas größeren 218 (Preis: 34.900 Euro) bilden sie bei Burmester sozusagen die neuen Mittelschicht. Beide sind maßgeblich (vor allem beim Wärme-Konzept) von den Über-Monoblöcken 159 inspiriert, die – Kenner wissen es – mit knapp 260.000 Euro auch preislich noch etwas über den neuen Stereo-Endstufen liegen…
Ebenfalls neu ist die Burmester B28, quasi eine um einen weiteren Tieftöner erweiterte B18. Die letzten Testergebnisse von Burmester-Boxen (B18 und B38) waren ja wirklich exzellent. Man darf also auch hier Größeres erwarten.
Am interessantesten allerdings fand ich die Vorstellung einer VR-App, mit der Burmester seinen Kunden ermöglichen will, die Anlage im Raum virtuell aufzustellen. Diesen Service werden Kunden, die so viel Geld ausgeben, sicher gern annehmen. Die App soll im Herbst 2022 fertig sein.
Canton
Bei Deutschland bekanntestem Lautsprecherhersteller steht fast alles im Zeichen des 50-jährigen Geburtstags, der im Herbst begangen wird. Und so verfolgen die Weilroder zwar den Umbau ihrer Flotte auf “smarte” Technik weiterhin konsequent – zu sehen hier der Aktiv-Version der kompakten Smart Townus 2, aber sie hatte im Vorfeld des Jubiläums schon ein zwei echte Retro-Schmankerl dabei.
Am schönsten war das Remake der Ergo. Die Ergo war, so die offizielle Lesart, die erste Standbox von Canton und wurde jetzt von Entwickler Fank Göbl mit modernster Passiv-Technik noch einmal aufgebaut. Das Design von damals behielt man natürlich bei. Und so wie ich es verstanden habe, sollen die Gehäuse wohl aus Vollholz sein. Da wäre der avisierte Preis von 7.000 Euro gar nicht so hoch…
Aber auch die Karat (war immer mein heimlicher Lieblings-Lautsprecher von Canton) wird in einer Sonder-Edition wieder aufgelegt. Der kubisch-kantige Schallwandler mit Bass-Seitentreiber soll dann 3.500 Euro kosten. Da freue ich mich doch diebisch auf den Herbst und werde sicher nicht allein damit sein: Ich glaube, dass Canton für viele HiFi-Fans über all die Zeit ein immer wieder inspirierender Begleiter für das Hobby HiFi gewesen ist…
DALI
Die Dänen haben sich schon längst zu einem der Top-Player am Lautsprechermarkt entwickelt. Aber gerade in den vergangenen Jahren gelang es ihnen immer besser, durch “smarte” Produkte auch die Bedürfnisse einer jungen Kundschaft zu befriedigen. Der neueste Streich in diese Richtung ist ein Alleskönner-Hub für 600 Euro, der das Zentrum für die Funklautsprecher der EQUI-Serie darstellt. Wir hatten ihn kurz in der Hand und der scheint tatsächlich fast alles zu können…
Aber DALI bot auf der HIGH END 2022 etwas, was man sich von diesem Hersteller schon lange gewünscht hatte: einen echten Flaggschiff-Lautsprecher. DALI Kore heißt die wuchtige Standbox, die irgendwie schon äußerlich den Eindruck macht, als ob die DALI-Ingenieure hier über einen langen Zeitraum geforscht hätten und dieses Wissen gekonnt umgesetzt haben.
Das Gehäuse der KORE besteht aus einem geschwungenen Holzlaminat. Wie auf dem Bild gut zu sehen, ist der Mittelhochtonteil von der Schallwand entkoppelt – er besteht aus einem eigenen Stück Aluminiumdruckguss. Den Abschluss nach unten bildet ein 34 kg schwerer Sockel aus zementbasiertem Harzverbundstoff. Schon wenn man die Kore anfasst, ahnt man, dass da wenig vibrieren wird.
Aber auch technisch haben die Dänen hier alle DALI-Register gezogen und verwenden erstmals Konus-Treiber mit symmetrischem Antrieb, die durch jeweils zwei Schwingspulen angetrieben werden. Weil durch diesen Aufbau bei Musik immer eine Schwingspule durch das Magnetfeld nach innen und die andere nach außen bewegt wird, sollen sich die ansonsten unweigerlich auftretenden Nichtlinearitäten gegeneinander aufheben. Ein interessantes Konzept. Fragt sich nur, warum man da nicht schon früher draufgekommen ist.
Festzuhalten bleibt, dass das Entwicklerteam hier ganze Arbeit geleistet hat. Aus der riesigen Phalanx der passiven, kaum noch zu bezahlenden Superboxen, die hier auf der Messe zu hören waren, hob sich die Kore angenehm heraus. Satt-schwarze Bässe treffen auf einen sehr mühelosen, ungemein feinseidigen Mittelhochtonbereich. Ich fand den Auftritt der wuchtigen DALI so gekonnt, dass ich über eine halbe Stunde hörte – und einfach kein Schwächen fand. Und vergleiche ich den Materialaufwand der DALI Kore mit so manch anderer (sehr viel teureren) Superbox, muss man – da sträuben sich bei einem Preis von 80.000 Euro fast die Finger weiterzuschreiben – ihr fast schon eine faire Preis/Gegenwert-Relation attestieren…
Dynaudio
Dynaudio hat die HiFi-Landschaft ja um viele audiophile Aspekte bereichert. Aber die Dänen nehmen für sich ebenfalls in Anspruch, als erster Hersteller klanglich hochwertige Wireless-Systeme angeboten zu haben. Auf der HIGH END 2022 legten sie nun mit der neuen Focus-Serie nach. Drei Modelle wird es geben: die kompakte Focus 10 für 5.000 Euro, die kleine Standbox Focus 30 für 7.500 Euro und die größere Standbox Focus 50 für 10.000 Euro
Auf der Dynaudio-Pressekonferenz wurden die Vorzüge ausgiebig dargestellt. So wie ich es verstanden habe, unterstützen die Aktiv-Speaker Spotify Connect, TIDAL Connect, Apple AirPlay 2, Google Chromecast, Qplay, UPnP, Internet-Radio und Bluetooth. Und für mich fast genauso wichtig: Sie sind „Roon Ready“. Natürlich bieten die Dänen für die Einrichtung und Steuerung eine kostenlose App, aber auch eine Bluetooth-Fernbedienung an. Und dann gibt es noch so kleine Gimmicks. Beispielsweise erkennen die neuen Focus-Modelle, wenn die Lautsprecherabdeckungen entfernt worden sind. Dann egalisiert eine entsprechende Equalizer-Einstellungen die dadurch entstehenden, minimalen Höhenabfall automatisch. Nett.
Klanglich gefiel mir der Auftritt der Dynaudio Focus 50 gut. Der klassische Dynaudio-Sound mit seinem warmen Bass-Oberton und den samtigen Mitten und der plastischen Abbildung war sofort erkennbar – trotz kabelloser Verbindung. Prinzipiell glaube ich, dass diese Lautsprecher von der klanglichen Performance und ihren Ausstattungs-Möglichkeiten her viele Freunde gewinnen werden. Warum allerdings Dynaudio ein so schönes, durchaus in die Zukunft weisendes Konzept in ein Lautsprecher-Design der 1990er-Jahre packen muss, bleibt mir ein Rätsel…
Epos
Der Name Epos hatte bei den HiFi-Fans (vor allem bei jenen, die britisches HiFi mögen) schon immer einen guten Ruf. Ob der immer berechtigt war, lassen wir mal dahingestellt sein… Fakt aber ist: Als der wirklich originelle und kenntnisreiche Robin Marshall im Jahr 1983 Epos gründet und einige Modelle auf den Markt brachte, war das ein erfreulich frischer Ansatz. Marshall verwendete stets Metall-Hochtonkalotten und 6-dB-Filter – eine Kombination, die damals höchst gewagt war. Aber irgendwie klang das super; gerade dem Charme der Model ES 14 konnte sich kaum jemand entziehen.
Aber Marshall verkauft Epos 1988 und nachdem es durch etliche Hände (Mordaunt Short, Creek) ging, kaufte Lautsprecher-Großmeister Karl-Heinz Fink (FinkTeam) die Rechte vor zwei Jahren – und begann in der Tradition von Robin Marshall eine neue ES14 mit dem Zusatz “N” (für neu) zu entwickeln.
Allerdings wäre Fink nicht Fink, würde er nicht wesentliche Erkenntnisse seiner letzten Entwicklungen mit einfließen lassen. So erinnert nur das Membran-Material des 18 cm Tiefmitteltöners an die 80er Jahre: es ist Polypropylen. Aber allein schon das Gehäuse mit seiner eingewinkelten Schallwand ist ein kleines Kunstwerk. Es ist vielfach versteift und besteht aus einem Sandwich verschiedener MDF-Platten. Auch der Tiefmittel- wie der Hochtöner wurden selbstredend neu entwickelt. So bekam die neue ES14 keine echte Alu-Kalotte, sondern eine mit Keramik-Legierung.
Und auch von der 6-dB-Weichenschaltung des Urmodells rückte der Meister ab. Fink: “Ich hab’s versucht, ehrlich. Aber 6 dB ist einfach nicht zu machen.” Er muss sich nicht grämen: Seine Epos klang einerseits Fink-typisch musikalisch-natürlich und sehr räumlich, hatte aber trotzdem noch etwas von der frechen Unbekümmertheit eines Robin Marshall. Die Epos ES14N ist ganz sicher einer meiner Lieblingslautsprecher des Jahres. Einfach weil es High End zu bezahlbaren Kursen (4.000 Euro ohne und 4.600 Euro mit Ständer) ist – und damit ein sympathischer Gegenentwurf zu all dem Superteuer-Zeug, das auf der HIGH END allmählich die Oberhand gewinnt.
Lyravox
Advantage “aktiv-entzerrt”: Wer sich all die Vorführungen der Riesen-Anlagen mit Passiv-Lautsprechern der sechsstelligen Klasse angehört hat und dann bei Lyravox gelandet ist, muss zwangsweise ins Grübeln kommen. Denn hier klang es einfach super. Von der leichten Wattigkeit im Oberbass (die sich wegen der Trennwände der Messe) durch fast jede Vorführung zieht) war hier schlicht nichts zu hören. Stattdessen viel musikalischer Fluss und höchste Präzision auf den Punkt.
Die Vorführungen von Lyravox waren derart überzeugend, dass wir uns auch nach längerer Zeit nicht einigen konnten, welches denn nun die beste unter den drei herausragend guten waren. Dass das Flaggschiff Karl den meisten Punch und die größte Souveränität bot – geschenkt. Der neue Stand-Monitor bot unterm Strich vielleicht mit leichtem Vorsprung die beste Perfomance. Für den bei LowBeats bald folgenden Test zogen wir trotzdem die Kombination aus Karlson und Karlson Sub vor – einfach, weil es ebenfalls klasse klingt und so elegant aussieht…
Pro-Ject
Bei dem Neuheiten-Feuerwerk, das Pro-Ject schon im Vorfeld der Messe abfeuerte – vom Vollautomaten A1 bis hin zum Oberklasse Masselaufwerk X8 – waren echte Messeneuheiten bei Pro-Ject gar nicht mehr so zahlreich. Aber Pro-Ject Chef Heinz Lichtenegger hatte sich auf der Pressekonferenz einer Mission verschrieben: Er will die analoge Wiedergabe durch einen Kniff verbessern , der – zumindest bei MC-Abtastern – auf der Hand liegt: der Symmetrierung.
Eigentlich ist das eine super Idee, weil MCs sowieso das Signal symmetrisch ausgeben und die Wiedergabe fast immer besser wird. Doch dafür braucht es neben MC-Tonabnehmern halt auch eine symmetrisch aufgebaute Phono-Vorstufe. Die aber sind bislang rar und vor allem eher im oberen Preissegment zu finden.
Diese Hürden will Lichtenegger nun deutlich kleiner machen und kündigte gleich zwei bezahlbare, symmetrischer Phonostufen an: die Phono Box S3 B für 400 Euro und die Phono Box DS3 für 600 Euro. Die Kleine haben wir uns natürlich umgehend zum Test bestellt. Denn das ist schon spannend zu hören, was die Symmetrie auch in bezahlbaren Bereichen bringt.
Raidho
Raidhos Sales & Marketing Director, Morten Kim Nielsen, sprach schon lange vor dem Ende der HIGH END 2022 von der erfolgreichsten Messe, die die Dänen je bespielt haben. Und ja: Ich war zweimal in der Vorführung und jedes Mal war sie richtig voll. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass die neue Raidho TD6 zu jenen Lautsprechern gehörte, die man auf der Messe unbedingt gehört haben muss. Denn eines bewies diese Raidho nachdrücklich: Auch mit mannshohen Lautsprechern kann man eine sehr realistische, holografische Wiedergabe hinbekommen.
Aber auch der Gesamteindruck war absolut schlüssig. Die Bändchen-Hochtöner von Raidho sind ja seit jeher von herausragender Qualität. Mit der TD6 schafften es die Dänen, Mittelton und Bass schlüssig anzukoppeln. Die großen Moon-Monos, die hier den Verstärker-Part spielten, hatte ich nicht so gut in Erinnerung. In dieser Kombination aber passten sie offenkundig wie die Faust aufs Auge. Prinzipiell habe ich mit Lautsprechern im sechsstelligen Bereich meine Probleme. Aber die TD6 konnte tatsächlich einiges exemplarisch gut.
T+A
Die Ostwesfalen boten gleich ein ganzes Füllhorn an Neuigkeiten. Beispielsweise wird die Kopfhörer-Linie um ein Mobil-Gerät erweitert: Der Solitaire T ist ein leichter Over Ear Hörer, der 1.300 Euro kosten soll. Ich konnte ihn zumindest mal kurz in die Hand nehmen – der machte einen super Eindruck. Nicht auszuschließen, dass er sich schon sehr bald in einem LowBeats Test wiederfindet…
Für den HiF-Freund noch interessanter aber dürften der neue Multiplayer PSD und die neuen Lautsprecher der Solitaire-Linie sein. Auch hier musste ich mich auf einen haptischen Eindruck beschränken, weil nur die noch größere Solitaire 540 (45.000 Euro) in der Vorführung war. Doch der zweite Eindruck war klasse. Aber das muss man von Lautsprechern dieser preislichen Gewichtsklasse ja auch erwarten.
Westend Audio
Die Münchener Röhren-Spezialisten hatten im Grunde zwei Neuheiten. Zum einen hatten sie den großen Vollverstärker Monaco durch ein aufwändiges Mechanik-Tuning auf ein höheres Niveau gebracht, zum andern präsentierten sie mit dem Servus ihren ersten DAC. Beide standen in einer Kette mit den ebenfalls brandneuen Gauder DARC 240, einer mehr als mannshohen Box, die derzeit bei Gauder so etwas wie die Spitze markiert, obwohl sie mir ein bisschen zu amerikanisch abgestimmt ist, also etwas viel Bass macht.
Aber in der Vorführung mit den Westend-Audio-Komponenten wurde sie von gleich zwei Monaco Vollverstärkern angetrieben – einer arbeitete im Slave-Modus nur für den Bassbereich. So ließ sich auch der Bass gefühlvoll an den Raum anpassen.
Die Qualität der Westend Audio Verstärker steht ja außer Frage. Immerhin ist der Monaco Röhren-Referenz bei LowBeats – und zwar der noch nicht getunte. Da steht der Test noch aus. Und auch den DAC namens Servus konnte ich schon ausgiebig hören. Dabei distanzierte er unseren Referenz-DAC Merason DAC 1 in den Bereichen Körperhaftigkeit und Transparenz doch hörbar. Gut, aber das erwarte ich natürlich auch bei einem doppelt so hohen Preis…
Impressionen der HIGH END 2022:
Meine persönlichen Highlights der HIGH END 2022
Wie immer gab es einiges Ärgerliches, aber auch sehr viel Schönes und Attraktives auf dieser HIGH END. Drei Begegnungen möchte ich herausstellen: 1.) Die Erkenntnis, dass Geld manchmal doch Tore schießt. In diesem Falle war es die Audio-Reference-Demo einer Dan D’Agostino-Kette (gepowered von den Strom-Aufbereitern von Stromtank) an den Wilson Audio Chronosonic. Die Kette war 1,5 Millionen Euro teuer und zumindest das Teuerste, was ich wissentlich dort auf der HIGH END gehört habe. Aber fraglos auch mit das Beste.
Peter Macgrath, einer der ältesten Fahrensmänner bei Wilson, präsentierte die Anlage mit einem sehr direkt aufgenommenen Klavierstück. Das kam herrlich packend und energisch, da wähnte man sich fast schon im Klavier. So viel Energie und Dynamik ist im High End absolut selten zu finden. Die Anlage hätte ich gern mit nach Hause genommen – aber allein der Preis…
Mein zweiter Favorit kostet mit 4500 Euro nicht einmal ein dreihundertstel der Dagostino-Anlage: Es handelt sich um ein Remake der legendären Mission 770. Mission-Entwickler Peter Comeau hat natürlich neueste Treibertechnik verbaut. Aber Mission traute sich, das originale Design wieder aufleben zu lassen. Das finde ich super – zumal die neue 770 auch herausragend gut klang: fein, luftig, dynamisch. Das schreit nach einem schnellen LowBeats Test.
Mein dritter und größter Favorit ist noch etwas günstiger. Es handelt sich um den Yamaha R-N2000A für 3.500 Euro. Der R-N2000A ist ein Stereo-Netzwerk-Receiver mit Streaming und allem möglichen Komfort (beispielsweise einem Bass-Management), der verstärkertechnisch auf dem A-S2200 basiert – meinem Lieblings-Amp von Yamaha. Und dann schaffen es die Japaner auch noch, dieses wunderbare Verstärker-Design der 1980er Jahre in die Moderne zu retten. Ich bin begeistert. Und natürlich haben wir umgehend ein Test-Exemplar bestellt. Wenn das nur in etwa hält, was es verspricht, wird der R-N2000A nicht nur in highendigen Zirkeln ein umwerfender Erfolg…
Draußen vor dem Tore: die Münchener Motorwelt
Einen echten Pluspunkt aber haben die zukünftigen HIGH END-Massen im Münchener M.O.C. schon jetzt in petto: Direkt gegenüber dem Messegelände hat vor kurzem die Motorwelt München aufgemacht.
Das Ding ist eine glatte Sensation: Auf extrem viel Platz werden hier die schönsten Autos ausgestellt, verkauft oder von ihren Besitzern in Schaukästen gehalten – das ist echt grandios. Hier einige Bilder:
Und so wie ich Stefan Dreischärf verstanden habe, will man seitens der High End Society in den nächsten Jahren die Flächen mit einbeziehen. Für eine adäquate Präsentation von teurem HiFi wäre diese Motorwelt wie gemacht…
Quintessenz
Viel ausgelassene Stimmung und ein reibungsloser Ablauf: Die Veranstalter der HIGH END haben trotz vieler Unwägbarkeiten wieder einmal eine überzeugende Messe aufgestellt. Und nach zwei ausgefallenen Jahren hat sich die HIGH END tatsächlich etwas weiterentwickelt. Die meisten Aussteller waren froh, dass es dieses Mal zwei und nicht nur ein Fachbesuchertag waren. Das stärkt den B2B-Charakter der Messe (der auch durch die angeschlossene IPS (International Parts & Supply) unterstrichen wurde) und lockte offenkundig auch wieder vermehrt HiFi-Händler nach München.
Der HiFi-Fan indes wird diese Entwicklung mit weniger Freude sehen. Ihm fehlt der eine Besuchertag. Aber damit kann man sich womöglich arrangieren. Schlimmer ist der immer stärkere Hang der Hersteller, extrem teure Produkte anzubieten; hier klafft die Schere mittlerweile sehr weit auseinander. Kann schon sein, dass asiatische Vertriebe nur teures HiFi kaufen wollen. Aber das hat mit der hiesigen Realität nichts mehr zu tun. Es ist einfach schwierig, auf die Frage nach dem Preis einer Anlage lapidar eine höhere sechsstellige Summe genannt zu bekommen und man würde bei Lichte besehen nicht einmal ein Prozent davon bezahlen – einfach, weil es so bescheiden klingt. Einiges vom Klangpotenzial bleibt sicherlich in den Trennwänden des M.O.C. Darauf muss man sich einrichten.
Überhaupt ist die Präsentationsfrage ja noch nicht überall überzeugend geklärt und setze ich setze große Hoffnungen auf die Motorwelt gleich gegenüber des M.O.C. Dort, denke ich, kann man auch teuerstes High End angemessen präsentieren. So etwas hat tatsächlich noch gefehlt.
Weitere Messeberichte von der HIGH END:
HIGH END 2019 – der LowBeats Messerückblick
HIGH END 2018 – die Messe-Highlights
HIGH END 2017: Rückblick auf die größte Messe ihrer Art